23.11.2024
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Landesverfassungsgericht Brandenburg Beschluss21.09.2012

"Altanschließer" dürfen zu Abwas­ser­an­schluss­bei­trägen herangezogen werdenAufteilung der Kosten für die Herstellung zentraler Schmutz­was­se­rent­sor­gungs­anlagen auf alle erschlossenen Grundstücke eines Verbandsgebiets zulässig

Die Praxis, dass so genannte Altanschließer zu Abwas­ser­an­schluss­bei­trägen herangezogen werden, verstößt nicht gegen Grundrechte der Landes­ver­fassung. Eine Differenzierung nach dem Zeitpunkt, zu dem ein Grundstück an eine öffentliche Abwas­se­r­ent­sor­gungs­ein­richtung angeschlossen worden ist, verlangt die Landes­ver­fassung nicht. Die Kosten, die nach der Wende für die Herstellung einer zentralen Schmutz­was­se­rent­sor­gungs­anlage entstanden sind, dürfen somit weiterhin auf alle erschlossenen Grundstücke im Verbandsgebiet aufgeteilt werden. Dies entschied das Landes­ver­fas­sungs­gericht Brandenburg.

Im zugrunde liegenden Fall verlangte der Zweckverband Wasser­ver­sorgung und Abwas­se­r­ent­sorgung Fürstenwalde und Umland im Januar 2005 von einem Grund­s­tücks­ei­gentümer einen Herstel­lungs­beitrag für die Abwas­se­r­ent­sorgung in Höhe von 1.351,40 Euro. Die hiergegen erhobene Klage blieb erfolglos. Im Herbst 2011 erhob der Eigentümer Verfas­sungs­be­schwerde und machte geltend, dass sein Grundstück bereits zu DDR-Zeiten über einen Abwasseranschluss verfügt habe. Außerdem seien etwaige Forderungen bereits lange verjährt gewesen. Erst eine Geset­ze­s­än­derung habe ab dem 1. Februar 2004 die Beitrags­er­hebung wieder ermöglicht.

Verfas­sungs­gericht verneint unzulässigen Grund­recht­s­eingriff

Die Verfas­sungs­be­schwerde blieb jedoch vor dem Landes­ver­fas­sungs­gericht Brandenburg erfolglos. Die Inanspruchnahme von Eigentümern altan­ge­schlossener Grundstücke stelle keinen unzulässigen Grund­recht­s­eingriff dar. Wenn allein die Kosten umgelegt würden, die nach dem Beitritt entstanden seien („Nachwend­ein­ves­ti­tionen“), verstoße die Erhebung von Herstel­lungs­bei­trägen nicht gegen den Grundsatz des Vertrau­ens­schutzes. Dass die Verwal­tungs­ge­richte angenommen hätten, der Beitrag werde für die Herstellung der gesamten Anlage erhoben und diene nicht isoliert dem Ersatz des jeweiligen Grund­s­tücks­an­schlusses, sei von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Weil alle in Anspruch genommenen Grund­s­tücks­ei­gentümer an diese neue Gesamtanlage angeschlossen worden seien, sei der Begriff „Altanschließer“ ohnehin unscharf. Allen Grund­s­tücks­ei­gen­tümern komme gleichermaßen zugute, dass sie erstmals eine gesicherte Anschluss­mög­lichkeit an eine kommunale Abwas­se­r­ent­sor­gungs­anlage hätten. Spätestens seit dem 3. Oktober 1990 sei damit zu rechnen gewesen, dass Grund­s­tücks­ei­gentümer für künftige Investitionen in neue Kläranlagen, Leitungsnetze, Pumpwerke, Sammelbecken usw. herangezogen werden können.

Verstoß gegen Rückwir­kungs­verbot der Landes­ver­fassung nicht feststellbar

Das Landes­ver­fas­sungs­gericht hat auch einen Verstoß gegen das aus dem Rechts­s­taats­prinzip folgende Rückwir­kungs­verbot der Landes­ver­fassung nicht feststellen können. Zwar wäre bis zum 1. Februar 2004 aufgrund der Rechtsprechung des Oberver­wal­tungs­ge­richts für das Land Brandenburg zur alten Fassung des § 8 Abs. 7 Satz 2 Kommu­na­l­ab­ga­ben­gesetz (KAG) eine Beitrags­for­derung gegen den Beschwer­de­führer wohl nicht durchsetzbar gewesen; die Neufassung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG zum 1. Februar 2004 habe deshalb in gewisser Hinsicht rückwirkenden Charakter. Da es vor Ort aber vor der Geset­ze­s­än­derung niemals eine solche Satzung gegeben habe, hätten Beiträge generell und damit auch von dem Beschwer­de­führer nicht erhoben werden können; zu einer Verjährung sei es folglich ebenfalls nicht gekommen. Der Beschwer­de­führer sei deshalb nicht davor geschützt gewesen, dass sich die Rechtslage zu seinem Nachteil ändern könne. Unter diesen Umständen bestünden keine durchgreifenden verfas­sungs­recht­lichen Bedenken dagegen, dass die Fachgerichte angenommen hätten, wegen der neuen Gesetzeslage beginne die Verjährung erst bei Erlass der ersten wirksamen Satzung.

Vorhandenen Altanschlüsse müssen in Gesamt­ka­l­ku­lation der Beitrags­er­hebung einfließen

Die Trink­was­ser­ver­sorgung und Abwas­se­r­ent­sorgung wird in Brandenburg in der Regel von Zweckverbänden oder von Städten und Gemeinden durchgeführt, die dabei das Kommu­na­l­ab­ga­ben­gesetz anwenden. Nach der Rechtsprechung des Oberver­wal­tungs­ge­richts Berlin-Brandenburg müssen die vorhandenen Altanschlüsse in die Gesamt­ka­l­ku­lation einfließen, anschließend müssen von allen angeschlossenen Grund­s­tücks­ei­gen­tümern Herstel­lungs­beiträge verlangt werden. Andernfalls könnten sich die „Neuanschließer“ darauf berufen, dass sie zu hohe Beiträge zahlten, weil die Kalkulation der Beiträge wegen der fehlenden Berück­sich­tigung der Altanschließer fehlerhaft sei. Würden die Grundstücke der Altanschließer zwar in die Kalkulation einfließen, nachfolgend aber von den Altanschließern keine Beiträge verlangt, ginge dies zu Lasten der Haushalte der Städte und Gemeinden, die für fehlende Einnahmen der Zweckverbände einstehen müssten (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Gesetz über kommunale Gemein­schafts­arbeit im Land Brandenburg).

Quelle: Landesverfassungsgericht Brandenburg/ra-online

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