21.11.2024
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Dokument-Nr. 31716

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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil29.04.2022

D&O-Versicherung für ehemaligen Vorstands­vorsitzenden der Wirecard AG umfasst vorläufige Deckung für PR-KostenAnspruch der Höhe auf Gewährung von PR-Kosten allerdings beschränkt

Die D&O-Versicherung des ehemaligen Vorstands­vorsitzenden der Wirecard AG umfasst bei kritischer Medien­bericht­erstattung und auf Grund dessen drohendem karriere­beein­träch­ti­gendem Reputa­ti­o­ns­schaden auch vorläufigen Deckungsschutz für Public-Relations-Kosten. Dies gilt insbesondere auch für eine kritische Berich­t­er­stattung über das strafrechtliche Ermittlungs­verfahren. Der Höhe nach ist der Anspruch aber auf 100.000,- Euro begrenzt. Das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute veröf­fent­lichtem Urteil an seiner in einem vorangegangenen einstweiligen Verfü­gungs­ver­fahren vertretenen Auffassung festgehalten.

Der Kläger ist ehemaliger Vorstands­vor­sit­zender der Wirecard AG (i.F.: Wirecard). Er nimmt die Beklagte auf Deckung von Public-Relations-Kosten (i.F. PR-Kosten) aus einer D&O-Versicherung (Vermö­gens­schaden-Haftpflicht­ver­si­cherung) in Anspruch, welche die Wirecard bei der Beklagten für ihre Organmitglieder und Leitende Angestellte abgeschlossen hatte. Gegen den Kläger wird ein Ermitt­lungs­ver­fahren bei der Staats­an­walt­schaft München I u.a. wegen des Verdachts des bandenmäßigen Betrugs, der Bilanzfälschung, Markt­ma­ni­pu­lation und Verstößen gegen das WpHG geführt. Er befindet sich seit Sommer 2020 in Unter­su­chungshaft und weist die erhobenen Vorwürfe zurück. Inzwischen ist Anklage gegen ihn erhoben. Die im Ermitt­lungs­ver­fahren erhobenen Vorwürfe sind Gegenstand zahlreicher kritischer Medienberichte. Der Kläger beauftragte eine auf Presserecht spezialisierte Kanzlei sowie eine Presseagentur. Die insoweit anfallenden Kosten verlangt er von der beklagten Versicherung ersetzt. Die Beklagte lehnte die Deckung u.a. mit der Begründung ab, dass PR-Kosten nur in Bezug auf eine Berichterstattung über die zivilrechtliche Inanspruchnahme des Klägers, nicht aber in Bezug auf das strafrechtliche Ermitt­lungs­ver­fahren zu ersetzen seien.

Berufung teilweise erfolgreich

Das Landgericht hat die (u.a.) auf Gewährung vorläufiger Deckung für PR-Kosten gerichtete Feststel­lungsklage durch Urteil vom 20.7.2021 abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte vor dem OLG teilweise Erfolg. Der Kläger habe Anspruch auf vorläufige Abwehrkosten, wie bereits mit Urteil vom 7.7.2021 (Az. 7 U 19/21) entschieden. Diese umfassten auch den Ersatz von PR-Kosten, soweit der versicherten Person durch kritische Medien­be­rich­t­er­stattung über einen versicherten Haftpflicht-Versi­che­rungsfall ein karrie­re­be­ein­träch­ti­gender Reputa­ti­o­ns­schaden drohe. Es komme nicht darauf an, ob die Berich­t­er­stattung sich mit dem Versi­che­rungsfall einer konkreten zivil­recht­lichen Inanspruchnahme (Haftpflicht-Versi­che­rungsfall) befasse oder sich auf den durch das Ermitt­lungs­ver­fahren ausgelösten Versi­che­rungsfall (Verfah­rens­rechts­schutz-Versi­che­rungsfall) beziehe. Bei verständiger Auslegung der Versi­che­rungs­be­din­gungen solle gerade Schutz vor existenzieller Beschädigung des Ansehens im Zusammenhang mit straf­recht­lichen Vorwürfen gewährt werden.

PR-Kosten in Hinblick auf eine kritische Berich­t­er­stattung erfasst

Soweit die Berich­t­er­stattung nicht ohnehin im Rahmen zulässiger Verdachts­be­rich­t­er­stattung hinzunehmen sei und durch die Einschaltung einer PR-Agentur oder durch gerichtliche Maßnahmen abgewendet oder gemindert werden könne, werde dem Versicherten ausdrücklich umfassender Reputa­ti­o­ns­schutz zugesagt. Dies umfasse nach den berechtigten Erwartungen des Versicherten insbesondere den Ersatz von PR-Kosten in Hinblick auf eine kritische Berich­t­er­stattung über das strafrechtliche Ermitt­lungs­ver­fahren, das im Mittelpunkt des medialen Interesses stehe. Anderenfalls liefe der Versicherungsschutz leer.

Begrenzung der Höhe nach auf 100.000 Euro

Der Höhe nach sei der Anspruch auf Gewährung von PR-Kosten allerdings auf 100.000,- Euro pro versicherter Person und Versi­che­rungs­periode begrenzt. Das zur Verfügung stehende Grundsublimit von 500.000,- Euro werde je versicherter Person und je Versi­che­rungsfall auf 100.000,- Euro limitiert, um einer vorschnellen Erschöpfung der Versi­che­rungssumme entgegen zu wirken und eine möglichst gerechte Aufteilung im Kreise der Versicherten sicherzustellen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil kann Nicht­zu­las­sungs­be­schwerde beim BGH eingelegt werden.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main, ra-online (pm/cc)

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