14.12.2024
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Dokument-Nr. 34025

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Urteil08.05.2024Oberlandesgericht Frankfurt am Main16 U 168/22
Vorinstanz:
  • Landgericht Frankfurt am Main, Urteil28.04.2022, 2-03 O 367/21
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil08.05.2024

Wiedergabe eines Zitats ohne Mitteilung des Kontextes in Presse­bericht­erstattung kann unzulässiges Fehlzitat seinBezeichnung des Zitats als „antisemitisch“ stellt zulässige Meinung­s­äu­ßerung dar

Ein Fehlzitat kann vorliegen, wenn in einer Berich­t­er­stattung nur ein Satz eines Facebook-Posts zitiert wird, ohne auch den weiteren Kontext wiederzugeben, in dem der zitierte Satz steht (hier: Kritik an der Siedlungs­politik der israelischen Regierung). Eine an das Zitat anknüpfende Wertung der Aussage als „antisemitisch“ kann dagegen eine zulässige Meinung­s­äu­ßerung sein. Das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main (OLG) hat die landge­richtliche Entscheidung, mit der Unter­lassungs­ansprüche des Klägers abgewiesen worden waren, im Wesentlichen bestätigt.

Der Kläger wendet sich gegen vier Aussagen im Rahmen zweier Berich­t­er­stat­tungen der Beklagten. Er ist stell­ver­tre­tender Vorsitzender einer kleinen Partei und Mitglied der Frankfurter Stadt­ver­ord­ne­ten­ver­sammlung. In dem Bericht hieß es u.a., dass der Kläger auf Facebook geschrieben habe: „Während man nur noch von Corona redet, hat man den wahren Virus im Nahen Osten vergessen: Israel“. Der Kläger ist der Ansicht, die Berich­t­er­stattung stelle ihn als Antisemiten dar und verletze ihn in seinen Persön­lich­keits­rechten. Das Landgericht hatte seine auf Unterlassung von vier Aussagen gerichtete Klage insgesamt abgewiesen.

Aussage durfte als “Antisemitisch” erklärt werden

Die hiergegen eingelegte Berufung hatte vor dem OLG nur hinsichtlich einer Aussage Erfolg. Drei der angegriffenen Äußerungen enthielten zulässige Meinung­s­äu­ße­rungen, bestätigte der Senat die Entscheidung des LG. Soweit in den Berichten das Adjektiv „antisemitisch“ verwendet werde, liege eine zulässige Meinung­s­äu­ßerung vor. Entgegen der Ansicht des Klägers werde nicht er als Person als Antisemit bezeichnet, sondern konkret aufgeführte Äußerungen als antisemitisch. Die Beklagte habe diese Bewertung auf einen objektiv tatsächlichen Anknüp­fungspunkt in Form des voraus­ge­gangenen Posts des Klägers auf Facebook zurückführen können. Der Post biete (noch) einen ausreichenden Anhaltspunkt dafür, dass die Beklagte diesen Beitrag als antisemitisch habe beurteilen können. Der Kläger habe den Staat Israel durch den Begriff „Virus“ mit einem Krank­heits­erreger gleichgesetzt, der - vergleichbar mit dem Corona-Virus - bekämpft und ausgerottet werden müsse. Bei Abwägung der involvierten Interessen sei auch zu berücksichtigen, dass der Artikel einen Beitrag im geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage darstelle. Für die Öffentlichkeit seien sowohl die kleine Partei als Teil der Frankfurter Stadt­ver­ord­ne­ten­ver­sammlung als auch die von ihren Vertretern nach außen vertretenen Ansichten von wesentlichem Interesse.

Kein Zitat ohne Kontext

Mit Erfolg wende sich der Kläger aber gegen die Aussage, dass er auf Facebook das oben wiedergegebene Zitat geschrieben habe. Das Zitat verfälsche die eigentliche Äußerung des Klägers. Im Ursprungspost habe die Äußerung im Kontext mit Kritik an der Siedlungs­politik der israelischen Regierung gegenüber den Palästinensern gestanden. Durch das nicht gekennzeichnete Weglassen dieser Passage erhalte das Zitat eine andere Färbung und entspreche nicht mehr dem, was der Kläger tatsächlich gesagt habe. Mit der Bezeichnung Israels als „wahren Virus“ habe der Kläger Kritik an der Siedlungs­politik des israelischen Staats seit 1948 zum Ausdruck bringen wollen. Es mache einen „Unterschied, ob eine generell ablehnende Haltung gegenüber der Bevölkerung Israels geäußert wird, wie es die als Zitat des Klägers wiedergegebene Äußerung der Beklagten nahelege, oder ob hierfür ein sachlicher Bezug, nämlich die dortige Siedlungs­politik angeführt wird“, begründete der Pressesenat die Entscheidung. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Mit der Nicht­zu­las­sungs­be­schwerde kann der Kläger die Zulassung der Revision beim BGH begehren.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main, ra-online (pm/ab)

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