18.10.2024
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Sie sehen eine Szene aus einem Krankenhaus, speziell mit einem OP-Saal und einem Arzt im Vordergrund.

Dokument-Nr. 26078

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Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil16.05.2018

Hörbehindertem steht Anspruch auf Kostenübernahme eines Telefon­klingel­senders gegen Kranken­ver­si­cherung zuGrundbedürfnis von Hörbehinderten nach Kommunikation umfasst passive Erreichbarkeit für Telefonkontakte

Einem Hörbehinderten steht ein Anspruch auf Kostenübernahme für einen Telefon­klingel­sender gegen die gesetzliche Kranken­ver­si­cherung zu. Denn das Grundbedürfnis von Hörbehinderten nach Kommunikation umfasst auch die passive Erreichbarkeit von Telefon­kon­takten. Dies hat das Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Dezember 2014 beantragte ein Mann, der beidseitig hochgradig schwerhörig war, bei seiner gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung unter anderem die Übernahme der Kosten eines Telefon­klin­gel­senders in Höhe von 139 EUR. Ein solcher Sender erkennt das Klingeln des Telefons und sendet ein Funksignal an alle angeschlossenen Empfänger, wie etwa an eine Blitzlampe. Die Kranken­ver­si­cherung lehnte die Kostenübernahme aber ab. Das Telefonieren gehöre ihrer Ansicht nach nicht zu den Grund­be­dürf­nissen des täglichen Lebens, deren Befriedigung die gesetzliche Kranken­ver­si­cherung sicherstellen müsse. Die Versicherung verwies daher auf den Sozia­l­hil­fe­träger. Dieser übernahm schließlich die Kosten, klagte aber gegen die Kranken­ver­si­cherung auf Kostenerstattung.

Sozialgericht gab Klage auf Koste­n­er­stattung statt

Das Sozialgericht Stuttgart gab der Klage auf Koste­n­er­stattung statt. Die gesetzliche Kranken­ver­si­cherung sei vorrangig leistungs­pflichtig gewesen. Der Telefonsender stelle ein Hilfsmittel dar, das die Schwerhörigkeit mittelbar ausgleichen solle. Hilfsmittel zum mittelbaren Behin­der­te­n­aus­gleich werden von der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung gewährt, wenn sie die Auswirkung der Behinderung im täglichen Leben beseitigen oder mildern und damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens beträfen. Zu diesen Grund­be­dürf­nissen gehören das selbstständige Kommunizieren mit anderen Menschen und damit die passive Erreichbarkeit für spontane Telefonanrufe. Gegen diese Entscheidung legte die Kranken­ver­si­cherung Berufung ein.

Landes­so­zi­al­gericht bejaht ebenfalls Anspruch auf Koste­n­er­stattung für Telefonsender

Das Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und wies daher die Berufung der Kranken­ver­si­cherung zurück. Es verwies darauf, dass das Grundbedürfnis des hörbehinderten Menschen nach Kommunikation mit anderen Menschen die passive Erreichbarkeit durch Menschen aus dem Bereich der Außenwelt für Besuche umfasse. Dies gelte auch für nicht angemeldete, spontane Besuche, so dass die Krankenkasse dem Hörbehinderten gegebenenfalls einen Türklin­gel­sender als Hilfsmittel gewähren müsse (vgl. BSG, Urt. v. 29.04.2010 - B 3 KR 5/09 R -).

Grundbedürfnis nach Kommunikation umfasst passive Erreichbarkeit für Telefonkontakte

Das Grundbedürfnis nach Kommunikation umfasse aber nach Ansicht des Landes­so­zi­al­ge­richts nicht nur die passive Erreichbarkeit für Besuchskontakte, sondern auch die passive Erreichbarkeit für Telefonkontakte als virtuelle Kontakte im Sinne des "Angeru­fen­wer­den­könnens". Im Übrigen habe das Bundes­so­zi­al­gericht im oben genannten Urteil das Läuten des Telefons bzw. dessen Umwandlung in optische Signale als Beispiel für einen mittelbaren Behin­der­te­n­aus­gleich durch die gesetzliche Kranken­ver­si­cherung angeführt.

Quelle: Landessozialgericht Baden-Württemberg, ra-online (vt/rb)

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