21.11.2024
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Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil23.03.2017

Hartz-IV-Empfängerin darf Vermögen nicht "für schlechte Zeiten" verheimlichenVorhandenes Vermögen schließt Hilfe­be­dürf­tigkeit und Anspruch auf Grund­sicherungs­leistungen aus

Wer über Vermögen verfügt, das die relevanten Freibeträge der Grundsicherung für Arbeitsuchende übersteigt, muss dieses angeben und vorrangig zur Sicherung des Lebens­un­terhalts verwenden. Wer relevantes Vermögen verheimlicht, muss damit rechnen, dass das Jobcenter nachträglich die Leistungen zurückverlangt. Dies entschied das Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg.

Die heute 39jährige Klägerin des zugrunde liegenden Streitfalls ist gelernte hauswirt­schafts­tech­nische Helferin. Ende 2004 wohnte sie noch mietfrei zu Hause bei den Eltern, war arbeitslos und beantragte Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ("Hartz IV"). Dabei gab sie lediglich ein Girokonto mit ca. 1.100 Euro Guthaben an. Hinsichtlich der Frage, ob sie über relevantes Vermögen über dem Freibetrag (damals für die Klägerin 4.850 Euro) verfüge, war im Formular zunächst das Feld "ja" angekreuzt, danach jedoch das Kästchen wieder gestrichen und das Kreuzchen bei "nein" gemacht. Das Jobcenter bewilligte ihr Grund­si­che­rungs­leis­tungen ab Januar 2005. Bei mehreren Folgeanträgen gab die Klägerin jedes Mal an, über kein relevantes Vermögen zu verfügen.

Klägerin verfügt über Vermögen von rund 24.000 Euro

Im Dezember 2007 erhielt das Jobcenter über einen automatisierten Datenabgleich vom Bundes­zen­tralamt für Steuern die Nachricht, dass die Klägerin Einkünfte aus Kapitalvermögen habe. Es stellte sich heraus, dass die Klägerin auf zwei bislang unbekannten Konten über ein Vermögen von rund 24.000 Euro verfügte. Das Jobcenter stellte daraufhin die Leistungen ein und verlangte sämtliche seit Anfang 2005 gezahlten Leistungen (rund 12.000 Euro) und auch die für die Klägerin geleisteten Beiträge zur Kranken- und Pflege­ver­si­cherung (rund 4.500 Euro) zurück.

Klägerin erhielt Geld vom Vater für "schlechte Zeiten" und Notfälle

Widerspruch und Klage blieben erfolglos. Die Klägerin und ihr Vater machten geltend, dass die 24.000 Euro auf den Konten im Wesentlichen aus einer Erbschaft stammten; der Vater habe ihr das Geld für schlechte Zeiten und Notfälle gegeben. Nachdem das Jobcenter das Geld zurückverlangte, habe sie alles im Jahr 2008 ausgegeben, u.a. habe sie Möbel und einen VW Golf gekauft. Die Klägerin weigerte sich außerdem, den Gerichten eine Entbin­dungs­er­klärung vom Bankgeheimnis unter Angabe sämtlicher in der Vergangenheit und jetzt noch vorhandenen Bankkonten auszustellen.

Arbeits­lo­sigkeit ist als "schlechte Zeiten" zu werten

Das Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg gab ebenfalls dem Jobcenter Recht. Die Klägerin hätte das Vermögen immer angeben müssen. Sie war nicht hilfebedürftig, weshalb ihr keine Hartz IV-Leistungen zugestanden haben. Ein Härtefall liege nicht vor. Nachdem sie selbst erklärt habe, dass ihr das Vermögen vom Vater "für schlechte Zeiten" überlassen worden sei, hätte sie es zum Bestreiten des Lebens­un­terhalts in den "schlechten Zeiten" ab Januar 2005 verwenden müssen. Das müsse auch ihr klar gewesen sein, so das Gericht. Zwar müsse an sich das Jobcenter bei einer nachträglichen Aufhebung und Rückforderung von Leistungen beweisen, dass die Leistungen zu Unrecht ausgezahlt worden sind. Dies gelte aber nicht, wenn bei der Antragstellung Sparguthaben verheimlicht wurden mit der Folge der Erschwerung der Aufklärung in späteren Jahren oder wenn vollständige Konten­be­we­gungen nicht zugänglich gemacht wurden mit der Folge der Unmöglichkeit einer Plausi­bi­li­täts­prüfung. Dies gehe zu Lasten eines Leistungs­emp­fängers, entschied das Gericht.

Sozial­ge­setzbuch (SGB) II – Grundsicherung für Arbeitsuchende

§ 7 Absatz 1 Satz 1 SGB II

Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7 a noch nicht erreicht haben,

2. erwerbsfähig sind,

3. hilfebedürftig sind und

4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungs­be­rechtigte).

§ 9 Absatz 1 SGB II

Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berück­sich­ti­genden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozia­l­leis­tungen, erhält.

Quelle: Landessozialgericht Baden-Württemberg/ra-online

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