24.11.2024
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Landgericht Stuttgart Urteil09.10.2014

Daimler AG muss SWR-Reportage über Niedriglöhne hinnehmenAusstrahlung des Videomaterials im Rahmen der Reportage ist durch Meinungs- und Rundfunk­freiheit des SWR gedeckt

Das Landgericht Stuttgart hat entschieden, dass die Daimler AG eine erneute Ausstrahlung der Reportage "Hungerlohn am Fließband - Wie Tarife ausgehebelt werden" dulden muss. Zwar war die Herstellung der Videoaufnahmen laut Entscheidung des Landgerichts rechtswidrig, weil der Journalist das Hausrecht der Daimler AG verletzt hatte. Die Daimler AG muss die Ausstrahlung des Bildmaterials allerdings dennoch hinnehmen, weil die Reportage einem eindeutig überwiegenden öffentlichen Informations­interesse dient.

Die Daimler AG hatte erreichen wollen, dass der SWR eine erneute Ausstrahlung des in der Reportage „Hungerlohn am Fließband – Wie Tarife ausgehebelt werden“ verwendete Bildmaterials unterlassen muss. Ein für den SWR tätiger Journalist hatte sich zum Zweck einer verdeckten Recherche bei einer Leiha­r­beitsfirma beworben. Diese entlieh ihn an ein weiteres Unternehmen, das mit der Daimler AG einen Werkvertrag über Logistik-Leistungen abgeschlossen hatte. So kam es zum Einsatz des Journalisten in einer Betriebshalle der Daimler AG in Stuttgart-Untertürkheim zur Verpackung von Zylinderköpfen. Während seiner Tätigkeit vom 5. bis 18. März 2013 fertigte der Journalist mit vier versteckten Kameras heimliche Videoaufnahmen an und verwendete sie für die Reportage, die am 13. März 2013 im ARD-Programm "Das Erste" ausgestrahlt wurde. Die Daimler AG vertrat die Auffassung, dass der SWR dieses Bildmaterial nicht ausstrahlen dürfe, weil dessen Beschaffung rechtswidrig gewesen sei, die Videoaufnahmen keine rechtswidrigen Verhal­tens­weisen wiedergeben würden und die Daimler AG durch die Ausstrahlung des Bildmaterials erheblich in ihrem Persön­lich­keitsrecht verletzt werde.

Ausstrahlung der Reportage dient einem eindeutig überwiegenden öffentlichen Informations­interesse

Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Landgericht Stuttgart aus, dass die Herstellung der Videoaufnahmen zwar rechtswidrig gewesen sei, weil der Journalist das Hausrecht der Daimler AG verletzt habe. Die Daimler AG müsse jedoch die Ausstrahlung des Bildmaterials hinnehmen, weil die Reportage einem eindeutig überwiegenden öffentlichen Infor­ma­ti­o­ns­in­teresse diene. Die Reportage habe darüber informiert, dass der Einsatz von Arbeitskräften im Rahmen sogenannter Werkverträge dazu führen könne, dass diese trotz gleichwertiger Arbeitsleistung und Eingliederung in den Produk­ti­o­ns­prozess wesentlich niedrigere Löhne als die Stamm- und Leiha­r­beit­nehmer des Unternehmens erhielten, die jedenfalls teilweise durch Leistungen der öffentlichen Hand ("Hartz-IV") aufgestockt werden müssten. Dies werde von weiten Kreisen der Bevölkerung als ein einschneidender Missstand wahrgenommen. Hinsichtlich dieses Missstandes bestehe ein überragendes öffentliches Infor­ma­ti­o­ns­in­teresse, demgegenüber die Nachteile, die aus der rechtswidrigen Infor­ma­ti­o­ns­be­schaffung resultierten, zurücktreten müssten. Die Ausstrahlung des Videomaterials im Rahmen der Reportage sei daher nicht rechtswidrig gewesen, sondern durch die Meinungs- und Rundfunk­freiheit des SWR (Art. 5 GG) gerechtfertigt. Die Daimler AG könne daher keine Unterlassung der zukünftigen Ausstrahlung verlangen.

Quelle: Landgericht Stuttgart/ra-online

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