18.10.2024
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Sie sehen einen Vertrag, der gerade unterzeichnet wird und davor die ilhouetten von zwei Personen.
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Landgericht Hamburg Urteil14.01.2011

LG Hamburg zu Branchen­buchabzocke: Eintra­gungs­formular "Daten­ak­tu­a­li­sierung 2008" des DAD Deutscher Adressdienst erfüllt Straftatbestand des BetrugsGericht sieht aufgrund Gesamtschau der Umstände eine Täuschungs­absicht des Anbieters als gegeben an

Das Landgericht Hamburg hat die Klage eines Kunden in zweiter Instanz bestätigt, der gegen den Branchen­buchan­bieter DAD Deutscher Adressdienst geklagt hatte. Dieser hatte den Kunden in das Internet-Adres­sen­re­gister unter www.Deutsche­s­In­ter­net­Re­gister.de aufgenommen, ohne deutlich zu machen, dass der Eintrag kostenpflichtig sei. Der Kunde sollte 2.280,04 Euro für den Eintrag bezahlen. Das sah der Kunde nicht ein und nahm sich einen Rechtsanwalt, mit dem er vor Gericht zog. Dort klagte er auf Feststellung, dass er nicht zur Zahlung verpflichtet sei, sowie auf Erstattung seiner Anwaltskosten. Das Amtsgericht Hamburg-Barmbek gab dem Kunden Recht. Das Landgericht Hamburg bestätigte das Urteil in der Berufung.

Es ging um ein Branchenbuch, in dem rund 1,2 Millionen Unternehmen eingetragen waren. Der überwiegende Teil des Registers besteht aus kostenlosen Eintragungen, welche der beklagte Branchen­buchan­bieter aus öffentlich zugänglichen Quellen kopiert hat. Der Kläger erhielt ein Schreiben von dem Anbieter, das mit "Daten­ak­tu­a­li­sierung 2008" überschrieben war. Im Text wurde darum gebeten, die bereits verzeichneten Daten zu überprüfen und ggf. zu aktualisieren. Weiter hieß es: "Die Eintragung und Aktualisierung Ihrer Basisdaten ist kostenlos."

Erst am Ende des Formulars stand ein Hinweis zu den Kosten

Eine Mitarbeiterin des Unternehmens trug daraufhin auf dem vorgedruckten Formular fehlende Daten ein und versendete es - so wie eine große Zahl von Behörden und Gewer­be­trei­benden - an den Branchen­buchan­bieter. Dieser stellte dem Unternehmen daraufhin eine Rechnung über 2.280,04 Euro für den Eintrag aus und berief sich auf einen Kostenhinweis im unteren Viertel des Formulars (Jahrespreis von 958 EUR zzgl. MwSt).

Täuschung über tatsächlich anfallende Kosten ist Betrug

Das Landgericht Hamburg wertete dies in seinem Urteil als Betrug. Daran ändere nichts, dass der Branchen­buchan­bieter die Kosten­pflich­tigkeit des Angebots in dem Schreiben durchaus konkret benannt habe. Entscheidend sei vielmehr, dass als mögliche Täuschungs­handlung beim Betrug nicht nur das Vorspiegeln falscher oder das Entstellen oder Verschweigen bestehender Tatsachen in Betracht komme. Darüber hinaus komme auch jedes andere Verhalten als Täuschung in Betracht, sofern es nur geeignet sei, beim Gegenüber einen Irrtum hervorzurufen und den Entschluss zur Abgabe der gewünschten Willen­s­er­klärung zu beeinflussen.

Täuschung liegt dann vor, wenn das Betrugsopfer bei Kenntnis aller Umstände anders handeln würde

So reiche es aus, wenn der Handelnde sich darüber bewusst sei, dass sein Verhalten jedenfalls in der Gesamtschau aller Einzelakte geeignet sei, den anderen in die Irre zu führen. Er müsse insoweit mit der Möglichkeit rechnen, der Gegner würde bei Kenntnis aller Umstände die begehrte Willen­s­er­klärung nicht oder nicht mit dem erhofften Inhalt abgeben. Beim Täter reiche ein bedingter Vorsatz beim Täuschungs­willen für die Annahme eines Betrugs aus.

Dummheit des Opfers ist keine Entschuldigung - Betrüger kann sich nicht mit mangelnder Sorgfalt des Betrogenen entschuldigen

Hingegen sei es nicht entscheidend, ob der Getäuschte seinerseits die im geschäftlichen Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet oder hinsichtlich des "Überlesens" gewisser Vertrags­in­for­ma­tionen selbst fahrlässig gehandelt habe. Soweit der Irrtum beim Kunden durch ein recht­s­er­heb­liches Täuschungs­ver­halten ausgelöst worden sei, scheitern dessen Ansprüche nicht daran, dass der Irrtum auch auf eigener Fahrlässigkeit im Umgang mit Werbepost beruhe.

Art und Gestaltung des Formulars sollte fehlerhafte Vorstellungen erzeugen

Insbesondere in Fällen, in denen der Verfasser eines Vertrags­an­gebotes mittels Aufmachung und Formulierung eine Art der Gestaltung wähle, die beim Adressaten fehlerhafte Vorstellungen über die tatsächlichen Angebots­pa­rameter hervorrufen solle, könne eine Täuschung selbst dann angenommen werden, wenn der wahre Charakter des Schreibens bei sorgfältigem Lesen hätte erkannt werden können. Dies ergibt sich auch aus einem Urteil des Bundes­ge­richtshofs vom 26.04.2001, Az. 4 StR 439/00. Die jeweilige Täuschung müsse aber planmäßig eingesetzt worden sein und nicht bloß Folge, sondern Zweck des Handelns sei.

Kostenhinweis am Ende des Formulars sollte von den Kunden übersehen werden

Laut Bundes­ge­richtshof komme es bei einer lediglich irreführenden Darstellung im Angebots­schreiben vor allem darauf an, wie stark maßgebliche Vertrags­pa­rameter verzerrt oder aufbereitet dargestellt werden. Im vorliegenden Fall sei es jedenfalls so, dass der beklagte Branchen­buchan­bieter gerade wegen der unverbindlich klingenden Bitte um Überprüfung und Korrektur allgemein bekannter Daten darauf habe bauen können, dass der Preis zumindest von einigen Kunden schlicht übersehen werde.

Formular vermittelte den Eindruck bereits bestehender Vertrags­be­zie­hungen

Ein weiteres Indiz für die beabsichtigte Täuschung sei schließlich auch, dass das Formular bereits mit den Daten des Kunden vorausgefüllt gewesen sei. Eine derartige Vorgehensweise sei geeignet, bei dem Empfänger den Eindruck zu erwecken, es handele sich nicht um eine neuartige Geschäfts­be­ziehung, sondern es solle eine bereits bestehende Vertrags­be­ziehung aufrecht­er­halten bzw. verlängert werden.

Einfache Online­ein­tra­gungen kosten normalerweise keine 2.280 Euro

Entscheidend sei auch, dass keiner der Adressaten mit Gesamtkosten von über 1.900 Euro für eine einfache Online­ein­tragung habe rechnen müssen. Mit dieser Begründung hat auch das Landgericht Heilbronn mit Beschluss vom 23.06.2010, Az. 3 S 19/10 in einem ähnlich gelagerten Fall entschieden.

Quelle: ra-online, Landgericht Hamburg (vt/we)..

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