18.10.2024
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Bundesarbeitsgericht Urteil16.02.2012

Keine Einladung zum Vorstel­lungs­ge­spräch: Schwer­be­hin­derter Bewerber hat Anspruch auf Entschädigung wegen BenachteiligungAusbleiben einer Einladung nur bei offensichtlich fehlender fachlicher Eignung des Bewerbers gerechtfertigt

Ein öffentlicher Arbeitgeber hat gemäß § 82 Satz 2 SGB IX einen schwer­be­hin­derten Menschen, der sich auf eine ausgeschriebene Stelle unter Mitteilung seiner Schwer­be­hin­der­te­nei­gen­schaft beworben hat, zu einem Vorstel­lungs­ge­spräch einzuladen, es sei denn, diesem fehlt offensichtlich die fachliche Eignung für die ausgeschriebene Stelle. Eine unterbliebene Einladung ist ein Indiz für die Vermutung, der Bewerber sei wegen seiner Schwer­be­hin­derung benachteiligt worden. Diese Vermutung kann der öffentliche Arbeitgeber durch den Beweis widerlegen, dass für die Nichteinladung nur solche Gründe vorgelegen haben, die nicht die fehlende Eignung des Bewerbers oder dessen Schwer­be­hin­derung betreffen. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­a­r­beits­ge­richts hervor.

Der schwer­be­hinderte Kläger des zugrunde liegenden Falls hatte sich bei der Beklagten auf eine Ausschreibung der Bundes­po­li­zei­di­rektion Flughafen Frankfurt am Main als „Pförtner/Wächter“ beworben. In seiner Bewerbung hatte er auf seinen Grad der Behinderung von 60 hingewiesen. Bei der Beklagten besteht eine Rahmen­ver­ein­barung zur Integration Schwerbehinderter. Nach dieser Integra­ti­o­ns­ver­ein­barung kann von einer Einladung schwer­be­hin­derter Bewerber zum Auswahl­ver­fahren abgesehen werden, wenn zwischen Zentra­l­ab­teilung, Schwer­be­hin­der­ten­ver­tretung und Gleich­stel­lungs­be­auf­tragter Einvernehmen besteht, dass der Bewerber für den freien Arbeitsplatz nicht in Betracht kommt. Die Bundes­po­li­zei­di­rektion sah im Einvernehmen mit den zu beteiligenden Stellen von einer Einladung des Klägers zu einem Vorstel­lungs­ge­spräch ab. Dieser sieht sich durch diese Nichteinladung wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt und verlangt von der Beklagten eine Entschädigung in Höhe von 5.723,28 Euro.

Benachteiligung wegen Schwer­be­hin­derung naheliegend

Das Landes­a­r­beits­gericht hat die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung von 2.700 Euro verurteilt. Die Revision der Beklagten blieb vor dem Bundes­a­r­beits­gericht erfolglos. Die Bundes­po­li­zei­di­rektion hätte den Kläger zu einem Vorstel­lungs­ge­spräch einladen müssen, weil durch die Integra­ti­o­ns­ver­ein­barung das Recht des schwer­be­hin­derten Bewerbers auf ein Vorstel­lungs­ge­spräch nicht eingeschränkt werden sollte. Deshalb besteht die Vermutung, dass der Kläger wegen seiner Schwer­be­hin­derung benachteiligt worden ist. Diese Vermutung hat die Beklagte nicht durch Tatsachen widerlegt, die keinen Bezug zur Schwer­be­hin­derung des Klägers und zu dessen fachlicher Eignung haben. Nur auf solche hätte sich die Beklagte mit Erfolg berufen können, weil § 82 Satz 3 SGB IX hinsichtlich der Verpflichtung des öffentlichen Arbeitgebers zur Einladung schwer­be­hin­derter Bewerber zu einem Vorstel­lungs­ge­spräch abschließenden Charakter hat. Die gegen die Höhe der ausgeurteilten Entschädigung gerichtete Revision des Klägers hat das Gericht aus formalen Gründen als unzulässig verworfen.

Quelle: Bundesarbeitsgericht/ra-online

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