23.11.2024
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Landgericht Marburg Urteil22.09.2015

Fesselung und Bewachung durch mehrere Polizeibeamte während Verabreichung eines Einlaufs rechtfertigen Geldent­schä­digung für StrafgefangenenErhebliche Verletzung des allgemeinen Per­sönlich­keits­rechts bzw. der Menschenwürde

Bleibt ein Strafgefangener während eines im Krankenhaus verabreichten Einlaufs gefesselt und wird er dabei von mehreren Polizeibeamten bewacht, ohne dass Anhaltspunkte für eine Fluchtgefahr bestehen, steht dem Strafgefangenen ein Anspruch auf eine Geldent­schä­digung zu. Denn durch die unver­hält­nis­mäßigen Maßnahmen wird das allgemeine Per­sönlich­keits­recht bzw. die Menschenwürde des Strafgefangenen erheblich verletzt. Dies geht aus einer Entscheidung des Landgerichts Marburg hervor.

In dem zugrunde liegenden Fall verbüßte ein Strafgefangener eine lebenslange Freiheitsstrafe mit anschließender Sicher­heits­ver­wahrung aufgrund eines Mordes. Im November 2009 traten bei dem Strafgefangenen krampfartige Schmerzen im Unterleib auf, sodass er zur ärztlichen Behandlung in ein Krankenhaus gebracht wurde. Während des Kranken­haus­auf­enthalts blieb der Strafgefangene ständig gefesselt und wurde von sechs Polizeibeamten bewacht. Die Fesselung und Überwachung wurde selbst dann nicht aufgehoben bzw. gelockert, als der Strafgefangene mehrere Einläufe erhielt. Er war daher gezwungen seine Notdurft im Bett zu erledigen. Ihm wurde die Verrichtung der Notdurft in dem fensterlosen Toilettenraum des Behand­lungs­zimmers verweigert. Der Strafgefangene fühlte sich dadurch gedemütigt und klagte auf Zahlung einer Geldentschädigung.

Anspruch auf Geldent­schä­digung aufgrund Amtspflicht­ver­letzung

Das Landgericht Marburg entschied zu Gunsten des Strafgefangenen. Ihm habe nach § 839 BGB, Art. 34 GG ein Anspruch auf Zahlung einer Geldent­schä­digung zugestanden. Sowohl die Fesselung des Strafgefangenen als auch die Verweigerung der Toilet­ten­be­nutzung habe eine Amtspflicht­ver­letzung dargestellt. Die Maßnahmen seien unver­hält­nismäßig gewesen. Eine Fluchtgefahr habe nicht bestanden. Den Polizeibeamten hätte es sich aufdrängen müssen, dass die besondere Situation und die Art der medizinischen Behandlung eine Ausnahme von der angeordneten Fesselung erforderlich gemacht habe.

Erhebliche Verletzung des Persön­lich­keits­rechts bzw. der Menschenwürde

Durch die Fesselung und Verweigerung der Toilet­ten­be­nutzung sei das allgemeine Persön­lich­keitsrecht bzw. die Menschenwürde des Strafgefangenen erheblich verletzt worden, so das Landgericht. Der Strafgefangene sei durch die Maßnahmen bloßgestellt und damit entwürdigt worden. Angesichts dessen sei eine Geldent­schä­digung in Höhe von 2.500 Euro gerechtfertigt gewesen.

Quelle: Landgericht Marburg, ra-online (vt/rb)

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