21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen eine abgedunkelte Fassade von mehreren Hochhäusern, auf der ein Schutzschild leuchtet.

Dokument-Nr. 32942

Drucken
ergänzende Informationen

Landgericht Osnabrück Urteil24.05.2023

Versicherer muss nach Feuer in den Räumlichkeiten eines Restaurants nicht zahlenGrundsatz "nemo tenetur" gilt nicht im Versi­che­rungs­ver­hältnis

Das Landgericht Osnabrück hat die Klage einer Insolvenz­verwalterin gegen den Versicherer der Insolvenz­schuldnerin, einer Restaurant­betreiberin, auf Leistungen aus der bestehenden Sachver­si­cherung abgewiesen.

Am 15. Januar 2018 wurde durch ein Feuer die Innen­ein­richtung des in Osnabrück gelegenen Restaurants der Versi­che­rungs­nehmerin erheblich beschädigt. Der Schaden wurde durch einen von der Versi­che­rungs­nehmerin beauftragten Sachver­ständigen mit circa EUR 640.000,00 beziffert. Es bestand der Verdacht der vorsätzlichen Brandlegung. In einem Strafverfahren vor dem Amtsgericht Osnabrück wurde ein Dritter, der der Brandlegung verdächtigt wurde, freigesprochen. Die Versi­che­rungs­nehmerin zeigte gegenüber ihrem Versicherer den Vorfall unmittelbar an, welcher ihr mit Schreiben vom 6. März 2018 zur weiteren Bearbeitung des Vorgangs einen Katalog mit 20 Fragen übersandte. Die Betreiberin des Restaurants beauftragte zunächst ein Unternehmen mit der Regulierung des Schadensfalls. Anschließend ließ sie sich durch mehrere Rechtsanwälte vertreten. Mit Schreiben vom 1. August 2018 beantwortete ein Rechtsanwalt die Fragen des Versicherers.

Versicherer: Aufklärungs- und Mitwir­kungs­ob­lie­genheit nicht nachgekommen

Da nach Auffassung des Versicherers die Fragen teilweise nicht und teilweise unvollständig beantwortet worden waren, setzte er seiner Versi­che­rungs­nehmerin eine Frist zur ergänzenden Beantwortung. Er wies auf die Regelung zu § 28 Abs. 2 VVG hin, wonach eine Leistungs­kürzung oder eine Ablehnung der Einstands­pflicht möglich ist, wenn der Versi­che­rungs­nehmer seiner Mitwir­kungs­pflicht zur Aufklärung des Schadensfalls nicht nachkommt. Eine weitergehende Beantwortung der seitens des Versicherers gestellten Fragen erfolgte nicht. Unter dem 21. November 2018 erklärte dieser, dass er die Deckung des Schadens ablehne, da die Versi­che­rungs­nehmerin ihrer Aufklärungs- und Mitwir­kungs­ob­lie­genheit nicht nachgekommen sei. Hiergegen wendet sich die Versi­che­rungs­nehmerin und fordert von ihrem Versicherer die Zahlung von EUR 632.090,28.

LG: Grundsatz "nemo tenetur" gilt nicht

Das Landgericht Osnabrück hat die Klage nunmehr abgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass die Versi­che­rungs­nehmerin vorsätzlich ihrer Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sei. Sie habe nicht unverzüglich die Fragen ihres Versicherers beantwortet, die nach Auffassung der Kammer zulässig seien. Eine Frage an den Versi­che­rungs­nehmer sei zulässig, wenn die Beantwortung der Frage für die Einschätzung des Versicherers, ob eine Einstands­pflicht bestehe, von Relevanz sein könnte. Nicht erforderlich sei, dass die Beantwortung der Fragen sich tatsächlich als wesentlich erweise. Auch habe die Versi­che­rungs­nehmerin Angaben zu machen, durch die sie sich selber belasten könnte. Der im Strafrecht geltende Grundsatz "nemo tenetur", wonach sich niemand selbst zu belasten brauche, gelte im Verhältnis zwischen Versi­che­rungs­nehmer und Versicherer nicht. Die Versi­che­rungs­nehmerin habe auch vorsätzlich gehandelt, da für sie aufgrund der Nachfrage des Versicherers erkennbar gewesen sei, dass die von ihrem Bevollmächtigen erteilten Auskünfte im Jahr 2018 nicht ausreichend gewesen seien. Ferner sei zu berücksichtigen, dass die Versi­che­rungs­nehmerin nach der Aufforderung des Versicherers, die Fragen ergänzend zu beantworten, weitere 3 Monate Zeit gehabt habe, dieser Aufforderung nachzukommen. Dieser Zeitraum lasse nur den Rückschluss zu, dass die Versi­che­rungs­nehmerin die Fragen nicht vollständig und nicht zutreffend beantworten wollte.

Versi­che­rungsfall bewusst und gewollt beeinflusst

Der Versi­che­rungs­nehmerin sei auch bewusst gewesen und sie habe es auch gewollt, dass die fehlende beziehungsweise unzureichende Beantwortung der Fragen Einfluss auf die Feststellung des Versi­che­rungsfalls beziehungsweise den Umfang der Leistungs­pflicht des Versicherers habe oder haben könnte. Hierbei sei nach Auffassung der Kammer zu berücksichtigen, dass der Verdacht der vorsätzlichen Brandlegung im Raum gestanden habe und auch gegen eine Person im näheren Umfeld der Versi­che­rungs­nehmerin ermittelt worden sei. Die Versi­che­rungs­nehmerin habe durch die unzureichende Beantwortung der Fragen versucht, den Verlust ihres Leistungs­an­spruches zu minimieren. Ob daher die Verletzung der Mitwir­kungs­pflicht für die Feststellung der Einstandsplicht beziehungsweise des Umfangs des Schadensfalls ursächlich sei, könne daher dahinstehen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Entscheidung kann binnen einer Frist von einem Monat mit der Berufung beim Oberlan­des­gericht Oldenburg angegriffen werden.

Quelle: Landgericht Osnabrück, ra-online (pm/ab)

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil32942

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI