25.11.2024
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Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Urteil03.04.2014

Mietobergrenzen für SGB II-Bezieher im Landkreis Heidekreis rechtswidrigKonzept zur Ermittlung von angemessenen Unter­kunfts­kosten untauglich

Das Landes­so­zi­al­gericht Niedersachsen-Bremen hat entschieden, dass das vom Landkreis Heidekreis angewendete Konzept zur Ermittlung von angemessenen Unter­kunfts­kosten untauglich ist und die dort festgelegten Mietobergrenzen zu niedrig sind.

Der Entscheidung lag der Fall einer vierköpfigen Familie zugrunde, die für ein Haus mit einer Wohnfläche von ca. 90 qm in Schneverdingen monatlich 513 Euro Miete (460 Euro Kaltmiete und 53 Euro Nebenkosten) aufwendet. Die Gemeinde gewährt Grund­si­che­rungs­leis­tungen und begrenzt die erstat­tungs­fähigen Kosten für die Unterkunft (ohne Heizkosten) auf 489 Euro. Diese Mietobergrenze ergibt sich aus einem vom Landkreis Heidekreis entwickelten Vergleich zwischen Angebots- und Bestandsmieten. Auf der Angebotsseite wurden die Anzeigen örtlicher Zeitungen seit 2003 zusam­men­ge­stellt und auf dieser Basis der teuerste Quadrat­me­terpreis im unteren Drittel der Wohnungs­an­gebote (33 %) ermittelt. Diese Angebotsmieten wurden mit dem Mittelwert (Median) der so genannten Bestandsmieten, ermittelt auf der Grundlage der Wohnkosten aller Bezieher von Grund­si­che­rungs­leis­tungen, als Kontrollwert verglichen.

Vom Landkreis verwendete Methodik ist weit entfernt von den vom BSG festgelegten Anforderungen an ein schlüssiges Konzept zur Koste­n­er­mittlung

Das Landes­so­zi­al­gericht Niedersachsen-Bremen hat den Landkreis zur vollständigen Übernahme der Bruttokaltmiete verpflichtet. In Ermangelung eines schlüssigen Konzepts zur Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten seien in Anlehnung an die Tabellenwerte des Wohngeld­ge­setzes bei einem Vier-Personen-Haushalt (Mietstufe 2 + Zuschlag von 10 %) Mietauf­wen­dungen ohne Heizung bis zu einem Maximalbetrag von 575,30 Euro monatlich zu übernehmen. In der Urteils­be­gründung führte das Gericht aus, dass die vom Landkreis verwendete Methodik und vor allem die erhobenen Daten weit entfernt von den Anforderungen sein, die das Bundes­so­zi­al­gericht an ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft nach § 22 SGB II stelle.

Bei der Bestimmung maßgeblicher Angemes­sen­heits­grenzen ist qualitative Selektion der Mietdaten durch kommunalen Träger vorzunehmen

Der Landkreis Heidekreis und die von diesem vorgelegte gutachterliche Stellungnahme verkennen schon den sozia­l­recht­lichen Ansatz eines schlüssigen Konzeptes. Anders als die frühere Rechtsprechung der Verwal­tungs­ge­richte zum Bundes­so­zi­a­l­hil­fe­gesetz, die für die Angemes­sen­heits­prüfung nur eine bestimmte verfügbare Anzahl von Wohnungen zu einem bestimmten Mietzins verlangten, was möglicherweise durch Zeitungs­an­noncen belegt werden konnte, sei bei der Bestimmung der nach § 22 SGB II maßgeblichen Angemes­sen­heits­grenzen eine qualitative Selektion der Mietdaten durch den kommunalen Träger vorzunehmen, weil nicht allein auf der Basis der Höhe der Miete (Marktpreis) ermittelt werden könne, was einem SGB II-Bezieher als angemessene Wohnung zuzugestehen sei. Bis zu welcher Mietobergrenze Wohnungen im Sinne des SGB II angemessen seien, hänge in erster Linie von dem für eine Wohnung mit einfachem Standard aufzuwendenden Mietzins ab, der sich maßgeblich an Ausstattung, Beschaffenheit und Lage orientiere; maßgeblich sei nicht, wie viele Wohnungen zu der vom Grund­si­che­rungs­träger ermittelten Grenze vorhanden seien.

