18.10.2024
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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil06.11.2018

Ärztliche Aufklärungs­pflichten bei Brust­im­plan­ta­tionen umfassen nicht Pflicht zur Aufklärung über Risiken bei späterer ExplantationBeschädigung eines intakten Implantats bei Explantation stellt kein "Risiko der Implantation" dar

Das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main hat entschieden, dass über das Risiko einer Ruptur (Riss) eines Brustimplantats bei einer Schön­heits­ope­ration "schonungslos" aufzuklären ist. In den Schutzzweck-Zusammenhang der Aufklärung fällt jedoch nicht das Risiko, dass ein Brustimplantat bei seiner Explantation beschädigt wird. Allein dem Eingriff immanente Gefahren sind dem Schutzzweck der Aufklärung zuzurechnen.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Falls nimmt den beklagten Arzt auf Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 50.000 Euro wegen vermeintlich fehlerhafter Behandlung und Aufklärung in Anspruch. Ihr waren aus medizinischen Gründen im Jahre 2000 beidseitig Silikon­bru­st­im­plantate eingesetzt worden. Nach einem Verkehrsunfall Anfang 2003 litt die Klägerin unter Schmerzen in der rechten Brust und ließ eine Mammographie durchführen. Diese ergab keinen Nachweis für eine Ruptur. Im Herbst 2003 bat die Klägerin den Beklagten, ein plastisch-chirurgisches Fachgutachten zur Verfolgung von Ansprüchen gegenüber dem Unfallgegner zu erstatten. Sie übergab ihm auch die Mammographie-Bilder. Der Beklagte erklärte in dem Gutachten, dass das rechte Implantat eine Ruptur zeige. Die Klägerin ließ im Jahr 2004 durch den Beklagten die Implantate gegen größere titan­be­schichtete Implantate austauschen. Die explantierten Implantate waren intakt.

Klägerin beruft sich auf angeblichen Rat des Arztes zum Austausch der Implantate

Nachdem die Klägerin erfahren hatte, dass sie möglicherweise von dem so genannten PIP-Skandal (mit Indus­trie­silikon gefüllte Implantate) betroffen sein könne, ließ sie auch diese Implantate 2012 entfernen. Die Klägerin behauptet nunmehr, der Beklagte habe fehlerhaft den Austausch der tatsächlich intakten Brustimplantate 2004 empfohlen. Zudem habe er die neuen Implantate als die Sichersten angepriesen. Tatsächlich sei das neue rechte Implantat gerissen, habe Gel ausgeschwitzt und sie beeinträchtigt. Der Beklagte trägt dagegen vor, dass sich die Klägerin 2003 größere Implantate gewünscht habe. Sein Gutachten habe lediglich die Kostenzusage des Haftpflicht­ver­si­cherers des Unfallgegners erwirken sollen.

Operation war medizinisch nicht notwendig und nur aus ästhetischer Indikation vereinbart

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Es könne kein Behand­lungs­fehler des Beklagten festgestellt werden, resümiert das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main. Nach Auswertung aller Unterlagen sei vielmehr davon auszugehen, dass die Parteien eine "medizinisch nicht notwendige Operation aus ästhetischer Indikation" heraus vereinbart hätten. Das von der Klägerin 2004 unterzeichnete Opera­ti­o­ns­ein­ver­ständnis beziehe sich ausdrücklich auf eine "kosmetische Operation". Der Beklagte habe handschriftlich die Operation als "Austausch der Brustimplantate gegen größere mit silikon­gel­ge­füllte Implantate bezeichnet". Im Rahmen ihrer Anhörung habe die Klägerin schließlich bekundet, dass ein zunächst eingeschalteter Chirurg die Behandlung abgelehnt habe, da er "keine Unfall­ge­schichten machen wolle. Für die Vereinbarung einer rein kosmetischen Operation spreche auch, dass die Klägerin erhebliche Zeit abgewartet habe, bis sie sich bei dem Beklagten vorstellt habe. Hätte sie tatsächlich Sorge gehabt, dass aus dem beschädigten Implantat Silikon austreten könnte, wäre ein schnelles Handeln zu erwarten gewesen.

Aufklä­rungs­pflichten nicht verletzt

Der Beklagte hafte auch nicht wegen der Verletzung seiner Aufklä­rungs­pflicht im Zusammenhang mit dem Einsetzen der neuen titan­be­schichteten Implantate. Über das Risiko, dass Implantate reißen können, so dass Silikon austrete und es zu lokalen Reaktionen kommen könne, sei bei einer Schönungs­ope­ration "schonungslos" aufzuklären. Diese Pflichten habe der Beklagte hier zwar nicht erfüllt. Es sei jedoch nicht festzustellen, dass sich durch den Eingriff ein aufklä­rungs­pflichtiges Risiko verwirklicht habe. Das rechte Implantat habe zwar 2012 einen Riss mit Silikonaustritt aufgewiesen. Dass es bereits vor der Explantation gerissen gewesen sei, habe der Sachverständige jedoch nicht sagen können. Der Riss könne auch erst unbeabsichtigt und unbemerkt beim Ausbau entstanden sein. Da nach den Angaben des Sachver­ständigen auch keine der beiden Hypothesen größere Wahrschein­lichkeit aufweise, sei nicht nachgewiesen, dass das Implantat vor dem Ausbau gerissen sei. Dass das intakte Implantat bei der erneuten Explantation beschädigt werden könne, sei kein Risiko der Implantation.

Allein mit dem Eingriff immanente Gefahren seien dem Schutzzweck der hier verletzten Aufklä­rungs­pflicht zuzurechnen.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main/ra-online

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