Im vorliegenden Fall versuchte ein Vermieter durch eine fristlose Kündigung einen Mieter aus der Wohnung zu entfernen, nachdem dieser aufgrund seines hohen Alters verhaltensauffällig geworden war und angeblich unangenehme Gerüche aus der Wohnung drangen.
Das Landgericht Siegen entschied, dass die außerordentliche fristlose Kündigung der Klägerin unwirksam sei, da ein wichtiger Grund zur Kündigung nicht vorgelegen habe. Ein zur außerordentlichen Kündigung berechtigender wichtiger Grund im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB liege vor, wenn der Mieter die Rechte des Vermieters dadurch in erheblichem Maße verletze, dass er die Mietsache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt erheblich gefährde. Eine Gefährdung liege vor, wenn ein Schadenseintritt an der Mietsache wahrscheinlich sei. Dass der Mietwohnung der Beklagten durch Vernachlässigung der den Beklagten obliegenden Sorgfaltspflichten ein erheblicher Schaden drohe, könne jedoch nicht festgestellt werden.
Dabei könne es vorliegend dahingestellt bleiben, inwieweit die Beklagten nach der Behauptung der Klägerin durch ihr Lüft- und Heizverhalten Feuchtigkeits- und Schimmelschäden in der Wohnung verursacht hätten. Die Klägerin habe ein etwaiges Recht zur fristlosen Kündigung verwirkt, da ihr die behauptete Feuchtigkeits- und Schimmelproblematik bereits seit dem Jahr 2000 bekannt gewesen sei. Die Klägerin habe bereits im Jahr 2000 in der Wohnung der Beklagten eine Begutachtung durchführen lassen und das Vorliegen von Feuchtigkeitsschäden festgestellt. Dies habe die Klägerin jedoch nicht zum Anlass einer Kündigung genommen. Vielmehr habe sie den nach ihrer Ansicht vertragswidrigen Zustand über einen Zeitraum von über drei Jahren hingenommen, ohne vertragsbeendigende Schritte einzuleiten. Unter diesen Umständen hätten die Beklagten darauf vertrauen dürfen, dass die Klägerin das Vorliegen der behaupteten Schäden als nicht so gravierend angesehen habe. Die Kammer habe keine offensichtlichen Feuchtigkeitsschäden erkennen können, die eine Substanzgefährdung begründen würden.
Soweit sich die Klägerin darauf berufe, dass die Beklagten in ihrer Wohnung Unrat in nicht unerheblichem Umfang lagern würden und ein muffiger und unerträglicher Geruch aus der Wohnung komme, rechtfertige dies ebenfalls nicht eine außerordentliche Kündigung. Zwar treffe es nach Auffassung der Kammer zu, dass einzelne Zimmer in der Wohnung der Beklagten mit Gerätschaften, Kleidersäcken und Zeitschriften deutlich überladen sei und in der Wohnung durchgehend ein leicht muffiger Geruch festzustellen wäre. Dies würde für sich alleine betrachtet keine Gefährdung der Mietsache darstellen (vgl. LG Berlin, Grundeigentum 1981, 33; AG München, NJW-RR 2003, 944; AG Friedberg, WuM 1991, 686). Es sei auch nicht ersichtlich, dass die Beklagten biologischen Abfall wie verdorbene Lebensmittel lagerten, wodurch Ungeziefer oder Ratten angezogen würden.
Die außerordentliche Kündigung findet ihre Rechtfertigung auch nicht in §§ 569 Abs. 2, 543 Abs. 1 BGB, nach denen ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung auch dann vorliege, wenn eine Vertragspartei den Hausfrieden nachhaltig störe, so dass dem Kündigenden die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden könne. Die Klägerin habe nicht nachweisen können, dass die weiteren Mieter durch angeblich unerträgliche Gerüche wie muffigen Gestank, Urin, Schimmel und Eiter nachhaltig belästigt werden würden. Ausschlaggebend sei, dass im gemeinschaftlich genutzten Treppenhaus praktisch kein Geruch habe festgestellt werden können.
Im Rahmen der Interessenabwägung seien die persönlichen Verhältnisse der Parteien zu berücksichtigen. Störungen durch einen Mieter, der schon lange im Haus wohne und nunmehr infolge Alter, Krankheit oder seelischer Beeinträchtigung verhaltensauffällig geworden sei, so wäre vom Vermieter und den Hausbewohnern ein erhöhtes Maß an Verständnis und Rücksichtnahme zu erwarten (vgl. AG Fürstenfeldbruck WuM 1995, 41; AG Charlottenburg WuM 1995, 394). Vorliegend sei zu berücksichtigen, dass die Beklagten bereits über 30 Jahre in der Wohnung leben und das hohe Alter von 90 Jahren erreicht haben. In einem solchen Fall müsse die Notwendigkeit und Bedeutung der sozialen Bindung der Beklagten an ihr häusliches Umfeld berücksichtigt werden, so dass von den übrigen Hausbewohnern ein erhöhtes Maß an Toleranzbereitschaft gefordert werden könne. Dass die Gesundheit der Mitmieter gefährdet wäre oder das tägliche Leben der anderen Hausbewohner Einschränkungen erfahren habe, die ihnen nicht mehr zugemutet werden könnten, sei von der Klägerin nicht näher dargelegt worden.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 02.08.2012
Quelle: ra-online, Landgericht Siegen (vt/st)