21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 15008

Drucken
Urteil10.05.2012Landgericht Dessau-Roßlau1 S 22/12
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW-RR 2013, 87Zeitschrift: NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR), Jahrgang: 2013, Seite: 87
Für Details Fundstelle bitte Anklicken!
Vorinstanz:
  • Amtsgericht Bitterfeld-Wolfen, Urteil22.12.2011, 7 C 814/11
ergänzende Informationen

Landgericht Dessau-Roßlau Urteil10.05.2012

Kein Schaden­er­satz­an­spruch gegen Imker aufgrund der Tierhal­ter­haftung für durch Reinigungsflug der Bienen mit Bienenkot verdrecktes GrundstückNachbar hat Bienenüberflug zu dulden

Kommt es im Rahmen des alljährlichen Reini­gungs­fluges der Bienen im Frühjahr zu einer Verschmutzung eines Grundstücks mit Bienenkot, so begründet dies für den Grund­s­tücks­inhaber keinen Schaden­er­satz­an­spruch gegen den Imker. Der Grund­s­tücks­be­sitzer hat den Bienenüberflug zu dulden. Dies geht aus einer Entscheidung des Landgerichts Dessau-Roßlau hervor.

In dem zugrunde liegenden Fall verlangte der Inhaber eines Grundstücks von seinem Nachbarn Schadenersatz wegen einer entstandenen Verschmutzung seines Grundstücks mit Bienenkot. Der Nachbar war Imker und hielt seit vier Jahren 16 Bienenvölker. Die Bienen führten alljährlich im Frühjahr einen Reinigungsflug aus. Dabei überflogen sie im Frühjahr 2011 das Grundstück des Geschädigten und verschmutzten es. Der Grundstücksbesitzer behauptete, dem Nachbarn wäre es möglich und zumutbar gewesen, die Bienenstöcke vor dem Ausfliegen vom Grundstück ins freie Feld oder an den nahegelegenen Waldrand zu verbringen. Damit hätte ein Überflug der Bienen über sein Grundstück verhindert werden können. Das Amtsgericht Bitterfeld-Wolfen wies die Klage des Grund­s­tücks­be­sitzers ab. Dagegen richtete sich seine Berufung.

Schaden­er­satz­an­spruch aus Tierhal­ter­haftung bestand nicht

Das Landgericht Dessau-Roßlau entschied gegen den Grund­s­tücks­be­sitzer. Diesem habe kein Anspruch auf Schadenersatz wegen einer Tierhalterhaftung des Imkers aus § 833 BGB zugestanden. Denn die Vorschrift erfasse nur solche Schäden, die durch die spezifische Tiergefahr hervorgerufen werden. Die Schäden müssen auf einem Verhalten der Tiere beruhen, das von keinem vernünftigen Wollen geleitet wird sowie willkürlich und unberechenbar ist. Das Verhalten müsse sich als Ausdruck der gefährlichen tierischen Natur darstellen. Artspezifische Verhal­tens­weisen der Tiere fallen darunter nicht. Der Reinigungsflug der Bienen habe ein solch artspezifisches Verhalten dargestellt. Somit seien die hier entstandenen Schäden nicht vom Schutzzweck des § 833 BGB erfasst worden.

Einwirkung war nicht rechtswidrig

Des Weiteren sei der Grund­s­tücks­inhaber nach Ansicht des Landgerichts verpflichtet gewesen den Bienenüberflug gemäß § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB zu dulden. Aus dieser Duldungspflicht sei zu folgern gewesen, dass die Einwirkung nicht rechtswidrig war.

Reinigungsflug der Bienen unkon­trol­lierbar und unbeherrschbar

§ 906 BGB unterfallen solche Einwirkungen, die in ihrer Ausbreitung weitgehend unkon­trol­lierbar und unbeherrschbar seien, so das Landgericht weiter. Dies treffe auf den Reinigungsflug der Bienen zu. Der Zeitpunkt des Fluges sei nämlich nicht "fix", sondern witte­rungs­ab­hängig. In Einzelfällen könne es vorkommen, dass die Bienen schon bei milderen Winter­tem­pe­raturen ihren Reinigungsflug durchführen. Daher lasse sich der Zeitpunkt des Reini­gungs­fluges nicht eingrenzen oder punktgenau bestimmen, so dass ein Verbringen der Bienenstöcke ins freie Feld oder in den nahegelegenen Waldrand, um einen Überflug über das Grundstück zu verhindern, nicht möglich gewesen sei. Zudem könne die Zielrichtung des Fluges nicht kontrolliert werden und damit nicht ausgeschlossen werden, dass das Grundstück des Geschädigten nicht dennoch überflogen werde. Denn die Bienen fliegen nicht nur in eine einzige Richtung.

Beein­träch­ti­gungen waren unwesentlich

Nach Ansicht des Landgerichts seien die Beein­träch­ti­gungen zudem unwesentlich gewesen. Denn es sei zu berücksichtigen gewesen, dass die Verschmutzung bisher nur einmal aufgetreten war und der Nachbar, unter Zugrundelegung des ländlichen Charakters der Umgebung, eine überschaubare und ortsübliche Bienenhaltung betrieb. Schließlich konnte auch nicht in Anbetracht der Größe des Bienenkotes von einer massiven und gewichtigen Eigen­tums­ver­letzung gesprochen werden. Eine mit dem bloßen Auge erkennbare, optisch ins Gewicht fallende Verschmutzung habe nicht vorgelegen. Dies decke sich auch mit einer Entscheidung des VGH Baden-Württembergs (Urt. v. 11.11.1993, Az.: 5 S 2352/92). Danach seien die durch einen Reinigungsflug entstehenden Verschmutzungen allenfalls als eine Unannehm­lichkeit anzusehen.

Quelle: Landgericht Dessau-Roßlau, ra-online (vt/rb)

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil15008

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI