Oberverwaltungsgericht Niedersachsen Urteil06.10.2020
Polizeiliche Videobeobachtung in Hannover aktuell wegen ungenügender Kenntlichmachung rechtswidrig
Das Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hat am 6. Oktober 2020 entschieden, dass die von der Polizeidirektion Hannover an den fünf im Berufungsverfahren noch streitgegenständlichen Standorten betriebene Videobeobachtung aktuell rechtswidrig ist sowie an zwei weiteren Standorten, an denen die Kamers im März 2020 demontiert wurden, rechtswidrig war (Az.: 11 LC 149/16).
Der Kläger wandte sich gegen die von der Polizeidirektion in Hannover an verschiedenen öffentlich zugänglichen Orten betriebene Videoüberwachung. Das Verwaltungsgericht gab seiner ursprünglich auf 78 Kameras bezogenen Klage in Bezug auf 56 Kamerastandorte statt und verpflichtete die Polizeidirektion Hannover, an diesen Standorten die Bildübertragung sowie die Aufzeichnung dieser Bilder zu unterlassen. Hinsichtlich der weiteren 22 Standorte wurde die Klage abgewiesen, da diesbezüglich die Voraussetzungen nach dem - zum Zeitpunkt des Urteilserlasses geltenden - Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG) für eine Videobeobachtung und Aufzeichnung vorlägen. Die Polizeidirektion stellte den Betrieb von 51 Kamerastandorte ein. Hinsichtlich zwei weiterer Standorte, an denen die Polizeidirektion beabsichtigt, den Betrieb der Kameras im Jahr 2021 unter Einsatz neuer Kameramodelle wiederaufzunehmen, hat der Kläger seinen Klageantrag angepasst und beantragt festzustellen, dass der Betrieb dieser Kameras rechtswidrig war. Bei den beiden letztgenannten Kameras handelt es sich um eine Kamera die dauerhaft Bilder aufgezeichnet und für fünf Tage gespeichert hat sowie um eine sog. Veranstaltungskamera, die nur anlassbezogen, z.B. bei großen Veranstaltungen, aktiviert wurde. Die fünf aktuell noch von der Polizeidirektion betriebenen Kameras sind ebenfalls Veranstaltungskameras, die nur anlassbezogen angeschaltet werden.
OVG: Betrieb der Kameras ist gegenwärtig rechtswidrig
Das OVG hat die Berufung zurückgewiesen. Der Betrieb der fünf aktuell noch von der Polizeidirektion betriebenen Veranstaltungskameras sei gegenwärtig rechtswidrig. Der Betrieb der beiden stillgelegten Kameras sei bis zur Demontage der Kameras im März 2020 rechtswidrig gewesen. Zur Begründung hat das OVG ausgeführt, dass die Videobeobachtung zwar einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung darstelle, der jedoch grundsätzlich durch § 32 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 i.V.m. Satz 2 und Satz 3 des Niedersächsischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes (NPOG) gerechtfertigt werden könne. Die genannten Vorschriften genügten den verfassungsrechtlichen Anforderungen an das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung einschränkende Normen. Das Land verfüge über die notwendige Gesetzgebungskompetenz und die maßgeblichen Vorschriften seien hinreichend bestimmt und verhältnismäßig.
Zur Kennzeichnung genutzte Hinweisschilder nicht ausreichend wahrnehmbar
Die Polizeidirektion habe jedoch nicht ausreichend dargelegt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Normen in Bezug auf die streitgegenständlichen Kamerastandorte erfüllt seien. So entspreche die von der Polizeidirektion vorgenommene Kenntlichmachung nicht den Anforderungen des § 32 Abs. 3 Satz 2 NPOG. Die von der Polizeidirektion auf vorhandenen Pfosten angebrachten Aufkleber seien aufgrund der Krümmung der Pfosten und der Vielzahl der auf diesen Pfosten regelmäßig angebrachten anderen Aufkleber/Zettel für den durchschnittlichen Verkehrsteilnehmer - anders als die früher von der Polizeidirektion teilweise zur Kennzeichnung genutzten Hinweisschilder - nicht ausreichend wahrnehmbar.
Zusammenhang zwischen einer Veranstaltung und mit dieser Veranstaltung zu erwartenden Straftat nicht belegt
Die von der Polizeidirektion vorgelegten Jahresstatistiken seien nicht geeignet, den nach § 32 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 NPOG erforderlichen Zusammenhang zwischen einer temporären Veranstaltung und einer im zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dieser Veranstaltung zu erwartenden Straftat darzulegen. Zudem habe die Polizeidirektion keine Daten dazu vorgelegt, wann sie die temporär genutzten Veranstaltungskameras jeweils aktiviert habe und welche Straftaten in diesen Zeiträumen erfasst worden seien
Revision nicht zugelassen
Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht hat der Senat nicht zugelassen. Die Entscheidung kann aber mit der Nichtzulassungsbeschwerde angefochten werden und ist bis zum Ablauf der dafür geltenden Fristen noch nicht rechtskräftig.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 07.10.2020
Quelle: Oberverwaltungsgericht Niedersachen, ra-online (pm/ab)