18.10.2024
18.10.2024  
Sie sehen eine abschüssige Straße mit vielen parkenden Autos.

Dokument-Nr. 34351

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Landgericht Lübeck Urteil02.11.2023

Zur Haftungs­ver­teilung für Schäden an einem Auto beim Parken am HangHinteres Auto war für den Schaden verantwortlich und somit schadensersatz­pflichtig

Wer nach einem Autounfall zahlen muss, ist für Laien oft schwer zu verstehen: „Ich habe nichts falsch gemacht und soll trotzdem die Hälfte des Schadens zahlen? Warum?“ Hier ein erster Einstieg anhand eines aktuellen Falles.

Zwei Autos sind hintereinander auf einem Parkstreifen abgestellt. Irgendwie kommt es zu einer Berührung der Fahrzeuge. Das vordere Auto trägt einen Heckschaden davon. Die Eigentümerin des vorderen Autos will von dem Halter des anderen Autos den vollen Schaden ersetzt bekommen. Das hintere Auto sei gegen ihr Auto gerollt und offensichtlich nicht sicher abgestellt gewesen. Der Halter des hinteren Autos entgegnet, er habe den ersten Gang eingelegt und die Handbremse angezogen; der Schaden könne auch durch Rückwärtsfahren des vorderen Autos entstanden sein. Was tatsächlich passiert ist, lässt sich nicht klären.

Verurteilung nach „normalem Zivilrecht“ oder nach dem Straßen­ver­kehrsrecht - ein Unterschied

Wenn das Gericht diesen Fall nicht nach den besonderen Regeln des Straßen­ver­kehrs­rechts, sondern nach „normalem Zivilrecht“ entscheiden würde, wäre die Sache klar: Die Klägerin muss beweisen, dass der andere Fahrer „einen Fehler“ gemacht hat, der zu dem Schaden geführt hat. Das kann sie nicht. Denn es ist ja unklar, was passiert ist. Also wird die Klage abgewiesen.

Ganz anders läuft die Entscheidung aber nach dem Straßen­ver­kehrs­gesetz. Dort gilt: Der Halter haftet grundsätzlich immer für Schäden, die durch sein Auto entstanden sind – ganz egal, ob er einen „Fehler“ gemacht hat oder nicht (§ 7 StVG). Man sagt, er haftet für „die Betriebsgefahr“. Verursacht also ein Auto einen Schaden, zahlt der Halter allein deshalb schon 100 % des Schadens. Sind an dem Unfall zwei Autos beteiligt, gilt das für beide. Sie müssen sich alle Schäden teilen. Das führt zu dem bekannten Grundsatz, dass im Zweifel immer beide zu 50 % haften. In unserem Fall würde also gelten: der Halter des hinteren Autos müsste 50 % des Schadens bezahlen – obwohl man ihm nicht nachweisen kann, dass er „etwas falsch gemacht hat“! Das ist übrigens so seitdem es die Straßen­ver­kehrs­ordnung gibt – also schon sehr lange. Die dahin­ter­stehende Idee des Gesetzes ist: ein Auto im Straßenverkehr zu bewegen ist per se gefährlich. Wer das tun will, muss für daraus entstehende Schäden haften (und sich ergo versichern). Ähnliche Regeln gibt es beispielsweise im Bereich der Tierhal­ter­haftung (§ 833 BGB) oder der Arzneihaftung.

LG: Auch bei parkenden Autos gilt das Straßen­ver­kehrsrecht

Sie sehen also: es ist sehr wichtig, zu entscheiden, ob in unserem Fall jetzt „allgemeines Recht“ gilt, oder Straßen­ver­kehrsrecht. Diese Frage beantwortet § 7 StVG: Straßen­ver­kehrsrecht gilt, wenn ein Schaden „beim Betrieb“ eines Autos entstanden ist. Aber was heißt das nun bei zwei parkenden Autos? Sind parkende Autos im Betrieb? Diese Frage hat das Landgericht Lübeck entschieden: auch bei parkenden Autos gilt Straßen­ver­kehrsrecht. Der hintere Halter haftet wegen der Betriebsgefahr. Diese gehe auch von einem parkenden Auto aus. Denn auch ein parkendes Auto beeinflusse den Verkehr und könne gefährlich sein. So haben das auch andere Gerichte und auch der BGH entschieden.

Schuldfrage doch noch geklärt: Halter des hinteren Autos ist für den Schaden verantwortlich

Wenn sich nicht mehr aufklären lässt, wie es zu dem Schaden gekommen ist, müsste also der Halter des hinteren Fahrzeuges 50 % des Schadens bezahlen – wegen der Betriebsgefahr und ganz egal, ob er einen „Fehler“ gemacht hat oder nicht. Tatsächlich lief der Fall allerdings noch ein wenig anders: es ließ sich nämlich doch feststellen, dass das hintere Auto für den Schaden verantwortlich war: Dieses Auto sei ohne Zweifel gegen das vordere Auto gerollt. Anders sei der Schaden nicht vernünftig zu erklären. Das ergebe sich insbesondere aus der technischen Prüfung der Schäden sowie den örtlichen Gegebenheiten. Der Sachverständige habe auch bestätigt, dass es möglich sei, dass sich eine Handbremse auch noch nach Stunden lösen könne. Für das vorne parkende Auto sei der Unfall daher unvermeidbar gewesen. Hieraus ergebe sich, dass sich die Halter den Schaden doch nicht teilen müssen. Der Halter des hinteren Autos zahlt den Schaden alleine. Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle: Landgericht Lübeck, ra-online (pm/ab)

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