21.11.2024
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Dokument-Nr. 30380

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Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht Beschluss08.06.2021

Vorläufige Außer­voll­zug­setzung des coronabedingten Verbots der Ausübung der Prostitution und entsprechender Dienst­leis­tungenOVG gibt Eilantrag eines Bordell­be­sitzers statt

Das Nieder­säch­sischen Ober­verwaltungs­gericht hat einem Normen­kontrolleil­antrag stattgegeben, der sich gegen die in § 10 c der Nieder­säch­sischen Verordnung zur Eindämmung des Corona-Virus SARS-CoV-2 (im Folgenden: Corona-VO) angeordnete Untersagung des Betriebs von Prostitutions­stätten und die Untersagung der Erbringung von Dienst­leis­tungen im Zusammenhang mit der Prostitution richtete, und die Bestimmung vorläufig außer Vollzug gesetzt.

Der Antragsteller, der in Niedersachsen eine Prostitutionsstätte betreibt, hat sich mit einem Normen­kon­trol­leil­antrag gegen das umfassende Verbot der Ausübung der Prostitution und der Erbringung von Dienst­leis­tungen im Zusammenhang mit der Prostitution nach § 10 c Corona-VO gewandt. Zur Begründung hat er geltend gemacht, die vollständige Untersagung sei keine notwendige Infek­ti­o­ns­schutz­maßnahme mehr und es liege ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz vor.

Prosti­tu­ti­o­ns­verbot nicht mehr erforderlich

Das OVG ist dem gefolgt. Unter Berück­sich­tigung des aktuellen Infek­ti­o­ns­ge­schehens und der Relevanz der Prosti­tu­ti­o­ns­ausübung für das Infek­ti­o­ns­ge­schehen sei das umfassende und ausnahmslose Verbot der Ausübung der Prostitution und der Erbringung von Dienst­leis­tungen im Zusammenhang mit der Prostitution, wie es in § 10 c Corona-VO angeordnet werde, offensichtlich nicht mehr erforderlich. Den Regelungs­adressaten könnten vielmehr mildere Beschränkungen auferlegt werden, die gleichermaßen zur Förderung des legitimen öffentlichen Zwecks des Gesund­heits­schutzes geeignet seien, wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 28. August 2020 zur vorläufigen Außer­voll­zug­setzung der Schließung von Prosti­tu­ti­o­ns­s­tätten, Bordellen und ähnlichen Einrichtungen sowie der Untersagung der Straßen­pro­sti­tution nach dem Ende der sog. 2. Coronawelle in Deutschland aufgezeigt habe.

Massive Verletzungen der Grundrechte des Antragstellers

Darüber hinaus verletze das umfassende Verbot der Ausübung der Prostitution und der Erbringung von Dienst­leis­tungen im Zusammenhang mit der Prostitution den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Unter Berück­sich­tigung des infek­ti­o­ns­schutz­recht­lichen Gefahrengrades der verbotenen Tätigkeiten und auch aller sonstigen relevanten Belange bestünden insbesondere mit Blick auf die sonstigen körpernahen Dienst­leis­tungen, wie sie in § 10 b Corona-VO behandelt worden seien, keine für den Senat nachvoll­ziehbaren sachlichen Gründe, die eine weitere Aufrecht­er­haltung des umfassenden und ausnahmslosen Verbots gerade und nur betreffend die Ausübung der Prostitution und der Erbringung von Dienst­leis­tungen im Zusammenhang mit der Prostitution rechtfertigen könnten.

Außer­voll­zug­setzung der Nieder­säch­sischen Corona-Verordnung geboten

Die konstatierten Freiheits- und Gleich­heits­verstöße führten zu einer Verletzung des Antragstellers in seinen Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1, 2 Abs. 1 und 3 Abs. 1 GG und begründeten mit Blick auf die Verletzung der Berufsfreiheit der Betreiberinnen und Betreiber von Prosti­tu­ti­o­ns­s­tätten und Prosti­tu­ti­o­ns­fahr­zeugen, der Veran­stal­te­rinnen und Veranstalter von Prosti­tu­ti­o­ns­ver­an­stal­tungen, der Erbringerinnen und Erbringer von sexuellen Dienst­leis­tungen, von Leistungen der Prosti­tu­ti­o­ns­ver­mittlung sowie von erotischen Massagen in einer Prosti­tu­ti­o­ns­stätte oder einem Prosti­tu­ti­o­ns­fahrzeug sowie den in der Straßen­pro­sti­tution Tätigen aus Art. 12 Abs. 1 GG zugleich einen gewichtigen Nachteil, der eine vorläufige Außer­voll­zug­setzung des § 10 c der Nieder­säch­sischen Corona-Verordnung in Gänze gebiete.

Bis zu einer Neuregelung gelten allgemeinen Beschränkungen für körpernahe Dienst­leis­tungen

Eine Unterminierung der fraglos komplexen Pande­mie­be­kämp­fungs­strategie des Landes Niedersachsen stehe demgegenüber nicht zu befürchten. Denn die vorläufige Außer­voll­zug­setzung habe zwar zur Folge, dass das umfassende Verbot der Prosti­tu­ti­o­ns­ausübung nach § 10 c Corona-VO als solches nicht mehr zu beachten sei. Bis zu einer etwaigen Neuregelung durch den Verord­nungsgeber seien aber die allgemeinen Beschränkungen des § 10 b Corona-VO zu beachten, die für die Erbringung aller körpernahen Dienst­leis­tungen gälten.

Quelle: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, ra-online (pm/aw)

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