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Bundessozialgericht Urteil29.04.2010
BSG: Behinderter hat bei nahezu vorhandener Taubheit Anspruch auf LichtsignalanlageKrankenkasse muss Kosten für Hilfsmittel zum Ausgleich von Behinderung übernehmen
Versicherte, die wegen einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit die Klingel ihrer Wohnung auch mit den vorhandenen Hörgeräten nicht wahrnehmen können, haben grundsätzlich Anspruch auf Versorgung mit einer Lichtsignalanlage, durch die die akustischen Signale der Türklingel in optische Signale umgewandelt werden. Dies entschied das Bundessozialgericht.
Im zugrunde liegenden Fall beantragte die Klägerin, die wegen ihrer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit die Klingel ihrer Wohnung auch mit den vorhandenen Hörgeräten nicht wahrnehmen kann, im Dezember 2005 unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung und eines Kostenvoranschlages die Versorgung mit einer Lichtsignalanlage. Die beklagte Krankenkasse lehnte den Leistungsantrag ab.
Eine Lichtsignalanlage besteht aus einem Sender und mindestens einem Empfänger. Der Sender muss mit der Türklingel durch ein spezielles Kabel verbunden werden. Er nimmt die akustischen Signale auf und wandelt diese in Funkimpulse um, die über die normale Steckdose und das vorhandene Stromnetz zum Empfänger übertragen werden. Der Empfänger, eine Blitzlampe, wandelt die Funkimpulse in Lichtsignale um. Dabei wird zweckmäßigerweise jeder Raum der Wohnung mit einer Blitzlampe ausgestattet.
Lichtsignalanlage nicht als Maßnahme zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes anzusehen
Das Bundessozialgericht entschied nun, dass behinderte Menschen grundsätzlich einen Anspruch gegen ihre Krankenkasse auf Versorgung mit Hilfsmitteln haben, die geeignet und im Einzelfall erforderlich sind, ihre Behinderung und deren Folgen auszugleichen (§ 33 SGB V, § 31 SGB IX). Bei einer solchen Lichtsignalanlage handelt es sich um ein Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung, weil die Bestandteile nach den Feststellungen des Landessozialgerichts nicht fest mit dem Gebäude verbunden sind und die Anlage in jeder anderen Wohnung im Wesentlichen unverändert eingesetzt werden kann. Es handelt sich bei dem Einbau der Lichtsignalanlage also nicht um eine Maßnahme zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes; diese Maßnahmen fallen in die Zuständigkeit der Pflegekassen (§ 40 SGB XI) und können nur nach vorheriger Feststellung der Pflegebedürftigkeit bezuschusst werden.
Kein allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens
Es geht auch nicht um einen – von der Leistungspflicht der Krankenkassen ausgenommenen – allgemeinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens (§ 33 Abs. 1 SGB V). Ähnliche Lichtsignalanlagen werden zwar auch an bestimmten Arbeitsplätzen eingesetzt (z.B. Tonstudio, Call-Center), regelmäßig aber nicht von Menschen mit intaktem Hörsinn in ihrem Alltag verwendet.
Rückweisung der Sache an das Landessozialgericht zur Prüfung des Kostenvoranschlags
Der Rechtsstreit musste jedoch an das Landessozialgericht zurückverwiesen werden, weil noch geklärt werden muss, ob der von der Klägerin eingereichte Kostenvoranschlag hinsichtlich aller dort aufgeführten Komponenten und Preise dem Grundsatz der Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit entspricht.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 29.04.2010
Quelle: ra-online, BSG
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