Definition des einfachen Wohnungs­standard allein anhand des Quadrat­me­ter­preises nicht ausreichend

Nach Auffassung des Landes­so­zi­al­ge­richts wäre es erforderlich gewesen, dass der Landkreis zunächst den Wohnungs­standard definiere, der nach seiner Auffassung im Vergleichs­zeitraum einer einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügenden Unterkunft entspreche. Es genüge nicht, den einfachen Wohnungs­standard allein anhand des Quadrat­me­ter­preises zu definieren. Denn der für Wohnungen einfachen Standards aufzuwendende Quadrat­me­terpreis solle erst das Endergebnis der Ermittlungen sein. Ohne vorherige inhaltliche Unterscheidung könne der Quadrat­me­terpreis je nach Wohnlage einen unter­schied­lichen Standard der Wohnung abdecken. Die nicht nach Kriterien zur Bestimmungen des einfachen Wohnungs­standards aufbereitete Datensammlung aus Zeitungs­in­seraten gewährleiste wegen der fehlenden Definition nicht die Nachprüfbarkeit einer gleichmäßigen Durchmischung mit Wohnobjekten des einfachen, mittleren und gehobenen Wohnungs­standards. Diese gleichmäßige Durchmischung wäre allerdings Voraussetzung, wenn die Annahme des Landkreises Heidekreis zutreffend sein sollte, dass der einfache Standard bei einer Obergrenze von 33 % der ermittelten Durch­schnittswerte anzusetzen sei.

Allein aus Zeitungs­an­geboten entwickeltes Markt­preis­modell zur Ermittlung von angemessenen Unter­kunfts­kosten unbrauchbar

Das Landes­so­zi­al­gericht sieht daher die vom Landkreis festgesetzten Kappungsgrenzen (33 % bei den Zeitungs­an­geboten und Median bei den Bestandsmieten) als willkürlich gesetzt an. Eine tragende Begründung für diese Grenzen sei nicht ersichtlich. Es würden ausschließlich fiskalische Interessen der Behörde berücksichtigt. Wegen der fehlenden vorherigen Beschreibung des einfachen Standards seien diese Grenzen nicht geeignet, das soziokulturelle Existenzminimum beim Grundbedürfnis Wohnen nachvollziehbar abzubilden. Besonders bedenklich erscheine diese Vorgehensweise bei den Bestandsmieten allein aus den Kosten der Bezieher von Grund­si­che­rungs­leis­tungen deshalb, weil diese Personengruppe auf dem Wohnungsmarkt mit weiteren Haushalten mit unter­durch­schnitt­lichem Einkommen (Studenten, Rentner, Erwerbstätige mit geringen Löhnen usw.) konkurriere. Spätestens nach der Erkenntnis, dass nach den eigenen Mietobergrenzen 29,9 % der SGB II-Leistungs­be­zieher in unangemessenen Wohnungen leben, hätten sich den Verant­wort­lichen beim Landkreis Heidekreis Zweifel über diese Vorgehensweise eines Grund­si­che­rungs­trägers aufdrängen müssen. Schließlich führte das Gericht aus, dass ein allein aus Zeitungs­an­geboten entwickeltes Markt­preis­modell zur Ermittlung von angemessenen Unter­kunfts­kosten unbrauchbar sei. Eine Nachbesserung sei daher nicht möglich. Die strukturellen Schwächen könnten nur durch eine Neuerhebung auf der Grundlage eines neuen Konzeptes beseitigt werden.

Quelle: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen/ra-online

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