03.12.2024
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Landgericht Tübingen Urteil18.07.2012

Bezeichnung als "homosexuell" stellt keine Beleidigung von Polizeibeamten darBegriff ist wertneutral und nicht ehrverletzend

Wird jemand als "homosexuell" bezeichnet, stellt dies keine strafbare Beleidung dar. Dies hat das Landgericht Tübingen entschieden.

Im zugrunde liegenden Fall bezeichnete der Angeklagte im Rahmen einer Blutentnahme auf dem Polizeirevier mehrere Polizeibeamte als "homosexuell", "dreckige Schwanzlutscher" und "Schwuchteln". Das Amtsgericht Tübingen verurteilte ihn deswegen und wegen anderer Delikte zu einer Geldstrafe.

Begriff "homosexuell" nicht beleidigend

Das Landgericht Tübingen entschied anders als das Amtsgericht, dass die Bezeichnung als "homosexuell" keine Straftat im Sinne der §§ 185 ff. StGB darstellte. Der Begriff ist wertneutral und verletzte nicht die Ehre der Polizeibeamten.

Rechtsgut der §§ 185 ff. StGB ist die Ehre als verdienter Achtungs­an­spruch jedes Individuum. Es geht um den auf die Personenwürde gegründeten, jedem Menschen von Verfassungs wegen zustehenden Geltungswert und den daraus folgenden Anspruch, nicht unverdient herabgesetzt zu werden. Demzufolge setzt eine Beleidigung im straf­recht­lichen Sinne die Kundgabe der Missachtung bzw. Nichtachtung und somit eine Aussage mit wertminderndem Gehalt voraus. Dabei ist zu beachten, dass der Ehrbegriff wertend ist. Es kommt nicht primär auf einen bloßen Belei­di­gungs­willen des Äußernden oder auf die subjektiv empfundene Kränkung des Erklä­rungs­emp­fängers an. Vielmehr muss die Bedeutung der Äußerung objektiv unter Beachtung der Wertungen der Rechtsordnung gewürdigt werden. Keine Beleidigung stellen daher nach Auffassung des Landgerichts wertneutrale Äußerungen dar, die von der erklärenden Person nach ihrer eigenen Wertung als "Beleidigung" gemeint sind. In diesem Sinne kommt der Bezeichnung anderer Personen als "homosexuell" keine wertmindernde Bedeutung zu.

Weiterhin war ein Sonderrecht für Polizeibeamte in Uniform nicht anzuerkennen.

Wertung als Beleidigung stünde im Widerspruch zum Antidis­kri­mi­nie­rungs­gesetz (ADG)

Das Landgericht führte weiter aus, dass das Strafrecht sich in einen Widerspruch zu dem verfas­sungs­rechtlich begründeten Antidis­kri­mi­nie­rungs­grundsatz (Art. 3 GG, § 1 ADG) begeben würde, wenn die Bezeichnung als "homosexuell" als ehrmindernd und herabsetzend bewertet würde. Darin käme eine Diskriminierung zum Ausdruck, die von Rechts wegen nichtmehr sein soll.

Insoweit verhält es sich wie mit sonstigen Bezeichnungen einer sexuellen Präferenz wie "bisexuell" oder "heterosexuell" oder mit Bezeichnungen einer religiösen Zugehörigkeit wie Katholik oder Jude und zwar unabhängig davon, ob der Bezeichnete der betreffenden Personengruppe angehört.

Herab­wür­di­gungs­gehalt empirisch zweifelhaft

Nach Ansicht des Landgerichts war schon rein empirisch zweifelhaft, ob die Bezeichnung als "homosexuell" eine Herabwürdigung enthält. Das mag in der Vergangenheit anders gewesen sein. Der gesell­schaftliche Wandel in der Einstellung zur Homosexualität äußert sich aber darin, dass sich Prominente als Homosexuelle offenbaren. Auch innerhalb der Polizei gibt es ein "Netzwerk für Lesben und Schwule", das sich für mehr Toleranz einsetzt.

Bezeichnung als "Schwanzlutscher" und "Schwuchteln" beleidigend

Das Landgericht beurteilte die Äußerungen als "Schwanzlutscher" und "Schwuchteln" als Beleidigung, da diese eine Herabwürdigung ausdrücken.

Quelle: Landgericht Tübingen, ra-online (vt/rb)

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