23.11.2024
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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Beschluss11.09.2018

OLG Frankfurt am Main erbittet Vorab­ent­scheidung des EuGH zur Einstands­pflicht von Haft­pflicht­versicherern im Zusammenhang mit mangelhaften PIP-Brust­im­plantatenVersi­che­rungs­schutz bei PIP-Brust­im­plantaten möglicherweise diskriminierend

Das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main bittet den EuGH um Klärung, ob das unions­rechtliche Verbot einer Diskriminierung aufgrund der Staats­an­ge­hö­rigkeit nicht nur die EU-Mitgliedstaaten und die Unionsorgane, sondern auch Private bindet. Sollten auch Private dem Diskri­mi­nierungs­verbot unterliegen, könne ein Haft­pflicht­versicherer seinen Deckungsschutz im Zusammenhang mit mangelhaften PIP-Brust­im­plantaten nicht wirksam auf Schadensfälle in Frankreich beschränken. Das Oberlan­des­gericht ist das erste Obergericht, welches im Zusammenhang mit der Frage der Einstands­pflicht des Haft­pflicht­versicherers der mangelhaften PIP-Brustimplantate den EuGH anruft. Andere deutsche Instanzgerichte haben entsprechende Klagen bislang - soweit ersichtlich - durchweg abgewiesen.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens nimmt die Beklagte auf Schmerzensgeld und Schadensersatz in Zusammenhang mit mangelhaften Brust­im­plantaten in Anspruch. Ihr waren im Jahr 2006 in Deutschland Brustimplantate eingesetzt worden. Diese Produkte der französischen Herstellerin PIP waren mit nicht zugelassenem Indus­trie­silikon gefüllt. Die Herstellerin ist bei der Beklagten haftpflicht­ver­sichert. In den Versi­che­rungs­be­din­gungen heißt es u.a., dass Versi­che­rungs­schutz geographisch "ausschließlich für Schadensfälle, die im metropolitanen Frankreich und in den französischen Überseegebieten eintreten" gewährt werde. Zudem bestehen für sogenannte Serienschäden Deckungs­höchst­summen pro Schadensfall und pro Versi­che­rungsjahr.

LG weist Klage auf Schmerzensgeld und Schadensersatz ab

Das Deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte empfiehlt seit 2012 die komplette Entfernung dieser Implantate. Die Klägerin ließ ihre Implantate entsprechend austauschen. Das Landgericht wies ihre Klage auf Schmerzensgeld und Schadensersatz ab. Mit der Berufung verfolgt die Klägerin diese Ansprüche weiter.

OLG erbittet Vorab­ent­scheidung des EuGH

Das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main beschloss, vor der Entscheidung über die Berufung den EuGH anzurufen. Es fragt den EuGH, ob das Diskriminierungsverbot in Art. 18 Abs. 1 AEUV nicht nur die EU-Mitgliedstaaten und die Unionsorgane, sondern auch Private - wie hier die Beklagte - verpflichte.

Unmittelbare oder mittelbare Diskri­mi­nie­rungen aufgrund der Staats­an­ge­hö­rigkeit unzulässig

Das Oberlan­des­gericht geht dabei davon aus, dass auf den Rechtsstreit französisches Recht anwendbar sei, da die Herstellerin in Frankreich gehandelt habe. Fraglich sei, ob die hier einbezogenen Vertrags­be­din­gungen hinsichtlich der Beschränkung des Deckungs­schutzes auf Schadensfälle im Frankreich mit dem europa­recht­lichen Diskri­mi­nie­rungs­verbot des Art. 18 Abs. 1 AEUV vereinbar sei. Unmittelbare oder mittelbare Diskri­mi­nie­rungen aufgrund der Staats­an­ge­hö­rigkeit seien nach Art. 18 Abs. 1 AEUV verboten. Es liege auf der Hand, dass die geschilderte Beschränkung des Deckungs­schutzes auf Schadensfälle, die im metropolitanen Frankreich und in den französischen Überseegebieten eintreten, eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staats­an­ge­hö­rigkeit darstelle, weil davon typischerweise nicht­fran­zö­sische Patientinnen betroffen sein, so das Oberlan­des­gericht.

Einhaltung des Diskri­mi­nie­rungs­verbots für private Personen naheliegend

Ungeklärt sei jedoch, ob das Diskri­mi­nie­rungs­verbot nicht nur von den EU-Mitgliedstaaten und den Unionsorgane, sondern auch von Privaten wie der Beklagten zu beachten sei. Der EuGH habe dies bislang nicht entschieden. Die bisherigen Urteile des EuGH legten es aus Sicht des Oberlan­des­ge­richts aber nahe, dass auch private Personen das Diskri­mi­nie­rungs­verbot einzuhalten haben. Sollte es sich um eine unzulässige mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staats­an­ge­hö­rigkeit handeln, bestünden aus Sicht des Oberlan­des­ge­richts auch keine Recht­fer­ti­gungs­gründe für dieses Verhalten. Entgegen der in der Rechtsprechung teilweise vertretenen Ansicht könne sich die Beklagte nicht darauf berufen, mit der geographischen Einschränkung den Umfang ihrer Einstands­pflicht und damit ihr wirtschaft­liches Risiko in verständlicher Weise zu begrenzen. Diese Argumentation sei bereits deshalb nicht stichhaltig, da die Beklagte ihr wirtschaft­liches Risiko durch Deckungs­höchst­summen für den Einzelfall und pro Jahr klar eingegrenzt habe.

Erläuterungen:

Artikel 18 AEUV [Diskri­mi­nie­rungs­verbot]

Erläuterungen

Unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge ist in ihrem Anwen­dungs­bereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staats­an­ge­hö­rigkeit verboten.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main/ra-online

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