18.10.2024
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Dokument-Nr. 23988

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Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil24.02.2017

Arbeits­lo­sigkeit nach Ende der Altersteilzeit kann zu Sperrzeit führenHinaus­ge­schobene Renten­antrag­stellung rechtfertigt keinen unein­ge­schränkten Bezug von Arbeits­lo­sengeld

Wer sich nach dem Ende der Altersteilzeit arbeitslos meldet, muss mit einer Sperrzeit rechnen. Eine wegen der 2014 eingeführten abschlagsfreien Altersrente mit 63 für besonders langjährig Versicherte hinaus­ge­schobene Renten­antrag­stellung rechtfertigt keinen unein­ge­schränkten Bezug von Arbeits­lo­sengeld. Dies geht aus einer Entscheidung das Landes­sozial­gerichts Baden-Württemberg hervor.

Die 1954 geborene Versicherte des zugrunde liegenden Rechtsstreits erhielt im Herbst 2006 von der Renten­ver­si­cherung die Auskunft, ihr frühest­mög­licher Rentenbeginn sei der 1. Juni 2016, verbunden mit einem Abschlag von 10,8 %. Sie vereinbarte darauf im November 2006 mit ihrem Arbeitgeber Altersteilzeit im Blockmodell (Ende der Freistel­lungsphase 31. Mai 2016), um anschließend Altersrente in Anspruch zu nehmen.

Klägerin md meldet sich zum Ende der Freistel­lungsphase arbeitslos und beantragt Arbeits­lo­sengeld

Nachdem der Gesetzgeber zum 1. Juli 2014 die abschlagsfreie "Rente mit 63" (Altersrente für besonders langjährig Versicherte) eingeführt und die Klägerin, die bereits mehr als 45 Jahre gearbeitet hatte, hiervon erfuhr, änderte sie ihren Entschluss und meldete sich zum Ende der Freistel­lungsphase arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld ab dem 1. Juni 2016. Der beklagten Bundesagentur für Arbeit teilte sie mit, sie könne ab dem 1. Oktober 2017 abschlagsfrei in Altersrente gehen. Dies sei bei Abschluss der Altersteilzeit nicht absehbar gewesen.

Bundesagentur verhängt Sperrezeit wegen selbst herbei geführter Arbeits­lo­sigkeit

Die Bundesagentur für Arbeit stellte eine Sperrzeit von 12 Wochen fest und bewilligte Arbeits­lo­sengeld erst ab dem 23. August 2016. Die Versicherte habe selbst die Beschäf­ti­gungs­lo­sigkeit herbeigeführt ohne hierfür einen wichtigen Grund zu haben. Widerspruch und Klage hiergegen blieben erfolglos.

Verschiebung des Rentenbeginns und eingetretene Arbeits­lo­sigkeit sind von Klägerin selbst zu vertreten

Auch das Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg gab der Bundesagentur für Arbeit Recht. Die Klägerin hat selbst die Beschäf­ti­gungs­lo­sigkeit herbeigeführt. Zwar hatte sie zum damaligen Zeitpunkt der Alters­teil­zeit­ver­ein­barung einen wichtigen Grund für die geplante Arbeitsaufgabe, da sie nach dem Ende der Freistel­lungsphase nahtlos in den Rentenbezug wechseln wollte. Sie hat sich aber umentschieden, weshalb der wichtige Grund entfiel. Die Verschiebung des Rentenbeginns um 15 Monate und die eingetretene Arbeits­lo­sigkeit hat sie selbst zu vertreten. Die Versi­cher­ten­ge­mein­schaft (die Beitragszahler) haben für solche Versi­che­rungsfälle, die der Betreffende selbst herbeiführt, nicht in vollem Umfang einzustehen, weshalb die Sperrzeit gerechtfertigt ist.

Hintergrund:

Die Frage, ob sich ein Arbeitsloser auf einen wichtigen Grund berufen kann, der bei Abschluss des Alters­teil­zeit­vertrags endgültig aus dem Erwerbsleben ausscheiden wollte, diesen Entschluss dann aber im Hinblick auf die 2014 durch das RV-Leistungs­ver­bes­se­rungs­gesetz geschaffene Möglichkeit ändert, um zu einem späteren Zeitpunkt eine abschlagsfreie Altersrente mit 63 in Anspruch zu nehmen, ist derzeit in der Rechtsprechung der Sozialgerichte und der Landes­so­zi­al­ge­richte umstritten und betrifft eine Vielzahl von Fällen. So haben z.B. die Sozialgerichte in Karlsruhe, Speyer, Kassel und Marburg sowie das Landes­so­zi­al­gericht Berlin-Brandenburg den betreffenden Personen einen fortbestehenden wichtigen Grund zugebilligt, während die Landes­so­zi­al­ge­richte in Rheinland-Pfalz, und Baden-Württemberg diesen verneint haben. Vor diesem Hintergrund hat das Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg die Revision zum Bundes­so­zi­al­gericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Sozial­ge­setzbuch Drittes Buch – Arbeits­lo­sen­ver­si­cherung - (SGB III)

Erläuterungen

§ 159 Absatz 1 SGB III

Hat die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer sich versi­che­rungs­widrig verhalten, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben, ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit. Versi­che­rungs­widriges Verhalten liegt vor, wenn

1. die oder der Arbeitslose das Beschäf­ti­gungs­ver­hältnis gelöst [...] und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeits­lo­sigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe). [...]

Die Person, die sich versi­che­rungs­widrig verhalten hat, hat die für die Beurteilung eines wichtigen Grundes maßgebenden Tatsachen darzulegen und nachzuweisen, wenn diese Tatsachen in ihrer Sphäre oder in ihrem Verant­wor­tungs­bereich liegen.

Quelle: Landessozialgericht Baden-Württemberg/ra-online

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