19.10.2024
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Oberlandesgericht Hamm Urteil08.12.2017

OLG Hamm zum Anspruch auf Schadensersatz für Studenten bei rechts­feh­lerhaft bewerteten juristischen KlausurenFür Anspruch auf Schadensersatz müssen Klausurinhalte bei Anwendung zutreffender Bewer­tungs­maßstäbe nachweislich zur Verbesserung der Prüfnote führen

Amtspflicht­widrig falsch bewertete juristische Klausuren begründen keinen Schadens­ersatz­anspruch des betroffenen Studenten, wenn nicht festgestellt werden kann, dass die Klausuren bei der Anwendung zutreffender Bewer­tungs­maßstäbe besser hätten bewertet werden müssen. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Hamm und bestätigte damit das erstin­sta­nzliche Urteil des Landgerichts Münster.

Im zugrunde liegenden Streitfall verlangte der heute 35 Jahre alte Kläger aus Köln vom beklagten Land Nordrhein-Westfalen Schadensersatz aufgrund eines Bescheides des Justiz­prü­fung­samtes beim Oberlan­des­gericht Hamm vom 7. September 2007, mit welchem seine staatliche Pflicht­fach­prüfung (früher: erstes juristisches Staatsexamen) aufgrund der Bewertung von vier Aufsichts­a­r­beiten mit "mangelhaft" für nicht bestanden erklärt wurde. Die Rechts­wid­rigkeit dieses Bescheides stellte das Oberver­wal­tungs­gericht Münster mit Urteil vom 18. April 2012 (Az. 14 A 2687/09) fest und beanstandete die bei den beiden Klausuren im öffentlichen Recht angewendeten Prüfungs­maßstäbe als rechts­feh­lerhaft.

Kläger verlangt Ersatz von Studiengebühren und Verdien­st­ausfall

Der Bescheid war zu der staatlichen Pflicht­fach­prüfung ergangen, zu der sich der Kläger im achten Fachsemester seines Studiums der Rechts­wis­sen­schaften im März 2007 unter Inanspruchnahme der Freiver­suchs­re­gelung angemeldet hatte. Zwischen­zeitlich, im Jahre 2011, hat der Kläger die zweite juristische Staatsprüfung bestanden und ist jetzt als Rechtsanwalt tätig. Aufgrund des rechtswidrigen Prüfungs­be­scheides aus dem Jahre 2007 hat der Kläger vom beklagten Land 105.000 Euro brutto Verdien­st­ausfall und den Ersatz weiterer 1.645 Euro Studiengebühren verlangt.

OLG bejaht schuldhafte Amtspflicht­ver­letzung des beklagten Landes

Die Schaden­s­er­satzklage blieb jedoch erfolglos. Das Oberlan­des­gericht Hamm entschied, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Amtshaf­tungs­an­spruches nicht erfüllt seien. Dem beklagten Land falle zwar eine schuldhafte Amtspflicht­ver­letzung zur Last, weil bei den beiden öffentlich-rechtlichen Klausuren des Klägers fehlerhafte Bewer­tungs­maßstäbe angelegt worden seien somit gegen das Gebot zum rechtmäßigen Verwal­tungs­handeln verstoßen worden sei. Die Amtspflicht­ver­let­zungen seien auch schuldhaft geschehen. Insoweit müsse sich das Land das fahrlässige Verschulden der zur Bewertung herangezogenen Prüfer zurechnen lassen.

Fehlerhafte Bewertung der Klausuren muss nicht zwingend zum geltend gemachten Schaden geführt haben

Jedoch könne nicht festgestellt werden, dass die fehlerhafte Bewertung der beiden Klausuren den vom Kläger geltend gemachten Schaden verursacht habe. Der Kläger habe nicht nachweisen können, dass sich bei einem pflichtgemäßen Handeln auf Seiten der Prüfer und des Justiz­prü­fung­samtes die Dinge anders als bei dem tatsächlichen Verlauf entwickelt hätten und sich seine Vermögenslage dadurch günstiger darstellen würde.

Klausur­be­a­r­beitung des Klägers litt an gravierenden Mängeln

Ungeachtet der Bewer­tungs­fehler bei den beiden öffentlich-rechtlichen Klausuren stehe nämlich nicht fest, dass diese bei Anwendung zutreffender Bewer­tungs­maßstäbe besser und damit mindestens mit "ausreichend" (4 Punkten) hätten bewertet werden müssen. Die Bewertung einer Prüfungs­leistung liege im sachgerecht auszuübenden Ermessen der Prüfer, diesen bleibe regelmäßig ein Beurtei­lungs­spielraum bei der Notenvergabe. Nach dem im vorliegenden Prozess zu den infrage stehenden Klausuren eingeholten Sachver­stän­di­gen­gut­achten habe die Klausur­be­a­r­beitung des Klägers an gravierenden Mängeln gelitten. Diese hätte es gerechtfertigt, eine der Klausuren auch bei Anwendung zutreffender Bewer­tungs­maßstäbe mit "mangelhaft" (2 Punkten) zu bewerten. Bei der weiteren Klausur sei neben einer Bewertung mit "ausreichend" (4 Punkten) auch eine Bewertung mit "mangelhaft" (3 Punkten) vertretbar und zulässig gewesen.

Gesamtnote der Prüfungs­leistung wäre voraussichtlich auch bei sachgerechter Ermes­sens­ausübung nicht angehoben worden

Bei dieser Sachlage besteht die vom Kläger nicht auszuräumende Möglichkeit, dass auch bei sachgerechter Ermes­sens­ausübung die Gesamtnote seiner Prüfungs­leistung nicht angehoben und somit seine Prüfungs­leistung gleichlautend beschieden worden wäre. Weil somit nicht ausgeschlossen werden könne, dass dasselbe Prüfungs­er­gebnis auch bei fehlerfreier Ermes­sens­ausübung erzielt worden wäre, entfalle ein Schaden­s­er­satz­an­spruch. Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlan­des­ge­richts Hamm vom 08.12.2017 (Az. 11 U 104/16 OLG Hamm), nicht rechtskräftig (BGH III ZR 22/18).

Quelle: ra-online

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