Dokument-Nr. 15008
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- NJW-RR 2013, 87Zeitschrift: NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR), Jahrgang: 2013, Seite: 87
- Amtsgericht Bitterfeld-Wolfen, Urteil22.12.2011, 7 C 814/11
Landgericht Dessau-Roßlau Urteil10.05.2012
Kein Schadenersatzanspruch gegen Imker aufgrund der Tierhalterhaftung für durch Reinigungsflug der Bienen mit Bienenkot verdrecktes GrundstückNachbar hat Bienenüberflug zu dulden
Kommt es im Rahmen des alljährlichen Reinigungsfluges der Bienen im Frühjahr zu einer Verschmutzung eines Grundstücks mit Bienenkot, so begründet dies für den Grundstücksinhaber keinen Schadenersatzanspruch gegen den Imker. Der Grundstücksbesitzer hat den Bienenüberflug zu dulden. Dies geht aus einer Entscheidung des Landgerichts Dessau-Roßlau hervor.
In dem zugrunde liegenden Fall verlangte der Inhaber eines Grundstücks von seinem Nachbarn Schadenersatz wegen einer entstandenen Verschmutzung seines Grundstücks mit Bienenkot. Der Nachbar war Imker und hielt seit vier Jahren 16 Bienenvölker. Die Bienen führten alljährlich im Frühjahr einen Reinigungsflug aus. Dabei überflogen sie im Frühjahr 2011 das Grundstück des Geschädigten und verschmutzten es. Der Grundstücksbesitzer behauptete, dem Nachbarn wäre es möglich und zumutbar gewesen, die Bienenstöcke vor dem Ausfliegen vom Grundstück ins freie Feld oder an den nahegelegenen Waldrand zu verbringen. Damit hätte ein Überflug der Bienen über sein Grundstück verhindert werden können. Das Amtsgericht Bitterfeld-Wolfen wies die Klage des Grundstücksbesitzers ab. Dagegen richtete sich seine Berufung.
Schadenersatzanspruch aus Tierhalterhaftung bestand nicht
Das Landgericht Dessau-Roßlau entschied gegen den Grundstücksbesitzer. Diesem habe kein Anspruch auf Schadenersatz wegen einer Tierhalterhaftung des Imkers aus § 833 BGB zugestanden. Denn die Vorschrift erfasse nur solche Schäden, die durch die spezifische Tiergefahr hervorgerufen werden. Die Schäden müssen auf einem Verhalten der Tiere beruhen, das von keinem vernünftigen Wollen geleitet wird sowie willkürlich und unberechenbar ist. Das Verhalten müsse sich als Ausdruck der gefährlichen tierischen Natur darstellen. Artspezifische Verhaltensweisen der Tiere fallen darunter nicht. Der Reinigungsflug der Bienen habe ein solch artspezifisches Verhalten dargestellt. Somit seien die hier entstandenen Schäden nicht vom Schutzzweck des § 833 BGB erfasst worden.
Einwirkung war nicht rechtswidrig
Des Weiteren sei der Grundstücksinhaber nach Ansicht des Landgerichts verpflichtet gewesen den Bienenüberflug gemäß § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB zu dulden. Aus dieser Duldungspflicht sei zu folgern gewesen, dass die Einwirkung nicht rechtswidrig war.
Reinigungsflug der Bienen unkontrollierbar und unbeherrschbar
§ 906 BGB unterfallen solche Einwirkungen, die in ihrer Ausbreitung weitgehend unkontrollierbar und unbeherrschbar seien, so das Landgericht weiter. Dies treffe auf den Reinigungsflug der Bienen zu. Der Zeitpunkt des Fluges sei nämlich nicht "fix", sondern witterungsabhängig. In Einzelfällen könne es vorkommen, dass die Bienen schon bei milderen Wintertemperaturen ihren Reinigungsflug durchführen. Daher lasse sich der Zeitpunkt des Reinigungsfluges nicht eingrenzen oder punktgenau bestimmen, so dass ein Verbringen der Bienenstöcke ins freie Feld oder in den nahegelegenen Waldrand, um einen Überflug über das Grundstück zu verhindern, nicht möglich gewesen sei. Zudem könne die Zielrichtung des Fluges nicht kontrolliert werden und damit nicht ausgeschlossen werden, dass das Grundstück des Geschädigten nicht dennoch überflogen werde. Denn die Bienen fliegen nicht nur in eine einzige Richtung.
Beeinträchtigungen waren unwesentlich
Nach Ansicht des Landgerichts seien die Beeinträchtigungen zudem unwesentlich gewesen. Denn es sei zu berücksichtigen gewesen, dass die Verschmutzung bisher nur einmal aufgetreten war und der Nachbar, unter Zugrundelegung des ländlichen Charakters der Umgebung, eine überschaubare und ortsübliche Bienenhaltung betrieb. Schließlich konnte auch nicht in Anbetracht der Größe des Bienenkotes von einer massiven und gewichtigen Eigentumsverletzung gesprochen werden. Eine mit dem bloßen Auge erkennbare, optisch ins Gewicht fallende Verschmutzung habe nicht vorgelegen. Dies decke sich auch mit einer Entscheidung des VGH Baden-Württembergs (Urt. v. 11.11.1993, Az.: 5 S 2352/92). Danach seien die durch einen Reinigungsflug entstehenden Verschmutzungen allenfalls als eine Unannehmlichkeit anzusehen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 14.01.2013
Quelle: Landgericht Dessau-Roßlau, ra-online (vt/rb)
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