24.11.2024
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Dokument-Nr. 29853

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Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht Beschluss15.02.2021

Keine vorläufige Außer­voll­zug­setzung der coronabedingten Schließung von Friseur­be­triebenÖffnung zum 1. März unabhängig von der Erreichung eines Inzidenzwertes vorgesehen

Das Ober­verwaltungs­gerichts hat mit Beschluss einen Antrag der Inhaber eines Friseurbetriebs abgelehnt, die in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 der Nieder­säch­sischen Corona-Verordnung (im Folgenden: Corona-VO) weiterhin ausgesprochene Schließung von Friseur­be­trieben einstweilig außer Vollzug zu setzen.

Gegen diese Regelung hatten sich die Antragsteller, Betreiber eines Friseursalons im Landkreis Cloppenburg, gewandt. Sie hatten u.a. geltend gemacht, dass in Friseur­be­trieben keine Infek­ti­o­ns­gefahr bestehe und sich auf die besondere Bedeutung von Friseur­be­trieben für die Bevölkerung und die Ungleich­be­handlung gegenüber Optikern und Hörge­rä­te­akus­tikern berufen.

Anknüpfung an 7-Tage-Inzidenz von 50 legitim

Das Oberver­wal­tungs­ge­richts hat den Antrag nach einer sogenannten Folgenabwägung abgelehnt. Für den Senat sei derzeit offen, ob § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 Corona-VO in einem Haupt­sa­che­ver­fahren für rechtmäßig oder für unwirksam zu erklären sei. Der Senat gehe zwar davon aus, dass die grundsätzliche Anknüpfung der Maßnahmen an eine 7-Tage-Inzidenz von 50 unter Berück­sich­tigung aller sonstigen Umstände des Infek­ti­o­ns­ge­schehens als legitimes Ziel anzusehen sei. Im Hinblick auf künftige Verfahren sei allerdings darauf hinzuweisen, dass die Anknüpfung von Öffnungs­schritten an eine 7-Tage-Inzidenz von höchstens 35, wie es der rechtlich unverbindliche Beschluss der Video­schalt­kon­ferenz der Bundeskanzlerin mit den Minis­ter­prä­si­den­tinnen und Minis­ter­prä­si­denten vom 10. Februar 2021 vorsehe, weder mit der Regelung des § 28 a Abs. 3 des Infek­ti­o­ns­schutz­ge­setzes übereinstimme, noch der tatsächlichen Fähigkeit der Gesund­heit­sämter zur Kontakt­ver­folgung entspreche.

Zweifel an Erfor­der­lichkeit der Betrie­bs­schlie­ßungen

Im vorliegenden Fall bestünden aber Zweifel an der Effektivität und damit an der Erfor­der­lichkeit der Betrie­bs­schlie­ßungen, da die aus Infek­ti­o­ns­schutz­gründen deutlich gefährlichere Frisier­tä­tigkeit in den Wohnungen der Kunden durch die Nieder­säch­sische Corona-Verordnung nicht untersagt worden sei. Es könne indes auch nicht belegt werden, dass das Weitertragen von Infektionen in einem Friseurbetrieb ausgeschlossen sei. Die flächendeckende Schließung der Friseurbetriebe verhindere zudem einen Frisier­tou­rismus.

Angemessenheit der Betriebsverbote nicht abschließend geklärt

Es lasse sich im vorliegenden Eilverfahren nicht abschließend klären, ob die einschneidenden Betriebsverbote im Hinblick auf die immer gewichtiger werdenden Nachteile für die betroffenen Betriebsinhaber und deren Beschäftigte sowie die gesamte Volkswirtschaft auf der einen Seite und die Gefährdung der zwar hochwertigen aber verfas­sungs­rechtlich nicht absolut geschützten Rechtsgüter Leib und Leben einer Vielzahl Betroffener sowie der Funkti­o­ns­fä­higkeit des Gesund­heits­systems auf der anderen Seite noch angemessen seien. Der besonderen Bedeutung der Friseurbetriebe für die Bevölkerung habe der Antragsgegner hingegen dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass deren Öffnung zum 1. März unabhängig von der Erreichung eines Inzidenzwertes vorgesehen sei.

Kein Verstoß gegen Gleich­be­hand­lungs­grundsatz

Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleich­heits­grundsatz sei nicht erkennbar. Eine weitergehende Gleichstellung mit medizinischen Dienst­leis­tungen dränge sich nicht auf. Die Ungleich­be­handlung der Friseure gegenüber Optikern und Hörge­rä­te­akus­tikern sei gerechtfertigt, da ein Ausgleich von Hör- oder Sehschwächen - anders als ein Friseurbesuch - essentiell für die Bewältigung des Alltags sei. Insgesamt überwiege bei einer Folgenabwägung derzeit noch das Interesse an der Vermeidung von Infektions-, Erkrankungs- und Todesfällen, zumal finanzielle Ausgleichs­leis­tungen in Aussicht stünden, die Antragsteller ihre Tätigkeit durch Aufsuchen ihrer Kunden fortsetzen dürften und ein fester Öffnungstermin feststehe.

Quelle: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, ra-online (pm/aw)

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