21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen einen Schreibtisch mit einem Tablet, einer Kaffeetasse und einem Urteil.

Dokument-Nr. 33977

Drucken
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil08.05.2024

Verdachts­bericht­erstattung nur bei vorheriger Konfrontation des Betroffenen zulässigGenerelle Konfrontation mit Verdacht reicht nicht aus

Vor einer Verdachts­bericht­erstattung ist der Betroffene mit dem wesentlichen Kern der Vorwürfe, Anknüpfungs­tatsachen und Argumente zu konfrontieren. Wird der Verdacht wesentlich auf ein vermeintliches Indiz gestützt, erstreckt sich die Anhörungs­obliegenheit auch hierauf. Andernfalls kann nicht ausgeschlossen werden, dass die konkrete Berich­t­er­stattung in einem für den Leser wichtigen Punkt bei erfolgter Anhörung anders ausgefallen wäre. Das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main (OLG) hat auf Antrag eines Profi-Fußballers die Behauptung und Verbreitung mehrerer Angaben über sein Alter und seine Herkunft untersagt.

Der Kläger ist Profi-Fußballer und wurde in die deutsche Fußba­ll­na­ti­o­nal­mann­schaft berufen. Er wendet sich gegen Aussagen in einem Artikel in einem Nachrich­ten­magazin der Beklagten. Das Landgericht hatte dem Eilantrag nur zu einem geringen Teil stattgegeben und ihn im Übrigen abgewiesen.

Verdacht­s­äu­ße­rungen stellen Eingriff in Persön­lich­keitsrecht dar

Die Berufung des Klägers hatte vor dem OLG zum überwiegenden Teil Erfolg. Zu Recht wende sich der Kläger gegen in dem Artikel enthaltene Verdacht­s­äu­ße­rungen, die in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht eingriffen, entschied der Senat. Da es an einer ausreichenden Anhörung und Möglichkeit zur Stellungnahme zu den wesentlichen den Verdacht stützenden Indizien vor der Veröf­fent­lichung gemangelt habe, könne er Unterlassung verlangen. Bei dem Artikel handele es sich um eine Verdachtsberichterstattung über Zweifel und Gerüchte am tatsächlichen Alter des Klägers. Es werde der Verdacht geschildert, dass der Kläger tatsächlich älter als angegeben sei und andere leibliche Eltern habe. Diese Schilderungen seien geeignet, sich erheblich auf das Ansehen des über den Artikel identi­fi­zierbaren Klägers auszuwirken. Sie hätten zudem eine erhebliche Breitenwirkung. Demgegenüber habe aber auch das von der Beklagten verfolgte Informationsinteresse hier ein großes Gewicht. Die Berich­t­er­stattung „leistete einen Beitrag zu einer Diskussion von öffentlichem Interesse, denn das Alter eines Fußballprofis ist ein erhebliches Kriterium bei dessen Marktwert“, führte das OLG weiter aus.

Auch bei Indiz muss Betroffener um Stellung gebeten werden

Dass für eine zulässige identi­fi­zierende Verdachts­be­rich­t­er­stattung erforderliche Mindestmaß an Beweistatsachen habe hier zwar vorgelegen. Auch erfolge durch den Bericht keine unzulässige Vorverurteilung. Der Vorrang des Infor­ma­ti­o­ns­in­teresses bestehe aber darüber hinaus nur, wenn dem Betroffenen vorab ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde. Daran fehle es hier. Die Möglichkeit zur Stellungnahme habe unter anderem den Zweck, „dass der Autor seine Recherchen und Ergebnisse kritisch hinterfragt und gegebenenfalls Nacher­mitt­lungen anstellen kann“, führt der Senat aus. Der Betroffene sei mit dem wesentlichen Kern der Vorwürfe, Anknüp­fung­s­tat­sachen und Argumente zu konfrontieren. Werde wesentlich auf ein vermeintliches Indiz abgestellt, müsse auch dazu die Sichtweise des Betroffenen eingeholt werden. Die Beklagte stütze hier ihren Verdacht u.a. auf eigene Recherchen, insbesondere Gespräche mit angeblichen Angehörigen. Aus diesen leite sie wesentliche Anhaltspunkte für den geäußerten Verdacht her. Sie hätte dem Kläger deshalb auch hierzu die Möglichkeit zur Stellungnahme einräumen müssen. Das Benennen des Kernverdachts allein sei nicht ausreichend gewesen. Da die Konfrontation mit den Vorwürfen inhaltlich unzureichend gewesen sei, habe die „konkrete Berich­t­er­stattung in einem für den durch­schnitt­lichen Leser wesentlichen Punkt anders ausfallen (können), wenn eine Stellungnahme des Verfü­gungs­klägers eingeholt und berücksichtigt worden wäre“, begründet der Senat die Stattgabe der Unter­las­sungs­anträge weiter. Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main, ra-online (pm/ab)

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil33977

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI