15.11.2024
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Dokument-Nr. 29522

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Landgericht München I Urteil27.11.2020

Frischzellen­therapie zur Anwendung am Menschen verbotenFrischzellen­therapie stellt bedenkliches Arzneimittel dar

Die unter anderem auf das Gesetz gegen Unlauteren Wettbewerb spezialisierte Erste Handelskammer des Landgerichts München I hat einem Unternehmen die Herstellung, Anwendung und Bewerbung von Frischzellen tierischer Herkunft für eine sog. „Frischzellen­therapie“ verboten.

Der Verband Sozialer Wettbewerb e.V. hatte in diesem Fall auf Unterlassung wegen des Ver-stoßes gegen Vorschriften im Heilmit­tel­bereich geklagt. Der Klage wurde von der Handels-kammer vollumfänglich stattgegeben. Die Beklagte warb am 21.06.2019 im Internet auf ihrer Website für eine „Frisch­zel­len­therapie“ zur Anwendung am Menschen. Unter anderem sollte die beschriebene Zelltherapie sich in der Praxis zur Behandlung bei folgenden Indikationen bewährt haben: Alters­be­schwerden mit körperlicher und geistiger Erschöpfung, vegetative und nervöse Symptome bei chronischer Stressbelastung, Reizbarkeit, Konzen­tra­ti­o­ns­mangel und Schlafstörungen, funktionelle und organische Herz-Kreislauf- und Gefäß­krank­heiten, Diabetes, Verschleiß-erscheinungen am Bewegungs­apparat, Krankheiten innerer Organe, Stoff­wech­sel­krank­heiten, Hormonstörungen, neurologische Erkrankungen, Immunschwäche, allergische Erkrankungen.

Allgemeines Risiko im Vergleich zum Nutzen zu hoch

Die erste Handelskammer stufte aufgrund mehrerer gutachterlicher Stellungnahmen das von der Beklagten vertriebene Produkt als bedenkliches Arzneimittel i.S.d. § 5 Arznei­mit­tel­gesetz ein. Die Frischzellen hätten bei bestim­mungs­gemäßem Gebrauch schädliche Wirkung, die über ein nach Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen, so das Landgericht München I. Es gebe hier zwei wesentliche Risiken, nämlich das Risiko der Übertragung von Infek­ti­o­ns­er­regern sowie das Risiko immunologischer und allergischer Ereignisse, die durch Verabreichung eines Fremdproteins prinzipiell bestünden. Im konkreten Fall sei darüber hinaus eine Wirksamkeit für die von der Beklagtenseite beworbenen Anwen­dungs­be­reiche nicht wissen­schaftlich erwiesen. Zudem wirke sich bei der Kosten-Risiko-Analyse zu Ungunsten aus, dass die Beklagte nicht konkret dargelegt habe, in welcher Menge das Produkt jeweils verabreicht werde.

Risiko für schwere Schäden zu hoch

Selbst wenn man zugunsten der Beklagten unterstellte, dass sie alle Maßnahmen bei der Herstellung ergreife, um sterile Bedingungen zu gewährleisten sowie eventuelle Viren und Bakterien inaktiv werden zu lassen, bleibe immer noch das nicht auszuschaltende Risiko der immunologischen bzw. allergischen Nebenwirkungen. Das Risiko, dass es bei solchen Reaktionen zu möglicherweise irreversiblen Schäden bei Patienten komme, sei unvertretbar groß im Hinblick auf den wissen­schaftlich nicht belegten Nutzen der Anwendung, zumal auch zugelassene und gut verträgliche Thera­pie­al­ter­nativen zur Verfügung stünden, so die Kammer.

Quelle: Landgericht München I, ra-online (pm/aw)

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