18.10.2024
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Sie sehen eine Einbauküche in einer Wohnung.

Dokument-Nr. 12990

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Urteil10.01.2006Landgericht Siegen1 S 117/05
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • WuM 2006, 158Zeitschrift: Wohnungswirtschaft und Mietrecht (WuM), Jahrgang: 2006, Seite: 158
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Vorinstanz:
  • Amtsgericht Siegen, Urteil02.08.2005, 13 C 131/05
ergänzende Informationen

Landgericht Siegen Urteil10.01.2006

90-jähriger Mieter kann nicht aufgrund unzureichender Wohnungspflege außerordentlich gekündigt werdenKeine Störung des Hausfriedens aufgrund unangenehmer Gerüche

Störungen durch einen Mieter, der schon lange im Haus wohnt und infolge Alter und Krankheit verhal­tens­auf­fällig wird, sind vom Vermieter und den Hausbewohnern hinzunehmen, da ein erhöhtes Maß an Verständnis und Rücksichtnahme zu erwarten ist. Dies geht aus einer Entscheidung des Landgerichts Siegen hervor.

Im vorliegenden Fall versuchte ein Vermieter durch eine fristlose Kündigung einen Mieter aus der Wohnung zu entfernen, nachdem dieser aufgrund seines hohen Alters verhal­tens­auf­fällig geworden war und angeblich unangenehme Gerüche aus der Wohnung drangen.

Ein außer­or­dent­licher Kündigungsgrund liegt bei Gefährdung der Mietsache durch Vernach­läs­sigung vor

Das Landgericht Siegen entschied, dass die außer­or­dentliche fristlose Kündigung der Klägerin unwirksam sei, da ein wichtiger Grund zur Kündigung nicht vorgelegen habe. Ein zur außer­or­dent­lichen Kündigung berechtigender wichtiger Grund im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB liege vor, wenn der Mieter die Rechte des Vermieters dadurch in erheblichem Maße verletze, dass er die Mietsache durch Vernach­läs­sigung der ihm obliegenden Sorgfalt erheblich gefährde. Eine Gefährdung liege vor, wenn ein Schaden­s­eintritt an der Mietsache wahrscheinlich sei. Dass der Mietwohnung der Beklagten durch Vernach­läs­sigung der den Beklagten obliegenden Sorgfalts­pflichten ein erheblicher Schaden drohe, könne jedoch nicht festgestellt werden.

Vermieterin hat vertrags­widrigen Zustand über einen Zeitraum von über drei Jahren hingenommen, ohne vertrags­be­en­digende Schritte einzuleiten

Dabei könne es vorliegend dahingestellt bleiben, inwieweit die Beklagten nach der Behauptung der Klägerin durch ihr Lüft- und Heizverhalten Feuchtigkeits- und Schimmelschäden in der Wohnung verursacht hätten. Die Klägerin habe ein etwaiges Recht zur fristlosen Kündigung verwirkt, da ihr die behauptete Feuchtigkeits- und Schim­mel­pro­blematik bereits seit dem Jahr 2000 bekannt gewesen sei. Die Klägerin habe bereits im Jahr 2000 in der Wohnung der Beklagten eine Begutachtung durchführen lassen und das Vorliegen von Feuch­tig­keits­schäden festgestellt. Dies habe die Klägerin jedoch nicht zum Anlass einer Kündigung genommen. Vielmehr habe sie den nach ihrer Ansicht vertrags­widrigen Zustand über einen Zeitraum von über drei Jahren hingenommen, ohne vertrags­be­en­digende Schritte einzuleiten. Unter diesen Umständen hätten die Beklagten darauf vertrauen dürfen, dass die Klägerin das Vorliegen der behaupteten Schäden als nicht so gravierend angesehen habe. Die Kammer habe keine offen­sicht­lichen Feuch­tig­keits­schäden erkennen können, die eine Substanz­ge­fährdung begründen würden.

Lagerung von Gegenständen und muffiger Geruch stellen keine Gefährdung der Mietsache dar

Soweit sich die Klägerin darauf berufe, dass die Beklagten in ihrer Wohnung Unrat in nicht unerheblichem Umfang lagern würden und ein muffiger und unerträglicher Geruch aus der Wohnung komme, rechtfertige dies ebenfalls nicht eine außer­or­dentliche Kündigung. Zwar treffe es nach Auffassung der Kammer zu, dass einzelne Zimmer in der Wohnung der Beklagten mit Gerätschaften, Kleidersäcken und Zeitschriften deutlich überladen sei und in der Wohnung durchgehend ein leicht muffiger Geruch festzustellen wäre. Dies würde für sich alleine betrachtet keine Gefährdung der Mietsache darstellen (vgl. LG Berlin, Grundeigentum 1981, 33; AG München, NJW-RR 2003, 944; AG Friedberg, WuM 1991, 686). Es sei auch nicht ersichtlich, dass die Beklagten biologischen Abfall wie verdorbene Lebensmittel lagerten, wodurch Ungeziefer oder Ratten angezogen würden.

Keine Störung des Hausfriedens aufgrund unangenehmer Gerüche

Die außer­or­dentliche Kündigung findet ihre Rechtfertigung auch nicht in §§ 569 Abs. 2, 543 Abs. 1 BGB, nach denen ein wichtiger Grund für eine außer­or­dentliche Kündigung auch dann vorliege, wenn eine Vertragspartei den Hausfrieden nachhaltig störe, so dass dem Kündigenden die Fortsetzung des Mietver­hält­nisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden könne. Die Klägerin habe nicht nachweisen können, dass die weiteren Mieter durch angeblich unerträgliche Gerüche wie muffigen Gestank, Urin, Schimmel und Eiter nachhaltig belästigt werden würden. Ausschlaggebend sei, dass im gemein­schaftlich genutzten Treppenhaus praktisch kein Geruch habe festgestellt werden können.

Das hohe Alter von 90 Jahren ist bei Inter­es­se­n­ab­wägung zu berücksichtigen

Im Rahmen der Inter­es­se­n­ab­wägung seien die persönlichen Verhältnisse der Parteien zu berücksichtigen. Störungen durch einen Mieter, der schon lange im Haus wohne und nunmehr infolge Alter, Krankheit oder seelischer Beein­träch­tigung verhal­tens­auf­fällig geworden sei, so wäre vom Vermieter und den Hausbewohnern ein erhöhtes Maß an Verständnis und Rücksichtnahme zu erwarten (vgl. AG Fürsten­feldbruck WuM 1995, 41; AG Charlottenburg WuM 1995, 394). Vorliegend sei zu berücksichtigen, dass die Beklagten bereits über 30 Jahre in der Wohnung leben und das hohe Alter von 90 Jahren erreicht haben. In einem solchen Fall müsse die Notwendigkeit und Bedeutung der sozialen Bindung der Beklagten an ihr häusliches Umfeld berücksichtigt werden, so dass von den übrigen Hausbewohnern ein erhöhtes Maß an Toleranz­be­reit­schaft gefordert werden könne. Dass die Gesundheit der Mitmieter gefährdet wäre oder das tägliche Leben der anderen Hausbewohner Einschränkungen erfahren habe, die ihnen nicht mehr zugemutet werden könnten, sei von der Klägerin nicht näher dargelegt worden.

Quelle: ra-online, Landgericht Siegen (vt/st)

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