21.11.2024
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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil13.12.2018

Anwendung von englischem Recht in Deutschland: Englische Flugge­sell­schaft muss bei Flugstornierung Steuern und Gebühren nicht erstattenBeförderungs­verträge nach Art. 5 Rom-I-VO benötigen keinen gesonderten Hinweis auf Wirkungen der Rechtswahl

Eine ausländische Flugge­sell­schaft kann in ihren Allgemeinen Geschäfts­bedingungen festlegen, dass auf in Deutschland geschlossene Beförderungs­verträge englisches Recht anwendbar ist. Nach englischem Recht ist es zulässig, Steuern und Gebühren nicht zurück­zu­er­statten, wenn der Fluggast den Flug storniert hat und die Aufwendungen der Flugge­sell­schaft tatsächlich nicht entstanden sind. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main.

Die Beklagte des zugrunde liegenden Verfahrens ist eine Flugge­sell­schaft mit Sitz in Luton, England. Auf ihrer auch in deutscher Sprache aufrufbaren Internetseite können online Flüge gebucht werden. In den dafür geltenden Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen der Beklagten heißt es im Zusammenhang mit Stornierungen unter anderem: "Steuern und Gebühren, die von einem Flugha­fen­be­treiber direkt von (Name der Flugge­sell­schaft) erhoben werden, sind nicht erstat­tungsfähig, selbst wenn sie auf der Anzahl der beförderten Fluggäste basieren." (Art. 6.1 Abs. 4 der AGG). Dies bezieht sich nicht auf die Britische Passagierabgabe (APD), die erstattet wird (Art. 6.4 der AGG). Gemäß Art. 6.1 Abs. 2 der Bedingungen unterliegen alle Erstattungen "den anwendbaren Gesetzen ... von England und Wales ...". Schließlich wird geregelt, dass für die Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen und alle Beförderungen "... das Recht von England und Wales" gilt (Art. 29 AGG).

Verbrau­cher­verein rügt unangemessene Benachteiligung von Kunden

Der Kläger ist ein Verein, der auch Verbrau­che­r­in­teressen wahrnimmt. Er war der Ansicht, dass die Verbraucher durch die Klausel, Steuern und Gebühren nach Stornierung nicht zu erstatten, unangemessen benachteiligt werden (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Deshalb begehrte er von der beklagten Flugge­sell­schaft, diese Klausel nicht weiter zu nutzen.

OLG erklärt umstrittene Klausel für zulässig

Das Landgericht gab der Klage statt. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte vor dem Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main Erfolg. Die Beklagte dürfe die umstrittene Klausel weiter verwenden, entschied das Oberlan­des­gericht. Die angegriffene Regelung sei infolge einer zulässigen Rechtswahl am Maßstab des Rechts von England und Wales zu prüfen und nach diesem Recht wirksam.

Grenz­über­schrei­tender Aspekt liegt gerade bei Luftbe­för­de­rungs­ver­trägen auf der Hand

Grundsätzlich könne die Beklagte als Luftbeförderer in ihren Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen nach den Regeln des Internationalen Privatrechts formularmäßig eine Rechtswahl vorsehen. Die Rechts­wahl­klausel genüge hier dem erforderlichen Minimum an Bestimmbarkeit und Transparenz i.S. v. Art. 5 Rom-I-VO. Sie lasse keinen Zweifel an ihrer Aussage und an ihrem Gehalt, so das Gericht. Die Beklagte habe zudem mit dem Recht von England, wo sich ihr Sitz befinde, eine Rechtsordnung gewählt, die die beschränkten Wahlmög­lich­keiten nach Art. 5 Abs. 2 Rom-I-VO berücksichtige. Die Klausel sei auf der deutsch­spra­chigen Seite auch nicht überraschend, da gerade bei Luftbe­för­de­rungs­ver­trägen der grenz­über­schreitende Aspekt auf der Hand liege. Anders als das Landgericht gemeint hat, sei die Klausel auch im Hinblick auf die Rechtsprechung des EuGH zu den Anforderungen an eine Rechtswahl im Rahmen von Verbrau­cher­ver­trägen nicht zu beanstanden. Im Gegensatz zu Verbrau­cher­ver­trägen i.S.v. Art. 6 Rom-I-VO bedürfe es bei Beför­de­rungs­ver­trägen nach Art. 5 Rom-I-VO keines gesonderten Hinweises auf die Wirkungen der Rechtswahl.

