21.11.2024
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Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht Beschluss09.02.2018

Vorläufige Dienstenthebung einer Lehrerin wegen Besuchs der Tochter beim "Dschungelcamp" rechtmäßigVerhalten steht Wahrnehmung des schulischen Erzie­hungs­auftrags und Vorbildfunktion entgegen und macht Lehrkraft untragbar

Das Nieder­säch­sische Ober­verwaltungs­gericht hat entschieden, dass die vorläufige Dienstenthebung einer Lehrerin, die sich hatte krankschreiben lassen, um ihre Tochter auf der Reise nach Australien zum "Dschungelcamp" begleiten zu können, rechtmäßig ist. Das Verwal­tungs­gericht hatte dem Eilantrag der Lehrerin gegen die Anordnung der Landes­schul­behörde über die vorläufige Dienstenthebung und die Einbehaltung eines Teils der Dienstbezüge der Antragstellerin entsprochen. Das Nieder­säch­sische Ober­verwaltungs­gericht hat diesen Beschluss geändert. Die Antragstellerin wird also bis zum Abschluss des sie betreffenden Disziplinar­verfahrens keinen Dienst mehr tun dürfen und nur noch einen Teil ihrer Dienstbezüge erhalten.

Die Antragstellerin des zugrunde liegenden Verfahrens, eine Studienrätin, begleitete im Januar 2016 ihre Tochter nach Australien. Die Tochter der Antragstellerin nahm dort im Januar 2016 an der Fernsehshow "Ich bin ein Star - Holt mich hier 'raus!" (sogenanntes Dschungelcamp) des Fernsehsenders RTL teil. Die Landes­schul­behörde hatte zuvor einen Antrag der Antragstellerin, ihr für die Zeit vom 11. bis zum 27. Januar 2016 Sonderurlaub zu gewähren, um ihre Tochter nach Australien begleiten zu können, abgelehnt. Die Antragstellerin hatte nach den damaligen Weihnachts­ferien am 7. Januar 2016 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit vom 7. bis zum 29. Januar 2016 eingereicht. Nachdem der Landes­schul­behörde eine im Fernsehen ausgestrahlte Videobotschaft der Antragstellerin gemeinsam mit ihrer Tochter aus Australien bekannt geworden war, leitete sie ein Disziplinarverfahren gegen die Antragstellerin ein. Mit Verfügungen vom 10. Januar 2017 enthob die Landes­schul­behörde die Antragstellerin vorläufig des Dienstes und ordnete die Einbehaltung der Hälfte ihrer Dienstbezüge an. Zur Begründung führte die Landes­schul­behörde unter anderem an, dass die Antragstellerin wahrheits­widrige Angaben über ihren Gesund­heits­zustand gemacht habe und damit dem Dienst trotz Vorlage einer Arbeits­un­fä­hig­keits­be­schei­nigung unentschuldigt ferngeblieben sei. Erschwerend komme hinzu, dass die Antragstellerin öffent­lich­keits­wirksam eine Reise nach Australien unternommen habe. Das Vertrauen in ihre Zuverlässigkeit und Integrität sei erschüttert.

AG Soltau verurteilt Antragstellerin wegen Gebrauchs eines unrichtigen Gesund­heits­zeug­nisses zur Geldstrafe

Gegen diese Verfügungen hatte die Antragstellerin vor dem Verwal­tungs­gericht Lüneburg um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Im Verlauf dieses erstin­sta­nz­lichen verwal­tungs­ge­richt­lichen Verfahrens hat das Amtsgericht Soltau die Antragstellerin mit Urteil vom 30. März 2017 wegen des Gebrauchs eines unrichtigen Gesund­heits­zeug­nisses zu einer Geldstrafe verurteilt. Die Antragstellerin hat gegen dieses Strafurteil Berufung eingelegt, über die das Landgericht Lüneburg noch nicht entschieden hat.

