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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Beschluss20.06.2018

Vater­schafts­anfechtung nach Embryonenspende möglichFrüher erteilte Zustimmungen entfalten keine Wirksamkeit für späteren erfolgreichen Befruch­tungs­versuch nach Trennung der Eheleute

Das Oberlan­des­gericht am Main hat bekräftigt, dass die Anfechtung der Vaterschaft für ein im Wege der - in Deutschland unzulässigen - Embryonenspende gezeugtes Kind möglich ist, wenn der Anfechtende nicht in den konkreten Befruch­tungs­vorgang eingewilligt hat und die eheliche Lebens­ge­mein­schaft bereits zuvor gescheitert war.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Antragsteller und die Mutter eines im Sommer 2013 geborenen Kindes waren seit 2002 verheiratet. Sie trennten sich im Sommer 2011 und sind seit Sommer 2014 geschieden. Das Kind wurde durch künstliche Befruchtung gezeugt. Samen und Eizelle stammten von dritten Personen ab. Der Embryo wurde der Kindesmutter in Tschechien eingepflanzt. Sie trug das Kind aus und hat es auch geboren.

Kind galt wegen weiter bestehenden Ehe rechtlich als Kind des Ehemannes

Die geschiedenen Eheleute hatten sich bereits im Jahr 2008 in Deutschland zu einer künstlichen heterologen Insemination entschlossen, die jedoch keinen Erfolg hatte. Seinerzeit hatte der Ehemann in notarieller Form der repro­duk­ti­o­ns­me­di­zi­nischen Behandlung seiner Ehefrau zugestimmt. Kurz vor der Trennung der Eheleute im Jahr 2011 unterzeichneten beide einen Antrag auf künstliche Befruchtung mittels einer Embryonenspende in Tschechien. Der darauf folgende Befruch­tungs­versuch war nicht erfolgreich. Der tschechischen Klinik wurden nachfolgend 2012 zwei weitere Antrags­for­mulare übersandt, die Unterschriften des Antragsteller und der Kindesmutter zeigten. Ein daraufhin vorgenommener Embry­o­nen­transfer führte zur Geburt des Kindes, das wegen der weiter bestehenden Ehe rechtlich als Kind des Ehemannes galt. Dieser hat die Vaterschaft mit der Begründung angefochten, nicht leiblicher Vater zu sein und die Anträge aus dem Jahr 2012 nicht unterzeichnet zu haben.

OLG: Nicht leiblicher Vater kann rechtliche Vaterschaft wirksam anfechten

Das Amtsgericht gab dem Antrag des Antragstellers statt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Kindesmutter hatte vor dem Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main keinen Erfolg. Das Oberlan­des­gericht bekräftigte, dass er als nicht leiblicher Vater die rechtliche Vaterschaft wirksam anfechten konnte, weil er nicht wirksam in die Zeugung des Kindes mittels einer Embryonenspende eingewilligt habe.

Anfech­tungs­sperre soll grundsätzlich Wohl des betroffenen Kindes sichern

Die Vater­schafts­an­fechtung sei hier nicht gesetzlich ausgeschlossen. Gemäß § 1600 Abs. 4 BGB könne zwar eine Anfechtung durch den Vater nicht erfolgen, wenn er in die Zeugung durch künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten eingewilligt habe. Die Anfech­tungs­sperre sichere das Wohl des betroffenen Kindes, indem sie Wunscheltern die Möglichkeit nehme, die aus der bewussten Einwilligung in eine heterologen Insemination resultierenden Rechtspflichten durch nachträgliche Anfechtung wieder zu beseitigen. Dem Anfech­tungs­verbot nach § 1600 Abs. 4 BGB stehe daher nicht entgegen, dass die hier vorgenommene Embry­o­nen­trans­fer­be­handlung in Deutschland unzulässig sei. Nach dem Willen des Gesetzgebers bedürften vielmehr alle auf künstlichen Weg gezeugten Kinder in rechtlicher und sozialer Hinsicht des Schutzes, unabhängig davon, ob die Art und Weise der ärztlich assistierten Zeugung gegen deutsche Gesetze verstoße.

Einwilligung des Antragstellers zu konkreter, zur Geburt des Kindes führender Embry­o­nen­über­tragung lag nicht vor

Tatsächlich liege hier jedoch keine fortdauernde Einwilligung des Antragstellers zu der konkreten, zur Geburt des Kindes führenden Embry­o­nen­über­tragung vor: Die Mutter habe nicht nachweisen können, dass der Antragsteller den Antrag für den dritten Befruch­tungs­versuch eigenhändig unterzeichnet habe. Die eingeholten graphologischen und dakty­lo­sko­pischen Gutachten belegten dies nicht. Die früher erteilten Zustimmungen des Antragstellers entfalteten keine Wirksamkeit für den späteren erfolgreichen Befruch­tungs­versuch. So habe sich die Einwilligung aus dem Jahr 2008 allein auf eine heterologe Insemination bezogen, nicht jedoch auf die in Deutschland strafbewehrte Methode der Fremdem­bry­o­nen­spende. Die zu Beginn des Jahres 2011 erteilte Einwilligung zur Embryonenspende erstrecke sich nicht auf die nachfolgenden Befruch­tungs­versuche. Dies ergebe sich bereits aus der Notwendigkeit aktueller unterzeichneter Anträge für jede erneute Behandlung. Maßgeblich sei, dass mit der Einwilligung in die künstliche Befruchtung die Übernahme der Verantwortung für das Kind verbunden sei. Diese Verant­wor­tungs­übernahme gründe auf der ehelichen Lebens­ge­mein­schaft. Zum Zeitpunkt der erfolgreichen Befruchtung seien der Antragsteller und die Kindesmutter jedoch seit über einem Jahr getrennt gewesen. Die tatsächliche Grundlage für eine gemeinsame Elternschaft sei damit entfallen.

Ausdrücklicher Widerruf der Einwilligung nicht erforderlich

Die Mutter habe angesichts der Beendigung der ehelichen Gemeinschaft nicht erwarten können, dass der Antragsteller weiterhin mit ihr gemeinsame elterliche Verantwortung für ein Kind tragen wollte. Daher habe es keines ausdrücklichen Widerrufs der Einwilligung des Antragstellers gegenüber der Kindesmutter bedurft.

Erläuterungen:

§ 1600 [1] BGB Anfech­tungs­be­rechtigte

(1) Berechtigt, die Vaterschaft anzufechten, sind:

1. der Mann, dessen Vaterschaft nach § 1592 Nr. 1 und 2, § 1593 besteht,

2. [2] der Mann, der an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben,

3. die Mutter und

4. das Kind.

(2) Die Anfechtung nach Absatz 1 Nr. 2 setzt voraus, dass zwischen dem Kind und seinem Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 keine sozialfamiliäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt seines Todes bestanden hat und dass der Anfechtende leiblicher Vater des Kindes ist.

(3) 1 Eine sozialfamiliäre Beziehung nach Absatz 2 besteht, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Kind tatsachliche Verantwortung tragt oder getragen hat. 2 Eine Übernahme tatsachlicher Verantwortung liegt in der Regel vor, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat.

(4) Ist das Kind mit Einwilligung des Mannes und der Mutter durch künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten gezeugt worden, so ist die Anfechtung der Vaterschaft durch den Mann oder die Mutter ausgeschlossen.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main/ra-online

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