03.12.2024
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Dokument-Nr. 20885

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Oberlandesgericht Hamm Beschluss28.01.2015

Erbverzicht der Eltern erstreckt sich auch auf deren KinderÜberlebender Ehegatte kann bei gemein­schaft­lichem Testament nicht anderweitig über Erbteil des Verzichtenden verfügen

Ein Erbverzicht kann auch für die Kinder des Verzichtenden Folgen haben. Denn, wer auf einen ihm testamentarisch zugewandten Erbteil verzichtet, schließt auch seine Kinder vom Erbteil aus, wenn die Verzichts­ver­einbarung nichts anderes bestimmt. Für den Fall, dass ein Miterbe auf seine verbindlich gewordene Erbeinsetzung in einem gemein­schaft­lichen Testament mit Pflicht­teils­straf­klausel verzichtet, kann der überlebende Ehegatte über den Erbteil des Verzichtenden nicht anderweitig, z. B. zugunsten eines Kindes des Verzichtenden verfügen. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Hamm hervor.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die in Dortmund wohnenden Eltern des Erstbeteiligten aus Hamm errichteten 1980 ein gemein­schaft­liches Testament mit Pflicht­teilss­traf­klausel, in dem sie den Überlebenden zum befreiten Vorerben und zwei ihrer Kinder, den 1963 geborenen Erstbeteiligten und seine 1957 geborene Schwester, zu gleichen Teilen als Nacherben einsetzten. Nach dem Tode des 78jährigen Vaters im Jahre 1993 schlossen die überlebende Mutter mit dem Erstbeteiligten und der bedachten Schwester im Jahre 2001 einen notariellen Vertrag, in dem die Schwester ihr Nacherbenrecht auf den Erstbeteiligten übertrug und erklärte, auch auf ihr gesetzliches Erb- und Pflicht­teilsrecht zu verzichten. Hintergrund waren Zuwendungen von 180.000 DM, die die Schwester bereits von der Mutter erhalten hatte bzw. noch erhalten sollte. Die Schwester verstarb im Jahre 2002, sie hinterließ zwei Kinder, u.a. die Drittbeteiligte aus Duisburg als ihre Tochter. In einem handschrift­lichen Testament aus dem Jahre 2013 bestimmte die Mutter die Drittbeteiligte und einen Zweit­be­tei­ligten aus Düsseldorf zu Erben. Ende des Jahre 2013 verstarb die Mutter im Alter von 82 Jahren. In der Folgezeit haben die Beteiligten um die ihr zustehenden Erbrechte nach dem Tode der Mutter als Erblasserin gestritten, wobei der Erstbeteiligte der Ansicht war, Alleinerbe zu sein, während der Zweit- und die Drittbeteiligte meinten, dass sie die Erblasserin als Miterben beerbt hätten.

Schwester hatte durch notariellen Vertrag bereits auf gesetzliches Erb- und Pflicht­teilsrecht und zugewandtes Erbrecht verzichtet

Nach der vom Amtsgericht Dortmund getroffenen und vom Oberlan­des­gericht Hamm bestätigten Entscheidung ist der Erstbeteiligte der Alleinerbe seiner Mutter geworden. Der Erstbeteiligte und seine im Jahre 2002 verstorbene Schwester seien durch das im Jahre 1980 errichtete gemein­schaftliche Testament der Eltern zu Erben nach dem Tode des letzten Elternteils eingesetzt worden. Durch den notariellen Vertrag aus dem Jahre 2001 habe die Schwester auf ihr gesetzliches Erb- und Pflicht­teilsrecht und auch auf das ihr durch das gemein­schaftliche Testament zugewandte Erbrecht verzichtet. Sie sei deswegen als Erbin weggefallen.

Zuwen­dungs­verzicht der Schwester erstreckt sich auch auf ihre Abkömmlinge

Ihre Kinder seien nicht als Ersatzerben berufen. Der Zuwen­dungs­verzicht der Schwester erstrecke sich auch auf ihre Abkömmlinge. Die nach dem Gesetz mögliche andere Bestimmung sei im Verzichts­vertrag nicht getroffen worden. Damit sei der Erbteil der Schwester beim Tode der Erblasserin dem Erstbeteiligten angewachsen. Insoweit enthalte auch das gemein­schaftliche Testament keine anderweitige Bestimmung.

Gemein­schaft­liches Testament ist hinsichtlich der Allei­n­er­ben­stellung des Erstbeteiligten bindend

Die Erblasserin sei nach dem Tode ihres Ehemanns gehindert gewesen, ihre Enkelin und den Zweit­be­tei­ligten als Erben einzusetzen. Dem stehe das gemein­schaftliche Testament aus dem Jahre 1980 entgegen, das auch hinsichtlich der Allei­n­er­ben­stellung des Erstbeteiligten bindend sei. Seine Bindungswirkung erfasse den dem Erstbeteiligten nach dem Wegfall seiner Schwester zugewachsenen Erbteil. Das ergebe die Auslegung des Testaments. Der vorliegende Fall sei mit dem Fall vergleichbar, bei dem ein Pflicht­teils­be­rech­tigter aufgrund einer Pflicht­teilss­traf­klausel als Schlusserbe ausscheide, weil er zu Lebzeiten des überlebenden Ehegatten seinen Pflichtteil verlange. Auch in diesem Fall wachse sein Erbteil den übrigen testamentarisch bedachten Erben zu. Zwar sei die Schwester nicht aufgrund eines Pflicht­teils­ver­langens weggefallen, sie habe aber - vergleichbar mit einem solchen Verlangen - ihren Erbverzicht erklärt, weil sie zu Lebzeiten Zuwendungen erhalten habe.

Anmerkung:

Dass der Verzicht auf einen testamentarisch zugewandten Erbteil grundsätzlich auch die Kinder des Verzichtenden vom Erbteil ausschließt, gilt aufgrund einer Änderung des § 2352 Bürgerliches Gesetzbuch für Erbfälle ab dem 1. Januar 2010. Diese gesetzliche Regelung stimmt nunmehr mit der Regelung des Bürgerlichen Gesetzbuches für die Wirkung des Verzichts auf einen gesetzlichen Erbteil überein.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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