21.11.2024
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Bundessozialgericht Urteil12.10.2016

Hartz IV: Zu großes Haus muss als verwertbares Vermögen verkauft werdenKein Anspruch auf Umwandlung darlehensweise gewährter Leistungen in Zuschuss mangels Bedürftigkeit

Das Bundes­so­zi­al­gericht hat entschieden, dass Bezieher von Leistungen nach dem SGB II (Hartz IV) dazu verpflichtet sein können, ihr selbst genutztes Eigenheim als verwertbares Vermögen zu verkaufen. Dies gilt beispielsweise dann, wenn das Haus im Verhältnis zu der dort lebenden Anzahl an Personen zu groß ist.

Die klagenden Eheleute des zugrunde liegenden Verfahrens begehren für die Zeit vom 1. Dezember 2009 bis 30. April 2010 Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II als Zuschuss anstelle darlehensweise gewährter Leistungen. Im Streit ist insbesondere die Berück­sich­tigung von Vermögen. Die Kläger sind je zur Hälfte Eigentümer eines Hausgrundstücks mit einem von ihnen selbst 1996 erbauten Einfamilienhaus, dessen Wohnfläche 143,93 qm beträgt. Sie bezogen das Haus zunächst mit ihren vier Kindern, bewohnten es im streitbefangen Zeitraum aber nur noch zusammen mit dem jüngsten Sohn. Ihren Fortzah­lungs­antrag für die Zeit ab Dezember 2009 lehnte der Beklagte mit der Begründung ab, dass das selbstgenutzte Hausgrundstück bei dieser Größe als Vermögen zu berücksichtigen sei, und bewilligte statt dessen Leistungen nur darlehensweise.

LSG: Verwertung des Grundstücks stellt keine besondere Härte dar

Das Sozialgericht Aurich verurteilte den Beklagten verurteilt, den Klägern die Leistungen als Zuschuss zu gewähren, weil es sich bei dem bei Einzug angemessenem Hausgrundstück nach verfas­sungs­kon­former Auslegung des Gesetzes um Schonvermögen handele. Das Landes­so­zi­al­gericht Niedersachsen-Bremen änderte das Urteil des Sozialgerichts und wies die Klage im Wesentlichen ab. Das Hausgrundstück sei als Vermögen zu berücksichtigen, weil auf die Lebensumstände während des Bezugs der Leistungen der Grundsicherung abzustellen sei. Im streit­be­fangenen Zeitraum sei das Haus nur von drei Personen bewohnt worden. Darauf, dass es ursprünglich für eine sechsköpfige Familie erbaut wurde, komme es nicht an. Die Verwertung des Grundstücks stelle auch keine besondere Härte für die Kläger dar.

Wohnfläche des Hauses übersteigt Wohnflä­chen­grenze nicht unerheblich

Die Revision wurde vom Bundes­so­zi­al­gericht zurückgewiesen. Die Kläger haben mangels Bedürftigkeit keinen Anspruch auf Umwandlung der darlehensweise gewährten Leistungen in einen Zuschuss. Diesem Anspruch steht entgegen, dass ihr Hausgrundstück mit Einfamilienhaus wegen seiner Größe als Vermögen zu berücksichtigen ist. Nach § 12 Abs. 3 S 1 Nr. 4 SGB II gilt nur ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe als Schonvermögen; maßgebend für die Angemessenheit sind gemäß § 12 Abs. 3 S 2 SGB II die Lebensumstände während des Leistungs­bezuges. Für die Beurteilung der Angemessenheit ist die Gesamt­wohn­fläche des auf dem Grundstück errichteten Hauses maßgeblich. Diese ist bundes­ein­heitlich nach den Wohnflä­chen­grenzen des zum 1. Januar 2002 außer Kraft getretenen Zweiten Wohnungs­bau­ge­setzes (II. WoBauG) zu bestimmen, differenziert nach der Anzahl der Personen. Für Familienheime mit nur einer Wohnung, die von bis zu vier Personen bewohnt werden, sah das II. WobauG eine Wohnflä­chen­grenze von 130 qm vor. Diese Wohnflä­chen­grenze ist bei einer Belegung mit weniger als vier Personen um jeweils 20 qm pro Person zu reduzieren. Hiervon ausgehend beträgt die Wohnflä­chen­grenze einer angemessenen Wohnung im Fall der Kläger 110 qm, denn das Haus wurde im streit­be­fangenen Zeitraum nur von drei Personen bewohnt. Die Wohnfläche des Hauses von 143,39 qm übersteigt diese Grenze nicht unerheblich. Besondere Umstände, die eine Anpassung der Werte rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Nicht als normativer Anknüp­fungspunkt für eine Erhöhung der allgemeinen Angemes­sen­heits­grenze kann entgegen der Auffassung des Landes­so­zi­al­ge­richts § 82 Abs. 3 S 2 II. WoBauG herangezogen werden, wonach eine Verminderung der Personenzahl nach dem erstmaligen Bezug der Wohnung für die Beurteilung der angemessenen Wohnfläche von steuer­be­güns­tigten Wohnungen unschädlich ist.

Verwertung des Hause stellt keine besondere Härte dar

Die Verwertung des Grundstücks ist auch nicht offensichtlich unwirt­schaftlich. Zu Recht hat das Landes­so­zi­al­gericht auf der Grundlage seiner Feststellungen besondere Umstände verneint, wonach die Verwertung für die Kläger eine besondere Härte bedeuten würde. Soweit die Kläger meinen, der Beklagte hätte ein dem "Kosten­sen­kungs­ver­fahren" im Rahmen des § 22 Abs. 1 SGB II bei unangemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung entsprechendes Verfahren durchführen müssen, verkennen sie den Regelungs­zu­sam­menhang sowie den Sinn und Zweck des Kosten­sen­kungs­ver­fahrens.

Quelle: Bundessozialgericht/ra-online

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