Kein Verstoß gegen Gesetze zum Schutz der Verbrau­che­r­in­teressen

Ausgehend vom Maßstab des englischen und walisischen Rechts verstoße die Klausel nicht gegen Gesetze zum Schutz der Verbrau­che­r­in­teressen. Eine Klausel sei demnach laut Gericht missbräuchlich bzw. unfair, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursache. Dies sei unter Berück­sich­tigung des für Beför­de­rungs­verträge nach dem Recht von England und Wales allein maßgeblichen Richterrechts hier nicht der Fall. Vielmehr würden englische Gerichte den vollen Zahlungs­an­spruch der Beklagten nicht an fehlender Erfül­lungs­mit­wirkung des Fluggastes scheitern lassen, der die angebotene Beförderung aus eigenem Ermessen nicht in Anspruch genommen hat, so das Gericht. Nach englischem und walisischem Recht sei die Beklagte bei Kündigung des Vertrages durch den Fluggast vielmehr berechtigt, stets auf Vertrags­er­füllung zu bestehen und den vollen Flugpreis ohne Abschlag zu behalten, entschied das Oberlan­des­gericht. Insbesondere müsse die Beklagte dem Fluggast nicht ersparte Aufwendungen wie Steuern und Gebühren erstatten. Dass die Beklagte sich durch den Ausschluss der Erstattung dieser Kosten­po­si­tionen bei einer Stornierung besserstelle als bei vertragsgemäßer Durchführung des Beför­de­rungs­ver­trages sei der Rechtslage nach englischem und walisischen Recht mithin immanent, betonte das Oberlan­des­gericht.

Artikel 3 Rom-I-VO Freie Rechtswahl

(1) 1 Der Vertrag unterliegt dem von den Parteien gewählten Recht. 2 Die Rechtswahl muss ausdrücklich erfolgen oder sich eindeutig aus den Bestimmungen des Vertrags oder aus den Umständen des Falles ergeben. 3 Die Parteien können die Rechtswahl für ihren ganzen Vertrag oder nur für einen Teil desselben treffen.

[...]

Artikel 5 Rom-I-VO Beför­de­rungs­verträge

(1) 1 Soweit die Parteien in Bezug auf einen Vertrag über die Beförderung von Gütern keine Rechtswahl nach Artikel 3 getroffen haben, ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Beförderer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern sich in diesem Staat auch der Übernahmeort oder der Ablieferungsort oder der gewöhnliche Aufenthalt des Absenders befindet. 2 Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, so ist das Recht des Staates des von den Parteien vereinbarten Ablie­fe­rungsorts anzuwenden.

(2) 1 Soweit die Parteien in Bezug auf einen Vertrag über die Beförderung von Personen keine Rechtswahl nach Unterabsatz 2 getroffen haben, ist das anzuwendende Recht das Recht des Staates, in dem die zu befördernde Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern sich in diesem Staat auch der Abgangsort oder der Bestimmungsort befindet. 2 Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, so ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Beförderer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Als auf einen Vertrag über die Beförderung von Personen anzuwendendes Recht können die Parteien im Einklang mit Artikel 3 nur das Recht des Staates wählen,

a) in dem die zu befördernde Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder

b) in dem der Beförderer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder

c) in dem der Beförderer seine Hauptverwaltung hat oder

d) in dem sich der Abgangsort befindet oder

e) in dem sich der Bestimmungsort befindet.

(3) Ergibt sich aus der Gesamtheit der Umstände, dass der Vertrag im Falle fehlender Rechtswahl eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen als dem nach Absatz 1 oder 2 bestimmten Staat aufweist, so ist das Recht dieses anderen Staates anzuwenden.

Artikel 6 Verbrau­cher­vertrage

(1) Unbeschadet der Artikel 5 und 7 unterliegt ein Vertrag, den eine natürliche Person zu einem Zweck, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann ("Verbraucher"), mit einer anderen Person geschlossen hat, die in Ausübung ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelt ("Unternehmer"), dem Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern der Unternehmer

a) seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit in dem Staat ausübt, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder

b)eine solche Tätigkeit auf irgendeiner Weise auf diesen Staat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Staates, ausrichtet

und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt.

(2) 1 Ungeachtet des Absatzes 1 können die Parteien das auf einen Vertrag, der die Anforderungen des Absatzes 1 erfüllt, anzuwendende Recht nach Artikel 3 wählen. 2 Die Rechtswahl darf jedoch nicht dazu führen, dass dem Verbraucher der Schutz entzogen wird, der ihm durch diejenigen Bestimmungen gewährt wird, von denen nach dem Recht, das nach Absatz 1 mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre, nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf.

[...]

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main/ra-online

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