Dokument-Nr. 7045
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- NJW 2008, 3233Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2008, Seite: 3233
- NJW-Spezial 2008, 634 (Klaus Leipold und Stephan Beukelmann)Zeitschrift: NJW-Spezial, Jahrgang: 2008, Seite: 634, Entscheidungsbesprechung von Klaus Leipold und Stephan Beukelmann
- NZV 2009, 254Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (NZV), Jahrgang: 2009, Seite: 254
Amtsgericht Tiergarten Beschluss26.05.2008
Die Äußerung "Oberförster" gegenüber einem Polizisten stellt keine Beleidigung darStaatsanwaltschaft solle einen "solchen Schmarren" nicht anklagen
Wer einen Polizeibeamten mit der Bezeichnung "Oberförster" betitelt, macht sich nicht wegen Beleidigung strafbar. Dies hat das Amtsgericht Berlin-Tiergarten entschieden und die Eröffnung eines Hauptverfahrens abgelehnt.
Im zugrunde liegenden Fall rief ein Mann einem Polizisten, der gerade bei einer Verkehrssonderkontrolle eingesetzt war, im Vorbeigehen zu: "Herr Oberförster, zum Wald geht es da lang!" Der Beamte sah sich in seiner Ehre verletzt. Die Staatsanwaltschaft Berlin wollte den Mann wegen Beleidigung anklagen. Das Amtsgericht Tiergarten lehnte aber die Eröffnung des Hauptverfahrens ab.
Nützliche Tätigkeit
Das Gericht meinte, dass sich der ehrverletzende Charakter dieser Äußerung keineswegs von selbst verstehe, sei doch die Tätigkeit im Forstdienst etwa eines Bundeslandes für sich genommen kaum geeignet, den sittlichen, personalen oder sozialen Geltungswert einer Person infrage zu stellen, vielmehr dürfte es sich bei den dienstlichen Verrichtungen eines Försters in aller Regel um nützliche, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten handeln.
Äußerung für verständigen Dritten ehrverletzend?
Für die Frage, ob die Äußerung einen ehrverletzenden Inhalt habe, komme es nicht auf das persönliche Empfinden des Polizisten an. Vielmehr komme es auf den "verständigen Dritten" an, der einen Zusammenhang mit der Verrichtung forstlicher Tätigkeiten als sachlich unzutreffend hier wohl bestreiten würde, kaum aber sich in seinem Achtungsanspruch als Person beeinträchtigt sehen würde.
Oberförster erst nach 6 Jahren Dienstzeit
Hieran ändere sich auch dadurch nichts, dass der Mann den Polizeibeamten nicht als (bloßen) Förster sondern als "Oberförster" tituliert habe, wenngleich das Gericht nicht verkenne, dass hiermit eine gewisse sprachliche Nähe zu dem "Oberlehrer" hergestellt sei, der meist kritische und auch bissige, kaum aber beleidigende Charakterisierungen zugeschrieben bekomme. Oberförster war bzw. sei die Dienstbezeichnung für einen im höheren bzw. gehobenen Dienst tätigen staatlichen Forstbeamten oder auch Angestellten im Forstdienst. So heiße es etwa in der Forstdienstbezeichnungsverordnung des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 17. Juni 1996, dass die Dienstbezeichnung "Oberförster" derjenige Angestellte trage, der Tätigkeiten, die dem gehobenen Dienst entsprechen, verrichte und in die Vergütungsgruppen BAT III od. II a eingruppiert sei. In der Vorschrift über die Dienstbezeichnungen der Forstangestellten des Landes Brandenburg (Runderlass des Ministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 24.02.1993 auf Grundlage des § 45 des Brandenburgischen Landeswaldgesetzes) werde festgelegt, dass dem Revierförster (Forstangestellter des gehobenen Dienstes) nach erfolgreicher 6-jähriger Tätigkeit in dieser Funktion die Dienstbezeichnung "Oberförster" verliehen werden könne. Ob der Geschädigte im vorliegenden Verfahren auch schon auf eine erfolgreiche 6-jährige Tätigkeit im gehobenen Polizeidienst zurückblicken könne, lasse sich der Akte nicht entnehmen, jedenfalls werde ein verständiger Dritter die inkriminierte Äußerung auch nicht wegen des Zusatzes "Ober" als beleidigend empfinden, ebenso wenig wie sich ein verständiger Revierförster durch die Bezeichnung als "Oberkommissar" in seinem Ehrgefühl gekränkt sehen würde.
Dumme, allenfalls mäßig komische Bemerkung ohne weitere Bedeutung
Ein verständiger Dritte käme zu dem Schluss, dass es sich bei der Äußerung des Angeschuldigten um das handelt, was sie auch wirklich darstelle: eine dumme, allenfalls mäßig komische Bemerkung, der man keine weitere Bedeutung beimessen und Beachtung schenken sollte. Es handele sich hier um eine Bemerkung, die ein Polizeibeamter und auch PK, wenn ihm denn keine schlagfertige Entgegnung einfalle, einfach übergehen sollte. Die Staatsanwaltschaft sollte einen solchen Schmarren nicht anklagen, führte das Gericht aus.
Gericht: Polizeibeamte müssen sich nicht beschimpfen lassen
Das Gericht wies darauf hin, dass sich Polizeibeamte im Dienst nicht beschimpfen lassen müssen, aber nur gegen (wirkliche) Beleidigungen in ihrem eigenen Interesse und im Interesse des Ansehens ihres Berufsstands vorgehen sollten. Eine Beleidigung liege nur dann vor, wenn es sich um eine ernstliche Herabwürdigung der Person handele, nicht aber unterfalle jede flapsige, spöttische Bemerkung dem Tatbestand der Beleidigung gemäß § 185 StGB.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 25.11.2008
Quelle: ra-online (pt)
der Leitsatz
Die Bezeichnung eines Polizeibeamten als "Oberförster" stellt keine strafbare Beleidigung dar.
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