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Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil09.10.2019

Stabiler Zustand einer Krebserkrankung bei Eheschließung spricht gegen VersorgungseheNicht jede bekannte Krebserkrankung belegt offenkundig lebens­be­droh­lichen Zustand

Ist der gesundheitliche Zustand eines Krebspatienten bei der Eheschließung stabil, spricht dies gegen eine Versorgungsehe. Dies entschied das Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg und verdeutlichte in seiner Entscheidung, dass nicht jede bekannte Krebserkrankung offenkundig einen lebens­be­droh­lichen Zustand belegt.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin und der Versicherte wurden beide 1940 geboren, lernten sich 1997 kennen, zogen vier Jahre später zusammen und heirateten Anfang April 2015. Beim Standesamt wurden im Juni 2014 ausgestellte Geburtsurkunden eingereicht. Sechs Jahre zuvor war bei ihm ein Prosta­ta­ka­rzinom diagnostiziert und zunächst erfolgreich behandelt worden. Im Januar 2016 verstarb der Versicherte. Auf der Todes­be­schei­nigung wurden als Todesursachen eine dekompensierte Herzin­suf­fizienz, eine respiratorische Insuffizienz, eine Pneumonie, eine Immobilität, eine Parkin­son­krankheit und ein Prosta­ta­ka­rzinom vermerkt.

Renten­ver­si­cherung lehnt Antrag auf Gewährung der großen Witwenrente ab

Der behandelnde Hausarzt, der den Versicherten noch am Tag vor seinem Tod untersucht hatte, berichtete unter anderem über ein metas­ta­sie­rendes Prosta­ta­ka­rzinom mit Lungen­me­ta­stasen. Der die beklagte Trägerin der gesetzlichen Renten­ver­si­cherung beratende Arzt ging von einer schweren lebens­be­droh­lichen Erkrankung im Zeitpunkt der Heirat aus, weshalb die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer großen Witwenrente als Hinter­blie­be­nen­leistung ablehnte. Die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe bei der Ehedauer unter einem Jahr sei nicht widerlegt. Das Klageverfahren, in dem die Klägerin vortrug, die Eheschließung sei schon früher beabsichtigt gewesen, aber aus privaten Gründen und wegen der aufgetretenen psychischen Erkrankung des Versicherten im Sommer 2014 verschoben worden, verlief für die Klägerin erfolglos.

Verwirklichung des schon lange gehegten Heiratswunsches als leitendes Motiv für Heirat glaubhaft und ausreichend

Das Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg gab ihr demgegenüber im Berufungs­ver­fahren Recht. Es liegen besondere Umstände vor, die auf einen von der Versor­gungs­absicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen. Eine gewichtige Bedeutung komme zwar stets dem Gesund­heits­zustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Heirat zu. Den Arztberichten lasse sich jedoch nicht entnehmen, dass er damals an einer lebens­be­droh­lichen Erkrankung litt. In Betracht komme einzig die Krebserkrankung. Die 2013 aufgetretenen Lungen­me­ta­stasen wurden mit einer Hormonablation erfolgreich behandelt. Der Wert für das prosta­tas­pe­zi­fische Antigen (PSA-Wert) als Verlauf­spa­rameter sei bis zur Nachweisgrenze gesunken. Insgesamt hätten zum Zeitpunkt der Eheschließung stabile Verhältnisse ohne Anhalt für ein Fortschreiten bestanden. Selbst nachdem die Hormontherapie wegen der psychischen Erkrankung des Versicherten beendet wurde, sei der PSA-Wert nur geringfügig angestiegen. Eine Behand­lungs­be­dürf­tigkeit habe sich nicht ergeben. Die Verwirklichung des schon lange gehegten Heiratswunsches hielt das Landes­so­zi­al­gericht als leitendes Motiv für die Heirat für glaubhaft und ausreichend.

Rechtsgrundlage

§ 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2a Sechstes Buch Sozial­ge­setzbuch (SGB VI)

Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente, wenn sie das 47. Lebensjahr vollendet haben.

Witwen oder Witwer haben keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinter­blie­be­nen­ver­sorgung zu begründen.

Quelle: Landessozialgericht Baden-Württemberg/ra-online (pm/kg)

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