15.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss08.12.2010

BVerfG: Untersagung der Ausstrahlung von Kampf­s­port­s­en­dungen "Ultimate Fighting" bei "Sport 1" gerechtfertigtGewaltpotenzial der Sendungen kann aggressives Verhalten verharmlosen und jugend­ge­fährdend wirken

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat den Antrag eines Kampf­s­port­ver­an­stalters auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen das Verbot der Ausstrahlung von Kampf­s­port­s­en­dungen im deutschen Fernsehen abgelehnt.

Die in Großbritannien ansässige Beschwer­de­führerin des zugrunde liegenden Falls organisiert weltweit Veranstaltungen der Kampfsportart „Mixed Martial Arts“, einer Kombination der fünf olympischen Sportarten Boxen, Freistilringen, griechisch-römisches Ringen, Taekwando und Judo mit anderen traditionellen Kampf­s­port­techniken wie Karate und Kickboxen. Die Kampf­s­port­ver­an­stal­tungen werden in mehr als 100 Ländern ausgestrahlt. In Deutschland erfolgte die Ausstrahlung der von der Beschwer­de­führerin produzierten Kampf­s­port­formate durch die DSF Deutsches SportFernsehen GmbH, jetzt Sport 1 GmbH, auf der Grundlage einer Program­m­än­de­rungs­ge­neh­migung der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) und eines Lizenzvertrages mit der Beschwer­de­führerin.

BLM untersagt der DSF GmbH die Ausstrahlung der Kampf­s­port­ver­an­stal­tungen

Im März 2010 forderte die BLM die DSF GmbH per Bescheid auf, die Ausstrahlung der Fernseh­sen­dungen der Beschwer­de­führerin zu unterlassen, weil die Massivität des Gewalteinsatzes in jugend­ge­fähr­dender Weise dem Leitbild des nach der Bayerischen Verfassung öffentlich verantworteten und in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft betriebenen Rundfunks widerspreche. Die DSF GmbH leistete der Aufforderung der BLM Folge. Die Beschwer­de­führerin erhob gegen den Bescheid der BLM Klage und beantragte gleichzeitig einstweiligen Rechtsschutz. Der Eilantrag blieb in allen Instanzen ohne Erfolg.

Kampf­s­port­ver­an­stalter erhebt Verfas­sungs­be­schwerde gegen Bescheid der BLM und gegen verwal­tungs­ge­richtliche Entscheidungen

Sowohl gegen den Bescheid der BLM als auch gegen die verwal­tungs­ge­richt­lichen Entscheidungen hat die Beschwer­de­führerin Verfas­sungs­be­schwerde erhoben und gleichzeitig einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, mit dem Ziel, die BLM zur Gestattung der Ausstrahlung ihrer Kampf­s­port­s­en­dungen zu verpflichten.

Verfas­sungs­be­schwerde weder offensichtlich unzulässig noch offensichtlich unbegründet

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat den Erlass dieser einstweiligen Anordnung abgelehnt. Allerdings ist die Verfas­sungs­be­schwerde weder offensichtlich unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Sie wirft vielmehr bereits auf der Zuläs­sig­keitsebene ungeklärte verfas­sungs­rechtliche Fragen auf, die im Verfas­sungs­be­schwer­de­ver­fahren, also im Verfahren der Hauptsache, zu entscheiden sein werden. Klärungs­be­dürftig ist vor allem, ob und in welchem Umfang sich die Beschwer­de­führerin, die lediglich als Zulieferin einzelner Sendungen an der Veranstaltung von Fernseh­pro­grammen beteiligt ist, neben dem Programm­ver­an­stalter auf die Rundfunk­freiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG berufen kann. Näherer Prüfung bedarf auch die Frage, ob sich die Beschwer­de­führerin auf Art. 12 Abs. 1 GG unter dem Gesichtspunkt des mittelbaren Grund­recht­s­ein­griffs berufen kann.

Kein Erlass einer einstweiligen Anordnung — Förderung und Vermarktung der Sportart ohne Ausstrahlung der Sendungen in Deutschland in anderen Ländern nicht gefährdet

Nach der Folgenabwägung im hier allein entschiedenen Eilverfahren ist eine einstweilige Anordnung nicht zu erlassen. Zwar sind die finanziellen Einbußen, die die Beschwer­de­führerin aufgrund des Wegfalls der Lizenzgebühren erleidet, nicht unerheblich. Ebenso werden ihre Möglichkeiten, die Sportart „Mixed Martial Arts“ in Deutschland bekannt zu machen, eingeschränkt, soweit sie nicht einen anderen Fernsehanbieter findet, der bereit und berechtigt ist, ihre Formate auszustrahlen. Jedoch ist nicht ersichtlich, dass ohne die Ausstrahlung ihrer Sendungen in Deutschland die Förderung und Vermarktung der Sportart „Mixed Martial Arts“ in anderen Ländern gefährdet würde. Zudem kann die Beschwer­de­führerin nach eigenen Angaben über diese Sportart auch in Deutschland via Internet berichten.

Entstehende Nachteile unter Berück­sich­tigung des Gewichts der Belange des Jugendschutzes nicht schwerwiegend

Die der Beschwer­de­führerin entstehenden Nachteile wiegen daher unter Berück­sich­tigung des Gewichts der Belange des Jugendschutzes nicht so schwer, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung dringend geboten wäre. Denn würde eine einstweilige Anordnung ergehen und erwiese sich die Verfas­sungs­be­schwerde als unbegründet, würden möglicherweise über längere Zeit hinweg Sendungen ausgestrahlt, die wegen ihres Gewalt­po­tenzials und ihrer Gewalt befürwortenden medialen Aufbereitung aggressives Verhalten verharmlosen und jugend­ge­fährdend wirken.

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online

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