Im zugrunde liegenden Fall entzündete ein Mann am 1. Weihnachtstag des Jahres 1997 nach dem Aufstehen zunächst einen im Wohnzimmer befindlichen Adventskranz aus echtem Tannengrün. Dieser stand auf einer Glasplatte auf dem mit einer Kunststofftischdecke gedecktem Wohnzimmertisch. Anschließend bereitete er in der Küche den Frühstückskaffee zu und begab sich nach einem Blick auf den Adventskranz wieder in das Schlafzimmer, um seine Lebensgefährtin zu wecken.
Er verließ das Schlafzimmer erst einige Zeit später. Dabei bemerkte er Brandgeruch und Rauchschwaden im ganzen Haus, die durch den Adventskranz im Wohnzimmer verursacht wurden, der sich zwischenzeitlich entzündet hatte. Die alarmierte Feuerwehr brauchte nicht mehr einzugreifen, weil es dem Mann gelang, den Brand selbst zu löschen. Als Brandfolge schlug sich im ganzen Haus Ruß nieder. Die Kosten der Schadensbeseitigung beliefen sich auf 64.329,38 DM.
Die Versicherung weigerte sich, den Schaden zu ersetzen. Sie meinte, dass der Mann den Brand grob fahrlässig herbeigeführt habe und sie daher von ihrer Leistungsverpflichtung befreit sei. Der Mann verklagte die Versicherung.
Das Landgericht Mönchengladbach gab dem Mann Recht und verurteilte die Versicherung zur Zahlung. Hiergegen legte die Versicherung Berufung ein, verlor aber auch in der zweiten Instanz vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf.
Das Oberlandesgericht meinte, dass die Versicherung den Schaden übernehmen müsse, weil der Kläger den Brand nicht grob fahrlässig im Sinne von § 61 VVG herbeigeführt habe.
Der Kläger habe den Versicherungsfall zwar durch sein Verhalten herbeigeführt, denn er habe den als vertragsgemäß vorausgesetzten Standard an Sicherheit gegenüber der versicherten Gefahr deutlich unterschritten, indem er den Adventskranz, der zum Zeitpunkt des Schadensfalls bereits 4 Wochen alt und ausgetrocknet war, über längere Zeit unbeaufsichtigt habe brennen lassen. Auch ein Außerachtlassen eines Adventskranzes für die Dauer von bis zu einer halben Stunde stelle sich objektiv bereits als grob fahrlässig dar.
Mit der Feststellung des danach zu bejahenden objektiv groben Pflichtverstoßes gehe im Rahmen des § 61 VVG aber nicht zwangsläufig die Feststellung eines in subjektiver Hinsicht gleich schwerwiegenden Schuldvorwurfs einher. Vielmehr müsse selbständig festgestellt werden, dass dem Versicherungsnehmer ein unentschuldbares Fehlverhalten auch persönlich vorzuwerfen sei, also in subjektiver Hinsicht ein gegenüber der einfachen Fahrlässigkeit erheblich gesteigertes Verschulden vorgelegen habe, das als schlechthin unentschuldbar anzusehen sei (vgl. BGH, Urteil v. 04.12.1985 - IVa ZR 130/84 - = NJW-RR 1986, 705 = VersR 1986, 254). Dies sei der Versicherung aber nicht gelungen.
Sie habe die Einlassung des Klägers, er habe sich nur kurz ins Schlafzimmer begeben wollen, um seine Lebensgefährtin zu wecken, nicht entkräften können. Unwidersprochen sei das Landgericht davon ausgegangen, dass der Kläger nach dem Betreten des Schlafzimmers aufgrund der "körperlichen Reize" seiner Lebensgefährtin nicht mehr an den brennenden Adventskranz gedacht habe. Für die Darstellung des Klägers, von seiner Lebensgefährtin ungeplant abgelenkt worden zu sein, spricht im übrigen, dass er unstreitig den Frühstückskaffee bereits zubereitet hatte, als er sich in das Schlafzimmer begab. Sein Verhalten erscheint danach zwar fahrlässig, aber - unabhängig davon ob der Aufenthalt im Schlafzimmer 15 oder bis zu 60 Minuten dauerte - nicht in einem Ausmaß schuldhaft, welches als unverzeihlich und damit als vorwerfbar grob fahrlässig einzustufen wäre.
In diesem Zusammenhang berücksichtigt der Senat, dass es sich bei dem Brennenlassen der Kerzen auf leicht entflammbarer Unterlage nicht um eine für den Kläger alltägliche, sich ständig wiederholende und deshalb routinemäßig beherrschte Gefahrensituation handelte. Die durch das unbeaufsichtigte Brennenlassen von Adventskranz- oder Weihnachtsbaumkerzen entstehende besondere Gefahrensituation ergebe sich vielmehr nur in der Weihnachtszeit. Es erscheine deshalb in subjektiver Hinsicht nicht als unverzeihliches Fehlverhalten, dass der Kläger sich der von dem Adventskranz ausgehenden Gefahr während seines nach der Ablenkung durch seine Lebensgefährtin ungeplant verlängerten Aufenthalts im Schlafzimmer zeitweilig nicht mehr bewußt gewesen sei.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 25.11.2011
Quelle: ra-online, OLG Düsseldorf (vt/pt)