Dokument-Nr. 14821
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- NJW-Spezial 2011, 682Zeitschrift: NJW-Spezial, Jahrgang: 2011, Seite: 682
- Amtsgericht Ratzeburg, Urteil30.12.2010, 15 C 313/09
Landgericht Lübeck Urteil08.07.2011
Nutzungsausfallentschädigung nach Verkehrsunfall auch für Fahrrad möglichBestehen eines Nutzungswillens und einer Nutzungsmöglichkeit erforderlich
Wird im Rahmen eines Verkehrsunfalls das Fahrrad beschädigt, so besteht für die Zeit des Nutzungsausfalls ein Anspruch auf Entschädigung. Dies geht aus einer Entscheidung des Landgerichts Lübeck hervor.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Der Kläger begehrte unter anderem eine Nutzungsausfallentschädigung aufgrund eines vom Beklagten verursachten Verkehrsunfalls. Das Fahrrad des Klägers war im Rahmen des Unfalls beschädigt worden, so dass eine Nutzung nicht mehr möglich war. Es dauerte 35 Tage bis zur Lieferung eines neuen Fahrrads. Der Kläger war in der Lage nach dem Unfall das Fahrrad zu nutzen und hätte dies auch für den täglichen Weg zur Arbeit genutzt. Dem Kläger standen noch weitere Rennräder zur Verfügung, die jedoch nicht mit einem Schutzblech und einer ordnungsgemäßen Beleuchtung ausgestattet waren. Zudem war er Inhaber einer Autovermietung. Der Beklagte lehnte den Anspruch ab. Er meinte, der Kläger hätte eines seiner Rennräder oder Mietfahrzeuge nutzen können. Das Amtsgericht Ratzeburg wies die Klage hinsichtlich des Nutzungsausfallschadens ab. Dagegen richtete sich die Berufung des Klägers.
Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung besteht
Das Landgericht Lübeck entschied zu Gunsten des Klägers. Ihm habe ein Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung gemäß § 823 BGB zugestanden. Eine Nutzungsausfallentschädigung sei bisher zwar nur für die Fälle der entgangenen Nutzungsmöglichkeit bei einem Kfz anerkannt worden. Sie beruhe auf der Erwägung, dass der auf einen Mietwagen verzichtende vorsichtige und sparsame Eigentümer nicht schlechter gestellt werden solle als derjenige, der einen Ersatzwagen anmietet. Voraussetzung dafür sei ein Verlust der Nutzungsmöglichkeit sowie ein Bestehen eines Nutzungswillens und einer Nutzungsmöglichkeit. Davon ausgehend sei aber auch der Verlust der Nutzungsmöglichkeit eines Fahrrads als ersatzfähiger Vermögensschaden anzusehen. Dies gelte beispielsweise dann, wenn das Fahrrad regelmäßig für den Arbeitsweg genutzt werde.
Kein Ausschluss des Anspruches wegen Nutzungsmöglichkeit eines Zweitfahrrads oder Mietwagens
Ausgehend von der für PKW entwickelten Rechtsprechung, wonach ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung dann ausgeschlossen sei, wenn der Einsatz eines Zweitwagens möglich und zumutbar ist, komme es nach Auffassung des Landgerichts bei einem Fahrrad darauf an, ob eines der weiteren Fahrräder einen zumutbaren Ersatz für das beschädigte Fahrrad darstelle. Dies sei hier nicht der Fall gewesen. Zum einen könne der Kläger auf die Nutzung eines nicht verkehrssicher ausgestatten Rennrads schon aus rechtlichen Gründen nicht verwiesen werden. Zum anderen führe das Fehlen von Schutzblechen zur Unzumutbarkeit ihrer ersatzweisen Nutzung für den Weg zur Arbeit. Denn bei entsprechender Witterung sei mit erheblichen Spritzern auf der Kleidung zu rechnen.
Der Kläger sei auch nicht verpflichtet gewesen, auf seine gewerblich genutzten Mietwagen zurückzugreifen und mögliche Mieteinbußen hinzunehmen.
Höhe des Nutzungsausfallschadens
Die Höhe des Nutzungsausfallschadens hat das Landgericht auf 195,90 € festgelegt. Es hat zunächst als Grundlage für die Bemessung die Mietkosten für ein vergleichbares Fahrrad herangezogen und die um den geschätzten Gewinn des Vermieters in Höhe von 40 % gekürzt. Zur Schätzung der Mietkosten hat sich das Gericht einen Sachverständigen bedient. Demnach sei für die erste Woche 99 €, dann für jeden weiteren Tag 12-13 € und ab der dritten Woche 50 % des Tagesmietpreises zugrunde zu legen. Dies ergebe für fünf Wochen ein Mietpreis von 326,50 € und nach Abzug des geschätzten Gewinns eine Nutzungsausfallentschädigung von 195,90 €.
Wirtschaftlicher Totalschaden lag vor
Nach Ansicht des Landgerichts lag auch ein wirtschaftlicher Totalschaden vor. Zwar habe der Neupreis bei fast 4.000 € gelegen und die Reparaturkosten nur bei 1.873,61 €. Dennoch habe die Annahme eines Totalschadens nicht fern gelegen. Zu berücksichtigen war nämlich, dass die Reparaturkosten durchaus erheblich waren, das Fahrrad 2 ½ Jahre alt war und der Kläger das Rad täglich genutzt hatte.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 11.12.2012
Quelle: Landgericht Lübeck, ra-online (vt/rb)
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