23.11.2024
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Sie sehen eine abgedunkelte Fassade von mehreren Hochhäusern, auf der ein Schutzschild leuchtet.

Dokument-Nr. 8835

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Urteil21.09.1999Oberlandesgericht Düsseldorf4 U 182/98
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW-RR 2000, 621Zeitschrift: NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR), Jahrgang: 2000, Seite: 621
  • VersR 2000, 1493Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht (VersR), Jahrgang: 2000, Seite: 1493
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Vorinstanz:
  • Landgericht Mönchengladbach, Urteil30.07.1998, 10 O 141/98
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Düsseldorf Urteil21.09.1999

Wegen "körperlicher Reize" des Partners die brennenden Advents­kranz­kerzen vergessen - Keine grobe FahrlässigkeitVersicherung muss für Brandschaden in Wohnung aufkommen

Wer morgens nach dem Aufstehen im Wohnzimmer einen Adventskranz entzündet und nur kurz ins Schlafzimmer zurückkehrt und dort wegen der "körperlichen Reize" seines Partners die Kerzen vergisst, handelt nicht grob fahrlässig. Dies hat das Oberlan­des­gericht Düsseldorf entschieden.

Im zugrunde liegenden Fall entzündete ein Mann am 1. Weihnachtstag des Jahres 1997 nach dem Aufstehen zunächst einen im Wohnzimmer befindlichen Adventskranz aus echtem Tannengrün. Dieser stand auf einer Glasplatte auf dem mit einer Kunst­stoff­tischdecke gedecktem Wohnzimmertisch. Anschließend bereitete er in der Küche den Frühstücks­kaffee zu und begab sich nach einem Blick auf den Adventskranz wieder in das Schlafzimmer, um seine Lebensgefährtin zu wecken.

Ungeplant längerer Aufenthalt im Schlafzimmer

Er verließ das Schlafzimmer erst einige Zeit später. Dabei bemerkte er Brandgeruch und Rauchschwaden im ganzen Haus, die durch den Adventskranz im Wohnzimmer verursacht wurden, der sich zwischen­zeitlich entzündet hatte. Die alarmierte Feuerwehr brauchte nicht mehr einzugreifen, weil es dem Mann gelang, den Brand selbst zu löschen. Als Brandfolge schlug sich im ganzen Haus Ruß nieder. Die Kosten der Schadens­be­sei­tigung beliefen sich auf 64.329,38 DM.

Versicherung wirft dem Mann grobe Fahrlässigkeit vor

Die Versicherung weigerte sich, den Schaden zu ersetzen. Sie meinte, dass der Mann den Brand grob fahrlässig herbeigeführt habe und sie daher von ihrer Leistungs­ver­pflichtung befreit sei. Der Mann verklagte die Versicherung.

Gerichte verurteilen Versicherung zur Zahlung

Das Landgericht Mönchengladbach gab dem Mann Recht und verurteilte die Versicherung zur Zahlung. Hiergegen legte die Versicherung Berufung ein, verlor aber auch in der zweiten Instanz vor dem Oberlan­des­gericht Düsseldorf.

OLG verneint grobe Fahrlässigkeit des Klägers

Das Oberlan­des­gericht meinte, dass die Versicherung den Schaden übernehmen müsse, weil der Kläger den Brand nicht grob fahrlässig im Sinne von § 61 VVG herbeigeführt habe.

Verhalten des Klägers objektiv fahrlässig

Der Kläger habe den Versi­che­rungsfall zwar durch sein Verhalten herbeigeführt, denn er habe den als vertragsgemäß vorausgesetzten Standard an Sicherheit gegenüber der versicherten Gefahr deutlich unterschritten, indem er den Adventskranz, der zum Zeitpunkt des Schadensfalls bereits 4 Wochen alt und ausgetrocknet war, über längere Zeit unbeaufsichtigt habe brennen lassen. Auch ein Außerachtlassen eines Adventskranzes für die Dauer von bis zu einer halben Stunde stelle sich objektiv bereits als grob fahrlässig dar.

In subjektiver Hinsicht kann dem Kläger kein Vorwurf gemacht werden

Mit der Feststellung des danach zu bejahenden objektiv groben Pflicht­ver­stoßes gehe im Rahmen des § 61 VVG aber nicht zwangsläufig die Feststellung eines in subjektiver Hinsicht gleich schwerwiegenden Schuldvorwurfs einher. Vielmehr müsse selbständig festgestellt werden, dass dem Versi­che­rungs­nehmer ein unent­schuldbares Fehlverhalten auch persönlich vorzuwerfen sei, also in subjektiver Hinsicht ein gegenüber der einfachen Fahrlässigkeit erheblich gesteigertes Verschulden vorgelegen habe, das als schlechthin unentschuldbar anzusehen sei (vgl. BGH, Urteil v. 04.12.1985 - IVa ZR 130/84 - = NJW-RR 1986, 705 = VersR 1986, 254). Dies sei der Versicherung aber nicht gelungen.

Abgelenkt durch körperliche Reize der Partnerin

Sie habe die Einlassung des Klägers, er habe sich nur kurz ins Schlafzimmer begeben wollen, um seine Lebensgefährtin zu wecken, nicht entkräften können. Unwidersprochen sei das Landgericht davon ausgegangen, dass der Kläger nach dem Betreten des Schlafzimmers aufgrund der "körperlichen Reize" seiner Lebensgefährtin nicht mehr an den brennenden Adventskranz gedacht habe. Für die Darstellung des Klägers, von seiner Lebensgefährtin ungeplant abgelenkt worden zu sein, spricht im übrigen, dass er unstreitig den Frühstücks­kaffee bereits zubereitet hatte, als er sich in das Schlafzimmer begab. Sein Verhalten erscheint danach zwar fahrlässig, aber - unabhängig davon ob der Aufenthalt im Schlafzimmer 15 oder bis zu 60 Minuten dauerte - nicht in einem Ausmaß schuldhaft, welches als unverzeihlich und damit als vorwerfbar grob fahrlässig einzustufen wäre.

Kläger beherrschte die Gefah­ren­si­tuation nicht

In diesem Zusammenhang berücksichtigt der Senat, dass es sich bei dem Brennenlassen der Kerzen auf leicht entflammbarer Unterlage nicht um eine für den Kläger alltägliche, sich ständig wiederholende und deshalb routinemäßig beherrschte Gefah­ren­si­tuation handelte. Die durch das unbeauf­sichtigte Brennenlassen von Adventskranz- oder Weihnachts­baum­kerzen entstehende besondere Gefah­ren­si­tuation ergebe sich vielmehr nur in der Weihnachtszeit. Es erscheine deshalb in subjektiver Hinsicht nicht als unverzeihliches Fehlverhalten, dass der Kläger sich der von dem Adventskranz ausgehenden Gefahr während seines nach der Ablenkung durch seine Lebensgefährtin ungeplant verlängerten Aufenthalts im Schlafzimmer zeitweilig nicht mehr bewußt gewesen sei.

Quelle: ra-online, OLG Düsseldorf (vt/pt)

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