21.11.2024
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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil11.03.2010

VGH Baden-Württemberg: Abwassergebühr für Schmutz- und Nieder­schlags­wasser darf nicht allein nach Wasserverbrauch berechnet werdenFrisch­was­ser­ver­brauch und Nieder­schlags­was­sermenge stehen in heutigen Haushalten nicht in annähernd vergleichbaren Relation

Gemeinden dürfen bei der Berechnung der Abwas­ser­ge­bühren sowohl für die Ableitung von Schmutz- als auch von Nieder­schlags­wasser nicht den so genannten (einheitlichen) Frisch­was­ser­maßstab zugrunde legen. Das hat der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg entschieden.

Die beklagte Gemeinde sieht in ihrer Abwassersatzung – wie in kleineren Gemeinden in Baden-Württemberg bislang üblich – vor, dass die Abwassergebühr für die Ableitung von Schmutz- und Niederschlagswasser nach der Abwassermenge bemessen wird, die auf den an die öffentlichen Abwasseranlagen angeschlossenen Grundstücken anfällt. Dabei gilt als angefallene Abwassermenge der für das Grundstück ermittelte Wasserverbrauch. Gegen einen auf dieser Grundlage erlassenen Gebüh­ren­be­scheid wandte sich der Kläger, weil auch bei kleineren Gemeinden mit einer relativ homogenen Siedlungs­struktur der Frisch­was­serbezug einen Rückschluss auf die Menge des eingeleiteten Nieder­schlags­wassers nicht zulasse. Das Verwal­tungs­gericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte nun Erfolg.

Verstoß gegen den Gleichheitssatz

Nach Auffassung des Verwal­tungs­ge­richthofs verstößt die Erhebung einer nach dem Frisch­was­ser­maßstab berechneten einheitlichen Abwassergebühr für die Schmutz- und Nieder­schlags­was­se­rent­sorgung auch bei kleineren Gemeinden gegen den Gleichheitssatz sowie das Äquiva­lenz­prinzip. An seiner bisherigen abweichenden Rechtsprechung hält der Verwal­tungs­ge­richtshof nicht mehr fest.

Frisch­was­sermenge lässt keine Rückschlüsse auf Nieder­schlags­was­sermenge des Grundstücks zu

Der einheitliche Frisch­was­ser­maßstab beruht, so der Verwal­tungs­ge­richtshof, auf der Annahme, dass die auf einem Grundstück bezogene Frisch­was­sermenge im Regelfall in einem ungefähr gleichen Verhältnis zur Menge des anfallenden Abwassers steht. Diese Annahme treffe beim Schmutzwasser zu, weil die Menge des Frischwassers jedenfalls typischerweise weitgehend der in die Kanalisation eingeleiteten Abwassermenge entspreche. Beim Nieder­schlags­wasser gebe es einen solchen Zusammenhang aber zumindest im Regelfall nicht. Der Frisch­was­ser­ver­brauch lasse nämlich keinen verlässlichen Rückschluss darauf zu, wie viel Nieder­schlags­wasser von dem betreffenden Grundstück in die öffentliche Abwasseranlage gelange. Der Frisch­was­ser­ver­brauch sei regelmäßig bei Wohnbebauung personen- und bei Gewer­be­grund­s­tücken produk­ti­o­ns­ab­hängig, während die Menge des eingeleiteten Nieder­schlags­wassers im Wesentlichen durch die Größe der versiegelten Grund­s­tücks­flächen bestimmt werde.

Berechnung nach Frisch­was­ser­ver­brauch würde Familien gegenüber Einzel­haus­halten benachteiligen

Selbst bei Einfa­mi­li­en­h­aus­grund­s­tücken sei der Frisch­was­ser­maßstab kein tauglicher Wahrschein­lich­keits­maßstab. Denn nach allgemeiner Lebenserfahrung wiesen auch diese eine derart uneinheitliche Haushaltsgröße und daraus folgend einen derart unter­schied­lichen Wasserverbrauch auf, dass - unter den hiesigen modernen Lebens­ver­hält­nissen - nicht mehr von einer annähernd vergleichbaren Relation zwischen Frisch­was­ser­ver­brauch und Nieder­schlags­was­sermenge ausgegangen werden könne. Die Streuung der Haushaltsgrößen und der damit einhergehende stark unter­schiedliche Frisch­was­ser­ver­brauch würde bereits im Bereich der Einfa­mi­li­en­häuser dazu führen, dass etwa Familien mit Kindern gegenüber Einzelpersonen/Kleinhaushalten zu erheblich höheren Gebühren herangezogen würden, obwohl die zu beseitigende Nieder­schlags­was­sermenge in etwa gleich sei.

Gemeinden müssen unter­schiedliche Gebüh­ren­maßstäbe erheben

Da der Anteil der Kosten für die Entsorgung des Nieder­schlags­wassers an den Gesamtkosten der Abwas­ser­be­sei­tigung auch nicht als geringfügig anzusehen sei, müsse die Gemeinde nun statt einer einheitlichen Abwassergebühr eine Schmutzwasser- und eine Nieder­schlags­was­ser­gebühr mit unter­schied­lichen Gebüh­ren­maß­stäben (so genannte gesplittete Abwassergebühr) erheben.

Quelle: ra-online, VGH Baden-Württemberg

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