23.11.2024
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Oberlandesgericht Braunschweig Beschluss02.10.2020

Umgangsrecht mit Kind der Lebenspartnerin nach Trennung aufgrund enger BindungBestehen einer Lebens- und Er­ziehungs­gemein­schaft

Nach der Trennung kann einer Lebenspartnerin gemäß § 1685 Abs. 2 BGB ein Umgangsrecht mit dem Kind der anderen Partnerin zu stehen, wenn die Lebenspartnerin eine enge Bezugsperson für das Kind ist. Entscheidend kommt es auf das Bestehen einer Lebens- und Er­ziehungs­gemein­schaft an. Dies hat das Oberlan­des­gericht Braunschweig entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Während des Bestehens einer Lebenspartnerschaft zwischen zwei Frauen, bekam einer der Partnerinnen sowohl im Jahr 2017 als auch im Jahr 2018 ein Kind. Die Kinder wurden im Rahmen einer ohne Hilfe medizinischer Fachkräfte durchgeführten Insemination gezeugt. Nach der Geburt nahmen beide Partnerinnen Erziehungs- und Betreu­ungs­aufgaben war. Im September 2018 trennte sich das Paar. Nachdem die Mutter der Kinder noch mehrmals ihre Ex-Partnerin um Hilfe bei der Kindesbetreuung bat, verweigerte sie ab Januar 2019 den Umgang mit den Kindern. Die Ex-Partnerin beantragte daraufhin beim Amtsgericht Goslar die Einräumung eines Umgangsrechts. Dem kam das Gericht nach. Dagegen richtete sich die Beschwerde der Kindesmutter.

Recht auf Umgang mit den Kindern

Das Oberlan­des­gericht Braunschweig bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts. Der Ex-Partnerin stehe gemäß § 1685 Abs. 2 BGB ein Recht auf Umgang mit den Kindern zu. Sie habe für die Kinder tatsächliche Verantwortung übernommen und sei daher eine enge Bezugsperson im Sinne der Vorschrift für die Kinder. Dies ergebe sich für das erste Kind bereits daraus, dass die Ex-Partnerin für längere Zeit in einer häuslichen Gemeinschaft mit dem Kind lebte. Sie hatte für ein Jahr Elternzeit genommen und sich um das Kind gekümmert. Der Auszug aus dem Haushalt erfolgte zu einem Zeitpunkt als das Kind bereits 18 Monate alt war.

Häusliche Gemeinschaft nicht zwingende Voraussetzung

Zwar hat die Ex-Partnerin mit dem zweiten Kind nicht für längere Zeit in einer häuslichen Gemeinschaft gelebt, so das Oberlan­des­gericht. Denn das Kind war beim Auszug der Ex-Partnerin fünf Monate alt. Für die Übernahme tatsächlicher Verantwortung im Sinne von § 1685 Abs. 2 BGB sei aber das Leben in häuslicher Gemeinschaft keine zwingende Voraussetzung. Entscheidend sei vielmehr, dass eine tatsächliche Lebens- und Erzie­hungs­ge­mein­schaft bestanden haben muss, welche die Qualität einer Familie erreicht hat. Dies sei hier auch für das zweite Kind zu bejahen. Denn die Ex-Partnerin habe bis zum ersten Geburtstag deszweiten Kindes Umgangskontakte wahrgenommen und die soziale Elternschaft ausgeübt.

Umgangskontakte dienen der Klärung der Famili­en­ver­hältnisse und der Identi­täts­findung

Nach Auffassung des Oberlan­des­gericht spricht für einen Umgangskontakt, dass dieser den Kindern ermögliche, eine Beziehung zu einer außerhalb ihrer sozialen Familie stehenden Peron zu entwickeln und dadurch Klarheit über ihre Famili­en­ver­hältnisse und ihre eigene Herkunft im Sinne einer Identi­täts­findung zu verschaffen.

Verweigerung von Umgangskontakte nur aus nachvoll­ziehbaren Gründen

Die Verweigerung von Umgangs­kon­takten sei nach Auffassung des Oberlan­des­ge­richts nur aus nachvoll­ziehbaren Gründen möglich. Solche habe die Kindesmutter nicht vorgetragen. Die ablehnende Haltung der Kindesmutter sei als bloße Obstruktion anzusehen. Die bestehenden Konflikte zwischen den Beteiligten gehen sämtlich von der Kindesmutter aus. Diese verschließe sich ohne verständige Gründe einer konstruktiven Klärung mittels Durchführung einer gemeinsamen Mediation. Sie stelle ihre eigenen Befind­lich­keiten vor das Wohl der Kinder und suche Konflikte mit der Ex-Partnerin.

Nicht jede miterlebte konflikthafte Beziehung beeinträchtigt Kindeswohl

Zudem gab das Oberlan­des­gericht zu bedenken, dass das Miterleben von konflikthaften Beziehungen durch Kinder nicht von vornherein als kindes­wohl­ab­träglich einzustufen sei. Das Miterleben von Problemen und Streitigkeiten und vor allem das Lösen derselben sowie Beständigkeit der Bezie­hungs­ge­staltung auch und gerade in angespannten Lebens­si­tua­tionen sei für die kindliche Entwicklung und damit das Kindeswohl vielmehr als dienlich anzusehen.

Quelle: Oberlandesgericht Braunschweig, ra-online (vt/rb)

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