21.11.2024
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Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil26.09.2012

Schwerst­be­hinderte Frau hat Anspruch auf Behinderten-KfzSozia­l­hil­fe­träger muss Kosten für die Anschaffung und behin­der­ten­ge­rechten Umbau eines Autos übernehmen

Auch schwerst­be­hinderte Menschen haben Anspruch auf eine möglichst selbstbestimmte Teilhabe am gesell­schaft­lichen Leben. Der zuständige Sozia­l­hil­fe­träger muss die Kosten für die Anschaffung und den behin­der­ten­ge­rechten Umbau eines Fahrzeugs übernehmen. Dies entschied das Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg.

In dem zugrunde liegenden Fall wird die mehrfach schwerst­be­hinderte und mittellose Klägerin zu Hause von ihrer Mutter versorgt und gepflegt. Sie kann weder sprechen noch sehen und sitzt im Rollstuhl. Selbst normales Sitzen ist ihr nur mit einem Korsett möglich. Da die Busse des öffentlichen Nahverkehrs im Heimatort der Klägerin nicht behindertengerecht ausgestattet sind, beantragte die Mutter die Übernahme der Kosten für die Anschaffung und den behin­der­ten­ge­rechten Umbau eines Kfz. Nur so sei ihre Tochter in die Lage versetzt, Urlaubsfahrten zu bewältigen, Verwandte und Freunde zu besuchen und an Veranstaltungen ihres Fastnachts­vereins teilzunehmen. Ohne ein entsprechendes Fahrzeug sei ihre Tochter vom sozialen und gesell­schaft­lichen Leben abgeschnitten.

Sozia­l­hil­fe­träger lehnt Kostenübernahme ab

Obwohl sowohl der Soziale Dienst des Sozialamts als auch das Gesundheitsamt den Antrag befürworteten, lehnte der zuständige Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald ab. Aufgabe der Sozialhilfe sei es nicht, einen sozialen Mindeststandard zu gewährleisten; auch nichtbehinderte Menschen, die über kein Kfz verfügen, müssten ihre sozialen Kontakte auf andere Weise pflegen, z. B. indem sie sich selbst besuchen lassen. Außerdem sei sicherzustellen, dass der Mutter der Klägerin kein unberechtigter Vorteil erwachse. Statt des begehrten Kfz gewährte der Kreis der Klägerin Gutscheine für ein Behindertentaxi. Er wies allerdings darauf hin, dass ein Rechtsanspruch auf Durchführung entsprechender Fahrten nicht bestehe.

LSG: Teilnahme am öffentlichen Leben nur durch Benutzung eines behin­der­ten­ge­rechten Kfz möglich

Diese Entscheidung entspreche nicht den Vorgaben des Gesetzes, entschieden die Richter des Landes­so­zi­al­ge­richts Baden-Württemberg. Auch behinderten Menschen müsse die Teilnahme am öffentlichen und kulturellen Leben sowie der Kontakt zu ihrer sozialen Umwelt ermöglicht werden. Dies sei im Fall der Klägerin nur durch die Benutzung eines behin­der­ten­ge­rechten Kfz möglich. Durch die gewährten Gutscheine für ein Behindertentaxi könne dieses Ziel schon deshalb nicht in gleicher Weise erreicht werden, weil entsprechende Fahrzeuge am Wohnort der Klägerin überhaupt nicht und auch in der näheren Umgebung nicht in ausreichender Zahl vorhanden seien. Dass die Mutter das Kfz steuern müsse, stehe einem Anspruch der Tochter nicht entgegen, da die Hilfe angesichts der Art und Schwere der Behinderung nur auf diese Weise sichergestellt werden könne.

Quelle: Landessozialgericht Baden-Württemberg/ra-online

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