21.11.2024
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Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil25.01.2012

Keine Kostenübernahme für Brust­ver­grö­ßerung bei TranssexuellenOperative Brust­ver­grö­ßerung stellt auch Transsexuellen keine notwendige Kranken­be­handlung dar

Die Krankenkasse muss Kosten für eine Brust­ver­grö­ßerung bei Transsexuellen dann nicht übernehmen, wenn zumindest ein geringes Brustwachstum durch eine Hormontherapie nachzuweisen ist und keine organischen Funkti­o­ns­de­fizite oder Beschwerden vorliegen. Grundsätzlich besteht nach geschlechts­an­glei­chenden Operationen und Behandlungen nur ein Anspruch auf eine deutliche Annäherung an den weiblichen Körper und nicht auf eine möglichst weitgehende Angleichung, erst recht nicht auf ein Idealbild weiblicher Brüste. Dies geht aus einer Entscheidung des Landes­so­zi­al­ge­richts Baden-Württemberg hervor.

Im zugrunde liegenden Fall wurde bei der Klägerin, anatomisch männlich geboren, 2008 nach Östro­gen­therapie eine geschlechts­an­glei­chende Operation durchgeführt. Die Kosten hierfür wie auch für die vorangegangene Therapie wurden von der beklagten Krankenkasse übernommen.

Krankenkasse lehnt Antrag auf Kostenübernahem für operative Brust­ver­grö­ßerung ab

Nach Zufuhr von Östrogenen hatte sich bei der Klägerin eine mäßige seitengleiche weibliche Brust entwickelt. Eine Steigerung der Östrogenzufuhr führte zu keinem weiteren Brustwachstum. Daraufhin hatte die Klägerin bei der Krankenkasse beantragt, die Kosten für eine operative Brustvergrößerung zu übernehmen, um den geschlechts­an­glei­chenden Eingriff zu vervoll­ständigen. Dies lehnte die Krankenkasse ab, da sich eine Brust entwickelt habe und ein krankhafter Befund nicht vorliege. Die Klägerin hat u.a. geltend gemacht, dass sie sich erst mit einer entsprechenden Brustausformung tatsächlich als Frau fühle und erheblich psychisch unter dem geringen Brustwachstum leide, wenn man zudem ihre Körpergröße berücksichtige.

Operationen zur Behandlung psychische Leiden an einem gesunden Körper stellten grundsätzlich keine notwendige Behandlung dar

Sowohl das Sozialgericht Freiburg als auch das Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg haben einen Anspruch auf Kostenübernahme durch die Krankenkasse abgelehnt. Beim geringen Brustwachstum der Klägerin handle es sich nicht um eine Krankheit, da weder organische Funkti­o­ns­de­fizite bzw. Beschwerden bestünden noch eine entstellende anatomische Abweichung vorliege. Soweit geltend gemacht werde, der operative Eingriff sei mittelbar zur Behebung einer seelischen Störung erforderlich, liege dafür die erforderliche Rechtfertigung nicht vor. Operationen am gesunden Körper, die psychische Leiden beeinflussen sollen, stellten grundsätzlich keine notwendige Behandlung dar.

Anspruch auf eine möglichst weitgehende Angleichung und Anpassung an ein Idealbild weiblicher Brüste besteht nicht

Abweichende Maßstäbe würden zwar bei Transsexualität gelten, da diese unter bestimmten Voraussetzungen im Sinne der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung als so genannte Regelwidrigkeit anzusehen sei und aufgrund dieser Sonderstellung grundsätzlich auch operative Eingriffe rechtfertigen könne. Allerdings sei der Behand­lungs­an­spruch auch insoweit auf eine deutliche körperliche Angleichung an das andere Geschlecht beschränkt. Diese könne durchaus einen operativen Brustaufbau bedeuten, wenn sich bei fehlender Brustanlage keine weiblichen Brüste gebildet haben und eine weitere Hormon­be­handlung keinen Erfolg verspreche. Dagegen sei die operative Brust­ver­grö­ßerung auch zur Behandlung eines besonders tiefgreifenden Trans­se­xu­a­lismus Mann-zu-Frau keine notwendige Kranken­be­handlung. Denn es bestehe nur ein Anspruch auf eine deutliche Annäherung an den weiblichen Körper und nicht auf eine möglichst weitgehende Angleichung und erst recht nicht auf ein Idealbild weiblicher Brüste. Insoweit würden für Transsexuelle Mann-zu-Frau keine anderen Maßstäbe als für genetische Frauen gelten, bei denen auch bei erheblichem psychischen Leidensdruck eine Brust­ver­grö­ßerung keinen Behand­lungs­an­spruch zu Lasten der Krankenkasse auslöse.

Sozial­ge­setzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Kranken­ver­si­cherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477)

§ 27 Kranken­be­handlung

(1) Versicherte haben Anspruch auf Kranken­be­handlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krank­heits­be­schwerden zu lindern.

Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechts­zu­ge­hö­rigkeit in besonderen Fällen- Trans­se­xu­el­len­gesetz

§ 8 Voraussetzungen

Erläuterungen

(1) Auf Antrag einer Person, die sich auf Grund ihrer transsexuellen Prägung nicht mehr dem in ihrem Geburtseintrag angegebenen, sondern dem anderen Geschlecht als zugehörig empfindet und die seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang steht, ihren Vorstellungen entsprechend zu leben, ist vom Gericht festzustellen, dass sie als dem anderen Geschlecht zugehörig anzusehen ist, wenn sie

1. die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 erfüllt,

2. (weggefallen)

3. dauernd fortpflan­zungs­unfähig ist und

4. sich einem ihre äußeren Geschlechts­merkmale verändernden operativen Eingriff unterzogen hat, durch den eine deutliche Annäherung an das Erschei­nungsbild des anderen Geschlechts erreicht worden ist.

Quelle: Landessozialgericht Baden-Württemberg/ra-online

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