18.10.2024
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Sie sehen eine Figur, die einen Mann darstellt, der mit einem Fernglas in der Hecke sitzt.

Dokument-Nr. 33811

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Urteil06.02.2024Oberlandesgericht Frankfurt am Main9 U 35/23
Vorinstanz:
  • Landgericht Frankfurt am Main, Urteil23.05.2023, 2-07 O 264/20
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil06.02.2024

Schadensersatz für gravierenden Baumrückschnitt eines Nachbarn ohne Einwilligung des EigentümersOLG verwies die Sache zur weiteren Aufklärung zurück an das Landgericht

Bei der Zerstörung eines älteren Baumes ist in der Regel keine Natura­l­re­sti­tution zu leisten. Der Anspruch geht vielmehr auf eine Teil­wieder­herstellung durch Anpflanzung eines jungen Baumes und darüber hinaus einen Ausgleich für eine etwa verbleibende Werteinbuße des Grundstücks. Das Oberlandgericht Frankfurt am Main (OLG) hat ein den eingeklagten Schadens­ersatz­anspruch größtenteils zurückweisendes Urteil des Landgerichts aufgehoben und den Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung an das Landgericht zurückverwiesen.

Die Parteien sind Nachbarn. Die Klägerin ist Eigentümerin eines großen Grundstücks im Vordertaunus mit rund 70-jährigem Baumbestand. Der Baum- und Strauchbestand wird jährlich mehrfach durch ein Fachunternehmen beschnitten. An den hinteren Gartenbereich grenzt u.a. das Grundstück des Beklagten. Im Abstand von 1,60 m hierzu steht auf dem klägerischen Grundstück eine Birke, im Abstand von 3,35 m ein Kirschbaum. Beide Bäume waren zum Zeitpunkt des Erwerbs des Beklagten schon lange vorhanden. Die Klägerin war einverstanden, dass der Beklagte die auf sein Grundstück herüber­hän­genden Äste der Gehölze zurückschneidet. Ende Mai 2020 betrat der Beklagte das klägerische Grundstück in ihrer Abwesenheit und führte gravierende Schnittarbeiten unter anderem an den beiden Bäumen durch. An der Birke verblieb kein einziges Blatt. Der kurz vor der Ernte befindliche Kirschbaum wurde vollständig eingekürzt. Ob sich die Bäume wieder vollständig erholen oder die derzeitigen Triebe allein sog. Nottriebe sind, die an dem Absterben nichts ändern, ist zwischen den Parteien streitig. Das Landgericht hat der auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von knapp 35.000 € gerichteten Klage in Höhe von gut 4.000 € stattgegeben. Es führte aus, dass die Wertminderung der Bäume sowie die Kosten für die Entsorgung des Schnittguts zu ersetzen seien.

Teilwie­der­her­stellung und Ausgleichs­an­spruch

Die hiergegen eingelegte Berufung der Klägerin führte zur Aufhebung des Urteils und Zurück­ver­weisung des Rechtsstreits an das Landgericht. Der Sachverhalt sei zur Bemessung des Schaden­s­er­satzes weiter aufzuklären, begründete der Senat die Entscheidung. Nach gefestigter Rechtsprechung sei bei der Zerstörung eines Baumes in der Regel nicht Schadensersatz in Form von Natura­l­re­sti­tution zu leisten, da die Ersatz­be­schaffung in Form der Verpflanzung eines ausgewachsenen Baumes regelmäßig mit besonders hohen und damit unver­hält­nis­mäßigen Kosten verbunden sei. Der Schadensersatz richte sich vielmehr üblicherweise auf eine Teilwiederherstellung durch Anpflanzung eines neuen jungen Baumes sowie einen Ausgleichsanspruch für die verbleibende Werteinbuße des Grundstücks. Dies Werteinbuße sei zu schätzen. Nach einer insoweit möglichen Bewer­tungs­methode könnten dafür die für die Herstellung des geschädigten Gehölzes bis zu seiner Funkti­o­ns­er­füllung erforderlichen Anschaffungs-, Pflanzungs- und Pflegekosten sowie das Anwachsrisiko berechnet und anschließend kapitalisiert werden. Dieser Wert sei um eine Alters­wert­min­derung, Vorschäden und sonstige wertbe­ein­flussende Umstände zu bereinigen.

In Ausnahmefällen vollständige Wieder­be­schaf­fungs­kosten

Ausnahmsweise seien die vollen Wieder­be­schaf­fungs­kosten zuzuerkennen, „wenn Art, Standort und Funktion des Baumes für einen wirtschaftlich vernünftig denkenden Menschen den Ersatz durch einen gleichartigen Baum wenigstens nahelegen würden“, erläutert das OLG weiter. Aufzuklären sei deshalb bei der Bewertung des Schaden­s­er­satzes die Funktion der Bäume für das konkrete Grundstück. Zu berücksichtigen sei dabei auch der klägerische Vortrag, wonach es ihr bei der sehr aufwändigen, gleichzeitig naturnahen Garten­ge­staltung auch darauf angekommen sei, Lebensraum für Vögel und sonstige Tiere zu schaffen und einen Beitrag zur Umwandlung von Kohlen­stoff­dioxid in Sauerstoff zu leisten. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nicht­zu­las­sungs­be­schwerde kann die Zulassung der Revision begehrt werden.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main, ra-online (pm/ab)

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