18.10.2024
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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Beschluss03.05.2022

OLG Frankfurt am Main zur Beurteilung der Kindes­wohl­gefährdung bei Rückführung eines kurz nach der Geburt in Obhut genommenen KindesKeine Rückführung eines Pflegekindes zu Herkunftseltern ohne psychologisches Gutachten

Die Beurteilung, ob die Rückführung eines kurz nach der Geburt in Obhut genommenen Kindes zu seinen Herkunftseltern zu einer Kindes­wohl­gefährdung führt, bedarf regelmäßig eines psychologischen Gutachtens. Dies gilt insbesondere, wenn sich das Jugendamt und der Verfah­rens­beistand des Kindes sich gegen eine Kindes­rü­ck­führung aussprechen. Das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main (OLG) hob deshalb einen Beschluss des Amtsgerichts auf, mit welchem u.a. der Antrag der Pflegeeltern auf Anordnung des Verbleibes des Kindes bei ihnen zurückgewiesen worden war.

Das betroffene und im Jahr 2020 geborene Kind ist die zweite Tochter der nicht miteinander verheirateten Kindeseltern, die über das gemeinsame Sorgerecht verfügten. Die ältere Schwester war bereits unmittelbar nach der Geburt in Obhut genommen und die u.a. eingerichtete Amtspflegschaft später gerichtlich bestätigt worden. Auch das betroffene Kind war bereits wenige Tage nach der Geburt gegen den Willen der Eltern in Obhut genommen worden und lebt bei Pflegeeltern. Ein drittes Kind der Eltern lebt seit seiner Geburt bei den Eltern. Die Pflegeeltern begehrten im Rahmen des famili­en­ge­richt­lichen Verfahrens die Anordnung des dauerhaften Verbleibs des Kindes bei ihnen.

Jugendamt setzte sich für Rückführung ein

Das für den Aufenthaltsort der Eltern zuständige Jugendamt setzte sich - anders als das am Verfahren beteiligte und für den Aufenthaltsort des Kindes zuständige Jugendamt - für eine Rückführung des Kindes zu seinen Eltern ein; vorbereitend sollten intensivierte Umgänge stattfinden. Der Verfah­rens­beistand des Kindes sprach sich gegen eine Rückführung aus. Das Amtsgericht sah keine Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung im Fall der Rückübertragung der elterlichen Sorge auf die Herkunftseltern, so dass es von famili­en­ge­richt­lichen Maßnahmen absah und die beantragte Verblei­bens­a­n­ordnung nicht erließ.

Keine Entscheidung ohne psychologisches Sachver­stän­di­gen­gut­achten

Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Pflegeeltern und des vormaligen Amtspflegers führten zur Aufhebung der Entscheidung und Zurück­ver­weisung des Verfahrens an das Amtsgericht. Die Entscheidung über die Folgen der Trennung des Kindes von seiner sozialen Familie könne im Hinblick auf die Gestaltung des Verfahrens regelmäßig ohne ein psychologisches Sachverständigengutachten nicht entschieden werden, betonte das OLG.

Existentielle Frage für das Kind erfordert Prüfung aller Umstände

Für die Beurteilung der Wahrschein­lichkeit einer Gefährdung des Kindeswohls sei insbesondere die Frage, ob und wenn ja, in welchem Umfang das Kind Bindungen zu seinen Pflegepersonen und deren Umfeld aufgebaut habe und durch einen Abbruch dieser Bindungen in seinem Wohl gefährdet werden würde, umfassend aufzuklären. Zur Beurteilung dieser für das Kind existenziellen Frage habe sich das Amtsgericht nicht allein auf die Angaben des nicht am Verfahren beteiligten Jugendamtes am Wohnort der Eltern stützen dürfen. Es hätte vielmehr ein psychologisches Sachver­stän­di­gen­gut­achten einholen müssen. Für das betroffene Kind lägen hier zudem besondere Risikofaktoren vor. Es reagiere besonders sensibel auf Stress­si­tua­tionen, die teilweise auch pathologische Reaktionen bewirkten.

AG muss umfassende Kindesprüfung vornehmen

Es sei deshalb seitens des Amtsgerichts u.a. durch Einholung eines Gutachtens umfassend aufzuklären, ob die Rückführung des Kindes zu seinen Eltern mit einer Kindes­wohl­ge­fährdung einhergingen und die Eltern zur Ausübung des Sorgerechts ohne Gefährdung des Kindeswohls im Stande seien.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main, ra-online (pm/cc)

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