VG gibt Eilantrag der Antragstellerin zunächst statt

Das Verwal­tungs­gericht Lüneburg gab dem Eilantrag der Antragstellerin gegen die vorläufige Dienstenthebung und die Einbehaltung eines Teils ihrer Dienstbezüge zunächst statt, weil es zu der Einschätzung gelangt war, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verfügungen der Landes­schul­behörde bestünden. Zwar sei der Antragstellerin aller Voraussicht nach ein schweres Dienstvergehen vorzuwerfen. Es sei jedoch nicht mit überwiegender Wahrschein­lichkeit zu erwarten, dass in dem gegen die Antragstellerin geführten Diszi­pli­na­r­kla­ge­ver­fahren die diszi­pli­na­rische Höchstmaßnahme - also die Entfernung der Antragstellerin als dem Beamten­ver­hältnis - ausgesprochen werde; vielmehr sei als Reaktion auf dieses Dienstvergehen die nächstmildere Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung ebenso wahrscheinlich wie die Entfernung aus dem Beamten­ver­hältnis, was für eine Aussetzung beider Verfügungen vom 10. Januar 2017 ausreiche.

OVG erklärt Entlassung aus dem Beamten­ver­hältnis für wahrscheinlich

Das Nieder­säch­sische Oberver­wal­tungs­gericht gelangte im Beschwer­de­ver­fahren zu einer anderen Bewertung als das Verwal­tungs­gericht und gab deshalb der Beschwerde der Landes­schul­behörde statt. Anders als das Verwal­tungs­gericht war das Oberver­wal­tungs­gericht der Auffassung, dass nach derzeitigem Sachstand in dem gegen die Antragstellerin geführten Diszi­pli­na­r­kla­ge­ver­fahren mit überwiegender Wahrschein­lichkeit deren Entlassung aus dem Beamten­ver­hältnis ausgesprochen werden wird.

Planvolle und berechnende Vorgehensweise der Antragstellerin lässt auf fehlende Einsicht über Fehlverhalten schließen

Das Gericht hat die Schwere des Dienstvergehens, das Persön­lich­keitsbild der Antragstellerin und den Umfang, in dem die Antragstellerin durch ihr Verhalten das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit in eine ordnungsgemäße Dienstführung beschädigt hat, mit einem anderen Ergebnis als das Verwal­tungs­gericht bewertet. Die planvolle und berechnende Vorgehensweise der Antragstellerin zur Erwirkung des unrichtigen Gesund­heits­zeug­nisses und die fehlende Einsicht in ihr Fehlverhalten lassen aus Sicht des Oberver­wal­tungs­gericht derzeit nicht darauf schließen, dass die Antragstellerin in Zukunft die Gewähr dafür bietet, ihren Dienstpflichten als Beamtin trotz etwaiger entge­gen­ste­hender privater Belange nachzukommen. Dies mache sie nach derzeitiger Würdigung vor dem Hintergrund der von ihr als Lehrkraft wahrzunehmenden Vorbildfunktion für die Wahrnehmung des schulischen Erzie­hungs­auftrags untragbar. Bei der Gesamtabwägung berücksichtigte das Gericht zu Ungunsten der Antragstellerin erschwerend unter anderem den Umstand, dass sie während des laufenden Beschwer­de­ver­fahrens trotz entge­gen­ste­hender Vorgaben der Landes­schul­behörde einer bundesweit erscheinenden Zeitung ein Interview gegeben hat. Den ca. viermonatigen Einsatz der Antragstellerin an einer anderen Schule als ihrer Stammschule, der im Zeitraum nach der Rückkehr der Antragstellerin aus Australien und dem Erlass der vorläufigen Dienstenthebung stattgefunden hat, hat das Gericht nicht als einen Gesichtspunkt angesehen, aus dem auf den Fortbestand eines Restvertrauens des Dienstherrn in sie geschlossen werden könnte.

Quelle: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht/ra-online

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