Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil13.01.1994
Streupflichtige Stadt muss spätestens bis 9.30/10 Uhr Fußgängerüberweg gestreut habenVerstoß gegen die Pflicht begründet Amtspflichtverletzung
Ist eine Stadt verpflichtet den Winterdienst durchzuführen, so muss sie spätestens gegen 9.30 bis 10 Uhr die Fußgängerüberwege bestreut haben. Kommt sie dieser Verpflichtung nicht nach und stürzt deswegen ein Passant wegen der Glätte, verletzt sie ihre Amtspflicht. Der verletzte Passant kann daher Schadenersatz verlangen. Dies hat das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. entschieden.
Im zugrunde liegenden Fall stürzte eine Frau gegen 11.15 Uhr in der Innenstadt auf einem Fußgängerüberweg vor dem Ausgang eines Kaufhauses wegen Glätte und verletzte sich. Zum Unfallzeitpunkt war der Weg von der winterdienstpflichtigen Stadt nicht gestreut. Die Frau verlangte aufgrund des Vorfalls Schadenersatz. Die Stadt wehrte sich gegen die Forderung mit der Argumentation, es sei ihr nicht möglich gewesen bis 11 Uhr den Fußgängerüberweg zu streuen. Mit dem Winterdienst sei um 7 Uhr begonnen worden und sie sei verpflichtet gewesen zunächst die stark befahrenen Straßen sowie die Geh- und Überwege etwa an Schulen oder Krankenhäusern zu streuen.
Anspruch auf Schadenersatz wegen Amtspflichtverletzung bestand
Das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. entschied zu Gunsten der verunfallten Frau. Ihr habe ein Anspruch auf Schadenersatz zugestanden (§ 839 BGB, Art. 34 GG), da die streupflichtige Stadt ihre Amtspflicht verletzt habe. Inhalt und Umfang dieser Amtspflicht bestimme sich nach der zivilrechtlichen Verkehrssicherungspflicht.
Fußgängerüberweg musste spätesten 10 Uhr gestreut sein
Die Stadt sei nach Auffassung des Oberlandesgerichts entsprechend der privatrechtlichen Verkehrssicherungspflicht verpflichtet gewesen, den Fußgängerüberweg spätestens gegen 9.30 Uhr bis 10 Uhr abstumpfend zu bestreuen. Denn nach Öffnung der meisten Läden um 9 Uhr setze spätestens gegen 9.30 oder 10 Uhr der Fußgängerverkehr ein. Darauf müssen die Wege vorbereitet werden.
Beginn des Streudienstes um 7 Uhr begründete Organisationsmangel
Zwar hat das Oberlandesgericht zuerkannt, dass zunächst besonders gefährliche und besonders früh von stärkerem Verkehr befahrene oder begangene Bereiche zuerst gestreut werden müssen. Es habe jedoch im Beginn des Streudienstes um 7 Uhr einen Organisationsmangel gesehen. Denn um diese Zeit sei der Berufsverkehr bereits voll angelaufen. Daher habe um 7 Uhr das Räumen und Streuen bereits abgeschlossen sein müssen.
Winterdienst ab 5/5.30 Uhr war zumutbar
Das Gericht hielt daher einen Arbeitsbeginn von 5 bzw. 5.30 Uhr für erforderlich. Damit wäre sichergestellt worden, dass spätestens zum Einsetzen des starken Fußgängerverkehrs die Einkaufsbereiche der Innenstadt und somit auch der Unfallort geräumt oder bestreut gewesen wären. Angesichts dessen, dass in dieser Berufsgruppe Nacht- bzw. Frühdienste nicht ungewöhnlich sind, sei der Stadt auch nichts Unzumutbares verlangt worden.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 21.01.2014
Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt a.M., ra-online (zt/VersR 1995, 45/rb)