18.10.2024
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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil02.11.2017

Apotheker darf keine Gutscheine für Brötchen beim Verkauf von preisgebundenen Arzneimitteln vergebenGutscheinabgabe verstößt gegen Arznei­mit­tel­preis­bindung

Die Abgabe von Brötchen­gut­scheinen in Verbindung mit dem Verkauf von preisgebundenen Arzneimitteln ist zu unterlassen. Dies hat das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main entschieden.

Die Klägerin im vorliegenden Fall ist ein gewerblicher Inter­es­sen­verband. Die Beklagte betreibt eine Apotheke. Sie gab ihren Kunden beim Erwerb rezept­pflichtiger, preisgebundener Arzneimittel ungefragt einen "Brötchen-Gutschein" über "2 Wasserweck oder 1 Ofenkrusti" mit. Der Gutschein konnte bei einer in der Nähe liegenden Bäckerei eingelöst werden.

LG untersagt Abgabe von Brötchen­gut­scheinen

Die Klägerin wertet die Gutscheinabgabe als Verstoß gegen die Arznei­mit­tel­preis­bindung. Das Landgericht hatte die Beklagte daraufhin verpflichtet, die Abgabe von Brötchen­gut­scheinen im Zusammenhang mit dem Verkauf rezept­pflichtiger, preisgebundener Arzneimittel zu unterlassen.

Auch geringwertige Zuwendungen können wirtschaft­lichen Vorteil bedeuten

Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das OLG zurückgewiesen. Grundsätzlich gelte für verschrei­bungs­pflichtige Arzneimittel ein einheitlicher Apothe­ke­n­ab­ga­bepreis. Sinn dieser Vorschrift sei es, den Preiswettbewerb unter den Apotheken zu regeln. Hiergegen verstoße ein Apotheker, der preisgebundene Arzneimittel zwar zum korrekten Preis, aber gekoppelt mit einem weiteren wirtschaft­lichen Vorteil - etwa in Form eines Gutscheins - abgebe. Nach der "Lebenserfahrung können - gerade wenn der Abgabepreis in allen Apotheken identisch ist - auch Zuwendungen von geringem Wert den Kunden veranlassen, bei nächster Gelegenheit ein preisgebundenes Arzneimittel in der Hoffnung auf weitere Vergünstigungen wieder in der gleichen Apotheke zu erwerben", so das OLG.

EuGH-Entscheidung greift vorliegend nicht

Auf die Entscheidung des EuGH zur Unvereinbarkeit der deutschen Arznei­mit­tel­preis­bindung mit dem Unionsrecht (Urteil vom 19.10.2016 – C-148/15 – DocMorris) komme es hier nicht an. Die Beklagte betreibe eine stationäre Apotheke, so dass die Waren­ver­kehrs­freiheit nicht betroffen sei.

Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung der Apotheker durch Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt

Die Arznei­mit­tel­preis­bindung sei schließlich gegenwärtig auch verfas­sungs­rechtlich unbedenklich. Sie beinhalte zwar einen Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung der Apotheker. Diese Beschränkung sei jedoch durch "hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt". Apotheken sollen sich "in unattraktiven Lagen (...) keinen ruinösen Preiskampf liefern". Zudem solle "im öffentlichen Interesse die gebotene flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sichergestellt werden". Schließlich diene die Preisbindung dazu, das finanzielle Gleichgewicht im System der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung abzusichern.

OLG: Regelung in Zukunft verfas­sungs­rechtlich fragwürdig aufgrund steigendem Marktanteil an ausländischen Versand­han­del­s­a­po­theken

Das OLG weist jedoch auch darauf hin, dass die Regelungen zur Arznei­mit­tel­preis­bindung unter dem Gesichtspunkt der so genannten Inlän­der­dis­kri­mi­nierung verfas­sungs­rechtlich zukünftig fragwürdig werden könnten. Nach der Rechtsprechung des EuGH können ausländische Versand­han­del­s­a­po­theken seit gut einem Jahr rezept­pflichtige Arzneimittel im Inland ohne Rücksicht auf die deutsche Preisbindung verkaufen. Sollte ihr Marktanteil sich zukünftig so erhöhen, dass inländische Präsen­za­po­theken dadurch ernsthaft in ihrer Existenz bedroht würden, könnten die Vorschriften zur Arznei­mit­tel­preis­bindung nach Einschätzung des OLG bedenklich werden. Hierfür lägen jedoch derzeit angesichts eines Umsatzanteils der ausländischen Versan­d­a­po­theken an rezept­pflichtigen Arzneimitteln von etwa ,6 % keine Anhaltspunkte vor.

Erläuterungen
Erläuterungen:

§ 78 [1] AMG Preise

(1) 1) Das Bundes­mi­nis­terium für Wirtschaft und Energie wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundes­mi­nis­terium und, soweit es sich um Arzneimittel handelt, die zur Anwendung bei Tieren bestimmt sind, im Einvernehmen mit dem Bundes­mi­nis­terium für Ernährung und Landwirtschaft durch Rechts­ver­ordnung mit Zustimmung des Bundesrates

- 1. Preisspannen für Arzneimittel, die im Großhandel, in Apotheken oder von Tierärzten im Wiederverkauf abgegeben werden,

- 2. Preise für Arzneimittel, die in Apotheken oder von Tierärzten hergestellt und abgegeben werden, sowie für Abgabegefäße,

(...)

(2) 1) Die Preise und Preisspannen müssen den berechtigten Interessen der Arznei­mit­tel­ver­braucher, der Tierärzte, der Apotheken und des Großhandels Rechnung tragen; zu den berechtigten Interessen der Arznei­mit­tel­ver­braucher gehört auch die Sicherstellung der Versorgung. ²) Ein einheitlicher Apothe­ke­n­ab­ga­bepreis für Arzneimittel, die vom Verkehr außerhalb der Apotheken ausgeschlossen sind, ist zu gewährleisten. ³) Satz 2 gilt nicht für nicht verschrei­bungs­pflichtige Arzneimittel, die nicht zu Lasten der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung abgegeben werden.

(3) 1) Für Arzneimittel nach Absatz 2 Satz 2, für die durch die Verordnung nach Absatz 1 Preise und Preisspannen bestimmt sind, haben die pharma­zeu­tischen Unternehmer einen einheitlichen Abgabepreis sicherzustellen; (...)

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main/ ra-online

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