18.10.2024
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Dokument-Nr. 32660

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Urteil01.02.2023Oberlandesgericht Frankfurt am Main17 U 30/22
Vorinstanz:
  • Landgericht Gießen, Urteil20.01.2022, 5 O 20/21
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil01.02.2023

Keine fristlose Kündigung wegen Statuswechsel einer Hebamme von freiberuflicher Tätigkeit zu einem versicherungs­pflichtigen Beschäftigungs­verhältnisKündigung ist unwirksam

Die Deutsche Renten­ver­si­cherung ordnete einen Begleit­hebammen­vertrag, der die freiberufliche Tätigkeit einer Hebamme in einem Krankenhaus vorsah, als versicherungs­pflichtiges Beschäftigungs­verhältnis ein. Eine mit diesem - noch nicht bestandskräftig festgestellten - Statuswechsel begründete außer­or­dentliche Kündigung einer anderen Hebamme ist unwirksam, entschied das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main (OLG) mit heute veröf­fent­lichter Entscheidung. Den geltend gemachten entgangenen Gewinn sprach es jedoch mangels hinreichender Darlegungen nicht zu.

Die Klägerin ist Hebamme. Die Beklagte betreibt ein Krankenhaus. Die Parteien schlossen einen so genannten Begleit­he­b­am­men­vertrag. Demnach erbrachte die Klägerin ihre Leistungen im Rahmen der Geburtshilfe freiberuflich und berechnete sie unmittelbar gegenüber der Patientin. Die Deutsche Renten­ver­si­cherung stufte in einem Clearing­ver­fahren gegenüber einer anderen bei der Beklagten tätigen Hebamme deren Vertrags­ver­hältnis als versi­che­rungs­pflichtiges Beschäf­ti­gungs­ver­hältnis ein. Daraufhin kündigte die Beklagte den Begleit­he­b­am­men­vertrag mit der Klägerin außerordentlich aus wichtigem Grund. Sie verwies darauf, dass Koope­ra­ti­o­ns­grundlage der freiberufliche Status der Klägerin gewesen sei. Dieser sei nunmehr weggefallen. Die Klägerin hält die Kündigung für unwirksam und begehrt entgangenen Gewinn in Höhe von rund 26.000 €. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

OLG hält Kündigung für unwirksam

Die hiergegen gerichtete Berufung hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Die außer­or­dentliche Kündigung sei zwar unwirksam, bestätigte das OLG die Entscheidung des Landgerichts. Es sei der Beklagten bei Ausspruch der Kündigung jedenfalls nicht unzumutbar gewesen, das Vertrags­ver­hältnis (zunächst) fortzusetzen. Der Bescheid der Renten­ver­si­cherung sei zum Zeitpunkt des Kündi­gungs­aus­spruchs infolge Widerspruchs der betroffenen Hebamme noch nicht bestandskräftig gewesen. Das Risiko, im Falle der Feststellung einer Versi­che­rungs­pflicht der Klägerin für einen längeren Zeitraum rückwirkend Beitrags­zah­lungen leisten zu müssen, habe die Beklagte zudem selbst verursacht. Sie hätte unmittelbar bei Vertragsschluss mit der Klägerin ein Status­fest­stel­lungs­ver­fahren durchführen lassen können.

Kein Schadensersatz - entgangenen Gewinn nicht schlüssig dargelegt

Der Klägerin stehe aber kein Schadensersatz zu, da sie ihren entgangenen Gewinn nicht schlüssig dargelegt habe. Es sei Aufgabe des selbstständig Tätigen, konkrete Anknüp­fungs­punkte zur Schätzung darzulegen und nachzuweisen. Die Klägerin habe zwar Verträge mit Schwangeren vorgelegt, die sie infolge der Kündigung nicht mehr habe erfüllen können. Es fehlten aber Darlegungen, was die Klägerin „aufgrund der durch Wegfall der Begleitgeburten freigewordenen Betreu­ungs­ka­pa­zitäten anderweitig erworben hat oder zu erwerben unterlassen hat“. Soweit die Klägerin auf Reduzierungen infolge von Corona hingewiesen habe, hätte sie konkret darlegen müssen, in welchem Umfang Hebam­men­leis­tungen pandemiebedingt nicht erbracht werden konnten und ihr anderweitiger Erwerb nicht möglich war. Daran fehle es. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nicht­zu­las­sungs­be­schwerde kann die Klägerin die Zulassung der Revision beim BGH begehren.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main, ra-online (pm/ab)

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