21.11.2024
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Sie sehen einen Vertrag, der gerade unterzeichnet wird und davor die ilhouetten von zwei Personen.

Dokument-Nr. 30863

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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil14.09.2021

Nach Übergabe festgestellte Vernarbungen im Maulwinkel eines Pferdes berechtigen allein nicht zur Rückabwicklung des KaufvertragesProbleme mit Anlehnung des Pferdes allein stellen keinen Mangel dar

Vernarbungen im Bereich der Maulwinkel sprechen für sich allein nicht für eine chronische Erkrankung. Der Befund kann vielmehr jederzeit aufgrund reiterlicher Einwirkung eintreten und lässt damit keinen Rückschluss auf eine Erkrankung bei Gefahrübergang zu. Das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit Entscheidung einen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages über ein Turnierpferd verneint.

Der Beklagte betreibt einen Zucht- und Ausbil­dungsstall für Reitpferde. Dort kaufte die Klägerin im Januar 2015 einen Hengst für 65.000 €. Sie hatte das ärztlich untersuchte Pferd zuvor besichtigt und reiterlich erprobt. Im April 2015 konsultierte die Klägerin eine Tierärztin wegen Problemen mit der so genannten Anlehnung des Hengstes beim Beritt. Diese diagnostizierte einen offenen rechten Maulwinkel sowie ein Überbein der linken Lade. Zwei Jahre später brachte die Klägerin das Pferd dem Beklagten in Kommission zurück. Im Oktober 2017 trat sie vom Kaufvertrag zurück. Die Klägerin behauptet, das Pferd habe bereits bei Übergabe ein Überbein der Lade sowie Vernarbungen in der Mundhöhle gehabt. Diese Vorerkrankungen seien der Grund für die Probleme bei der Anlehnung. Das Landgericht hat die auf Rückabwicklung des Kaufvertrages und Schadensersatz gerichtete Klage abgewiesen.

OLG: Keine Beschaf­fen­heits­ver­ein­barung

Die hiergegen gerichtete Berufung hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Das Pferd sei zum Zeitpunkt der Übergabe nicht mangelhaft gewesen, bestätigte das OLG. Die Parteien hätten keine besondere Beschaf­fen­heits­ver­ein­barung etwa hinsichtlich der „Rittigkeit“ oder der Geeignetheit für eine bestimmte Turnierklasse vereinbart. Schriftlich läge keine entsprechende Vereinbarung vor. Allein aus dem Umstand, dass der Beklagte das Pferd mit sportlichen Perspektiven angepriesen habe, lasse sich nicht ableiten, dass er die Gewähr dafür übernehmen wollte, dass sich diese Perspektiven realisieren. Es liegt in der Natur der Sache, dass Entwick­lungs­pro­gnosen beim lebendigen Tier unsicher und letztlich spekulativ sind und der Verkäufer ohne ausdrückliche Absprache hierfür keine Gewähr übernimmt“, begründete das OLG.

Bloße Wider­setz­lich­keiten ("Rittig­keits­mängel“) stellen keine Abweichung von Sollbe­schaf­fenheit dar

Es sei auch nicht feststellbar, dass sich das Pferd bei Gefahrübergang für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung nicht geeignet habe. Das Pferd sei ein Dressurpferd gewesen und sollte bei Turnieren zum Einsatz kommen. Weitergehende Absprachen seien nicht getroffen worden. Der Verkäufer habe deshalb - lediglich - dafür einzustehen, dass es bei Gefahrübergang nicht krank sei bzw. mit hoher Wahrschein­lichkeit zukünftig erkranke. Unter einem krankhaften Zustand sei eine „klinische Erscheinung“ zu verstehen. Nicht zur üblichen Beschaffenheit eines Tieres gehöre dagegen, „dass es in jeder Hinsicht einer biologischen oder physiologischen „Idealnorm“ entspricht“, führte das OLG aus. Tiere unterlägen als Lebewesen einer ständigen Entwicklung und seien mit individuellen Anlagen ausgestattet. „Bloße Wider­setz­lich­keiten („Rittig­keits­mängel“) stellen daher regelmäßig keine Abweichung von der Sollbe­schaf­fenheit dar“, vertieft das OLG. Das Pferd sei hier weder krank noch aus anderen Gründen als Reit- und Dressurpferd schlechthin ungeeignet gewesen. Probleme mit der Anlehnung des Pferdes allein stellten keinen Mangel dar, da sie auch auf natürlichen Ursachen beruhen könnten.

Spätere Befunde nicht bei Gefahrübergang vorhanden

Die später festgestellten Befunde in Form offener Mundwinkel, knöcherner Veränderungen an der linken Lade und einer Hautläsion im Bereich des Unterkiefers könnten zwar als Mange­l­er­schei­nungen angesehen werden. Nach den Ausführungen des Sachver­ständigen sei jedoch davon auszugehen, dass diese Umstände noch nicht zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorhanden gewesen seien. Das Tier sei am Tag der Übergabe untersucht worden, ohne dass die nunmehrigen Befunde festgestellt wurden. Zudem habe die Klägerin selbst noch mehr als zwei Jahre nach Vertragsschluss dem Beklagten gegenüber mitgeteilt, dass sich das Pferd in Topform befinde.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main, ra-online (pm/ab)

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