18.10.2024
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Dokument-Nr. 26950

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Urteil18.12.2018Oberlandesgericht Frankfurt am Main4 U 86/18
Vorinstanz:
  • Landgericht Frankfurt am Main, Urteil28.05.2018, 2/18 O 373/17
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil18.12.2018

Gewerkschafts­mit­glied muss auch ohne Listen­kan­didatur einen Teil der Aufsichts­rats­tantieme an Gewerkschafts­stiftung abführenAbfüh­rungs­pflicht stellt keine Gegenleistung für Unterstützung bei der Wahl dar

Das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main hat entschieden, dass Gewerkschafts­mit­glieder der IG Metall auch dann verpflichtet sind, einen Teil ihrer eingenommenen Aufsichts­rats­tantiemen satzungsgemäß an die gewerk­schafts­eigene Hans-Böckler-Stiftung abzuführen, wenn sie nicht über eine Liste der Gewerkschaft gewählt oder von dieser bei der Kandidatur unterstützt wurden.

Der Beklagte des zugrunde liegenden Verfahrens war Mitglied der klagenden Gewerkschaft IG Metall. Nach § 3 der Gewerk­schafts­satzung müssen Gewerkschaftsmitglieder, die Funktionen in einem übergeordneten Überwachungs- und Entschei­dungs­gremium (z.B. als Aufsichts­rats­mitglied) wahrnehmen, einen Teil der dafür erhaltenen Vergütung an die gewerk­schafts­eigene Hans-Böckler-Stiftung abführen. Die Regelung setzt einen Beschluss über die Abfüh­rungs­re­ge­lungen des Bundes­aus­schusses des DGB um. Der Beklagte war drei Jahre Mitglied im Aufsichtsrat einer GmbH. Für dieses Amt hatte er nicht auf der von der IG Metall aufgestellten Liste kandidiert, sondern eigenständig.

Beklagte hält Pflicht zur anteiligen Abführung der Aufsichts­rats­ver­gütung für ungerecht­fertigt

Die IG Metall nahm den Beklagten nun auf Abführung eines Teils der erhaltenen Aufsichts­rats­ver­gütung in Anspruch. Der Beklagte war dagegen der Auffassung, dass er bereits deshalb nicht verpflichtet sei, einen Teil der Einkünfte abzuführen, weil er nicht über eine Liste der Klägerin in den Aufsichtsrat gewählt worden sei. Außerdem hätten die auf der Liste der Gewerkschaft kandidierenden Mitglieder versucht, seine Kandidatur zu verhindern und sich ihm gegenüber rassistisch und beleidigend geäußert.

Unangemessenes Verhalten einzelner Gewerk­schafts­mit­glieder kann nicht IG Metall zugerechnet werden

Das Landgericht Frankfurt am Main gab der Klage statt. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte vor dem Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main keinen Erfolg. § 3 der Gewerk­schafts­satzung enthalte eine wirksame Verpflichtung der Mitglieder, einen Teil der erlangten Aufsichts­rat­stan­tiemen an die gewerk­schafts­eigene Stiftung abzuführen. Die Bestimmung setze entsprechende Beschlüsse des DGB um, zu welchem auch die IG Metall gehöre. Das vom Beklagten geschilderte unangemessene Verhalten einzelner Gewerk­schafts­mit­glieder ihm gegenüber könne der IG Metall nicht in der Weise zugerechnet werden, dass ihre satzungsgemäßen Ansprüche verwirkt seien. Die Vorkommnisse im Vorfeld der Aufsichts­rats­wahlen widersprächen dem Willen des Gewerk­schafts­vor­stands und der Satzung. Das Fehlverhalten einzelner Mitglieder rechtfertige es nicht, dass der Beklagte im Gegenzug ebenfalls nicht die Verpflichtungen der Satzung einhalten müsse. Der Beklagte könne sich vielmehr mit den satzungsgemäßen Mitteln oder unter Zuhilfenahme staatlichen Rechtsschutzes gegen das Fehlverhalten einzelner Mitglieder zur Wehr setzen.

Bewerbung für Aufsichts­rats­kan­didatur darf nicht nur aufgrund dort gezahlter Vergütung erfolgen

Das Oberlan­des­gericht betonte, dass es aus Gründen der Gleich­be­handlung vielmehr geboten sei, dass sämtliche Mitglieder der Klägerin mit einem entsprechenden Mandat verpflichtet sein, die in der Richtlinie geregelten Anteile ihrer Bezüge an die Hans-Böckler-Stiftung abzuführen, unabhängig davon, ob ihre jeweilige Kandidatur von der Klägerin unterstützt wurde oder nicht. Mit der Regelung sollten "generelle Fehlanreize" für eine Kandidatur verhindert werden, da sich andernfalls Gewerk­schafts­mit­glieder deutlich besser stellen würden, wenn sie sich nicht auf Gewerk­schafts­listen setzen oder in sonstiger Weise unterstützen lassen würden. Die Abfüh­rungs­pflicht stelle keine Gegenleistung für die Unterstützung bei der Wahl dar. Es gehe vielmehr darum, einerseits zu verhindern, dass sich Kandidaten für den Aufsichtsrat wegen der dort gezahlten Vergütung bewerben und andererseits die Mitbestimmung durch die Unterstützung der Hans-Böckler-Stiftung zu fördern, so das Oberlan­des­gericht.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main/ra-online

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