18.10.2024
18.10.2024  
Sie sehen die Silhouette einer Person, welche an einer Wand mit vielen kleinen Bildern vorbeigeht.
ergänzende Informationen

Landgericht München I Urteil15.04.2009

Ex-Stasi-IMs müssen Namensnennung duldenKein Recht auf Anonymität

Ein Stasi-IMB muss es sich gefallen lassen, dass im Zusammenhang mit einem historischen Ereignis durch entsprechendes Bildmaterial und auch unter Namensnennung über ihn berichtet wird. Dies hat das Landgericht München I entschieden.

Der Kläger war 1981 vom Ministerium für Staats­si­cherheit der DDR unter Androhung eines Ermitt­lungs­ver­fahrens sowie einer Gefängnisstrafe wegen seiner Kenntnis von illegalen Antiqui­tä­ten­ver­käufen nach Westberlin als informeller Mitarbeiter (IM) angeworben worden. Seit 1989 war der Kläger gar als „IMB“ tätig, wurde also über die Infor­ma­ti­o­ns­be­schaffung hinaus als einer von nur wenigen IM zur Zersetzung, Zerschlagung oder Zurückdrängung von „Feinden“ eingesetzt.

Foto des Klägers auf Internetseite zur Staats­si­cherheit zu sehen

Der Beklagte berichtet auf seiner Internetseite über die Aktivitäten der Staats­si­cherheit in und um Erfurt. Dabei ist auch ein Foto veröffentlicht, auf dem ein Militär­staats­anwalt im Dezember 1989 Räumlichkeiten des Ministeriums für Staats­si­cherheit versiegelt. Auf diesem Foto ist auch der Kläger zu sehen. Neben dem Bild stehen Namen und Funktion (IMB) des Klägers. Dergleichen wollte der Kläger dem Beklagten verbieten lassen. Begründung: Da er im Staatsapparat der DDR weder ein Amt bekleidet noch eine sonstige Position des öffentlichen Lebens ausgefüllt habe, müsse das Informationsinteresse der Öffentlichkeit hinter seinen berechtigten Interessen zurücktreten.

Richter: Foto ist ein historisches Bilddokument

Das sah die 9. Zivilkammer anders: Es handelt sich – so befanden die Richter – um ein wahrhaft historische Bilddokument, auf dem der Kläger da zu sehen ist. Als „IMB“ – so heißt es in dem Urteil weiter – hebt sich der Kläger durchaus von anderen informellen Mitarbeitern oder gar der übrigen Bevölkerung der DDR ab und ist insoweit sehr wohl exponiert.

Richter: Informations- und Wissen­schafts­freiheit haben hier Vorrang

„Vor diesem Hintergrund muss das grundsätzlich anerken­nenswerte Interesse des Klägers an Anonymität … hinter die durch die allgemeine Meinungsfreiheit, die Infor­ma­ti­o­ns­freiheit und die Wissen­schafts­freiheit geschützten Interessen des Beklagten zurücktreten. Die Aufarbeitung historischer Ereignisse und die Ermittlung der geschichtlichen Wahrheit, wie sie unabdingbare Voraussetzung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und eines jeden freien und pluralistischen Gemeinwesens sind, würden in nicht hinnehmbarem Maße zurückgedrängt, wenn über historische und geschichtlich bedeutsame Ereignisse nicht voll umfänglich berichtet werden dürfte. Dies schließt die Veröf­fent­lichung von Bildern und – soweit Personen sprichwörtlich Geschichte machen – Bildnissen mit ein. Im vorliegenden Fall ist es gerade auch nicht so, dass die Person des Klägers für die historische Aufarbeitung irrelevant wäre, so dass sein Recht auf Anonymität die Publi­ka­ti­o­ns­in­teressen des Beklagten und die Infor­ma­ti­o­ns­in­teressen der Allgemeinheit überwiegen würde: Gerade die Besonderheit des Augenblicks und die „Funktion“, die der Kläger seinerzeit eingenommen hatte, lassen die Veröf­fent­lichung seines Bildnisses als gerechtfertigt erscheinen.“

Gleiches gilt nach dem Urteil auch für die Namensnennung: Man darf das historische Foto also nicht nur zeigen, sondern auch sagen, wer und was darauf zu sehen ist.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des LG München I vom 15.04.2009

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil7720

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI