21.11.2024
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Dokument-Nr. 11409

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Oberlandesgericht Hamburg Urteil01.02.2001

Bei abgelaufenem Mindest­halt­ba­r­keitsdatum dürfen Lebensmittel nicht mehr als Normalware verkauft werdenKunden dürfen von einem Supermarkt erwarten, keine Produkte in den Regalen vorzufinden, deren Mindest­halt­ba­r­keitsdatum bereits abgelaufen ist

Käufer von Lebensmitteln dürfen davon ausgehen, in einem normalen Supermarktregal ausschließlich Lebensmittel vorzufinden, deren Mindest­halt­ba­r­keitsdatum nicht abgelaufen ist. Der Verkäufer ist demnach verpflichtet, nur Ware mit gültigem Haltba­r­keitsdatum anzubieten. Dies geht aus einem Urteil des Oberlan­des­ge­richts Hamburg hervor.

Mehrere Kunden eines Supermarktes, die vor allem Kaffee und leicht verderbliche Lebensmittel aus dem Kühlregal erworben hatten, bemerkten nach ihrem Kauf, dass das Mindesthaltbarkeitsdatum der Waren bereits seit mehreren Wochen abgelaufen war. Als die Kunden den Kaffee zurückbrachten, stellten sie gemeinsam mit einem Mitarbeiter fest, dass die gesamte Palette mit abgelaufenem Datum angeboten wurde. Da dies bereits mehrfach vorgefallen war, hatte das Unternehmen den verant­wort­lichen Filialleiter daraufhin entlassen.

Abgelaufene Produkte dürfen nicht als "Normalware" weiterverkauft werden

Als ein Verbrau­cher­verband hiervon erfuhr verklagte es die Supermarkt-Kette vor dem Oberlan­des­gericht Hamburg. Das Gericht forderte in seiner Entscheidung die Supermarkt-Kette dazu auf, in Zukunft keine Lebensmittel mit abgelaufenem Haltba­r­keitsdatum zum Verkauf anzubieten. Die Klage sei gemäß §§ 1, 3, 13 Abs. 2 UWG, 17 Abs. 1 Nr. 5 LMBG begründet.

In einer Stellungnahme gab das Unternehmen zunächst an, es habe die abgelaufene Ware nicht absichtlich als "Normalware" weiterverkauft. Es habe sich um Ausreißer gehandelt, die bei einer Größenordnung von 11.120 angebotenen Artikeln hinzunehmen seien. Alle notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen gegen derartige Vorfälle seien zuvor getroffen worden.

Kunde darf Ware mit gültigem Haltba­r­keitsdatum erwarten

Das Oberlan­des­gericht hatte in seiner Entscheidung die Frage zu klären, ob ein Kunde erwarten könne, in einem "normalen" Verkaufsregal ausschließlich Waren ohne abgelaufenes Haltba­r­keitsdatum vorzufinden, denn dann würde der Verbraucher ohne klarstellenden Hinweis in seinen Erwartungen getäuscht und irregeführt, wenn er dem Regal Waren mit abgelaufenen Haltba­r­keitsdatum entnehme. Das Oberlan­des­gericht bejahte diese Frage und folgte damit entsprechenden Entscheidungen der Oberlan­des­ge­richte Köln (GRUR 1988, 920 - "Mindest­halt­ba­r­keitsdatum") und Hamm (WRP 1992, 714 - "Haltba­r­keitsdatum").

Bei einem durch­schnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher sei eine Irreführung anzunehmen. Diese beruhe nicht auf der "Flüchtigkeit" des Verbrauchers, wenn er das Datum nicht prüft, sondern auf der ihm selbst­ver­ständ­lichen Annahme, ihn werde keine Ware angeboten, deren Mindest­halt­ba­r­keitsdatum abgelaufen ist. Deshalb habe der (durch­schnittliche) Verbraucher keinen Anlass, die Ware zu überprüfen. Mit der Präsentation der Ware in einem normalen Regal gebe der Kaufmann zu erkennen, hier biete er normale Ware an, die im Hinblick auf das Haltba­r­keitsdatum keine Besonderheiten aufweist, und er führt damit den Verkehr irre, weil dieser glaubt, dem Haltba­r­keitsdatum deshalb keine besondere Aufmerksamkeit widmen zu müssen. Demnach liege eine Täuschung durch konkludentes Tun, nicht durch Unterlassen vor.

Ein Mindest­halt­ba­r­keitsdatum schaffe eine Erwartung beim Kunden, der davon ausgehe, das Produkt bis zum Ablauf ohne Bedenken verbrauchen zu können und nach Ablauf diese Gewissheit nicht mehr zu haben. Vernünf­ti­gerweise werde der Käufer kein Risiko eingehen und Ware mit nicht abgelaufenem Datum bevorzugen. Der Kunde könne vom Händler erwarten, dass dieser ihm keine Ware zweiter Wahl so anbiete, dass er dies nicht bemerke. Somit müsse er nicht damit rechnen, abgelaufene Ware in einem normalen Regal anzutreffen. Produkte des täglichen Bedarfs werden nach Meinung des Gerichts nicht mit der gleichen Umsicht gekauft wie größere Anschaffungen, eher in Eile und unter Zeitdruck, so dass hier vom Käufer keine hohe Aufmerksamkeit zu erwarten sei.

Bestätigt sah sich das Gericht in seiner Auffassung auch durch die Reaktion des betroffenen Supermarktes. Dieser habe im Ausstellen der Ware mit abgelaufenem Datum wohl selbst einen Fehler gesehen, da er diese "selbst­ver­ständlich" von den Kunden zurückgenommen und sogar den verant­wort­lichen Filialleiter entlassen habe.

Erläuterungen

Die Entscheidung ist aus dem Jahre 2001und erscheint im Rahmen der Reihe "Wissenswerte Urteile".

Quelle: ra-online, Oberlandesgericht Hamburg (vt/st)

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