Dokument-Nr. 6947
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- CR 2009, 47Zeitschrift: Computer und Recht (CR), Jahrgang: 2009, Seite: 47
- K&R 2008, 759Zeitschrift: Kommunikation & Recht (K&R), Jahrgang: 2008, Seite: 759
- MMR 2009, 55Zeitschrift: Multimedia und Recht (MMR), Jahrgang: 2009, Seite: 55
Landgericht Hamburg Urteil26.09.2008
Urheberrechtsstreit um Google-BildersucheGoogle darf urheberrechtlich geschützte Comiczeichnungen nicht mehr anzeigen
Das Landgericht Hamburg hat Google die Darstellung bestimmter urheberrechtlich geschützter Bilder in der Google-Bildersuche verboten. Das Urteil kann Auswirkungen auf alle Bildersuchmaschinen haben, da die Betreiber nicht in Vorhinein prüfen können, inwieweit Bilder urheberrechtlich geschützt sind.
Ein Lizenznehmer von fünf urheberrechtlich geschützten "PsykoMan"-Comiczeichnungen hatte Google verklagt, auf dessen Internetseite die Zeichnungen in der Bildersuche als sogenannte "thumbnails" in verkleinerter Form dargestellt wurden.
Auch Darstellung als "thumbnail" verletzt Urheberrechte
Das Gericht verurteilte Google, diese Darstellung der Bilder zu unterlassen. Die Verwendung der streitgegenständlichen Zeichnungen verletze die dem Kläger an diesen Zeichnungen zustehenden ausschließlichen Nutzungsrechte. Die öffentliche Zugänglichmachung der "thumbnails" stelle im deutschen Recht eine gemäß § 19 a Urhebergesetz (UrhG) geschützte Nutzung der Originalfotos dar. Die Darstellung der streitgegenständlichen Werke in Form des "Framing" sowie das Setzen eines "Deep-Link" verletzten die Rechte des Klägers hingegen nicht.
"Thumbnails" sind keine urheberrechtlich zulässigen Bearbeitungen des Originals
Dem stehe nicht entgegen, dass die "thumbnails" gegenüber den Originalen stark verkleinert und mit einer viel gröberen Auflösung zum Abruf bereitgehalten werden. Denn trotz dieser Veränderungen sei die Schwelle zur freien Benutzung, wie sie § 24 UrhG vorsehe, nicht erreicht. Für eine solche freie Benutzung wäre erforderlich, dass die Fotos in einer solchen Weise benutzt worden wären, dass die den Originalen entnommenen individuellen Züge gegenüber der Eigenart neu geschaffener Werke verblassen. Dies sei jedoch nicht der Fall, weil den "thumbnails" in der Bildervorschau selbst keine eigenschöpferischen Züge innewohnten. Die Nutzung als "thumbnails" entferne sich nicht ausreichend weit von der Erscheinung der Originalfotos, als dass man von einer urheberrechtlich nicht mehr relevanten Nutzung sprechen könnte. Denn auch die "thumbnails" wiesen die prägenden Züge der zugehörigen Originalfotos aus, wenn auch in verkleinerter Form.
Urheberrechtliche Erlaubnistatbestände nicht einschlägig
Die Erlaubnistatbestände des UrhG hielt das Gericht für nicht anwendbar. So könne Google eine Nutzungsberechtigung nicht aus dem Gesichtspunkt der Erschöpfung des Verbreitungsrechts gemäß § 17 Absatz 2 UrhG herleiten. Auch die Schrankenbestimmung des § 44 a UrhG vermöge die Anzeige der Werke in den Ergebnislisten der Bildersuche nicht zu rechtfertigen. Streitgegenständlich sei allein das öffentliche Zugänglichmachen der Werke. Das Urheberrecht privilegiere jedoch ausschließlich Vervielfältigungshandlungen. Auch unterfalle die Wiedergabe der "thumbnails" nicht dem Zitatrecht gemäß § 51 Nr. 2 UrhG. Nach dieser Vorschrift sei die Vervielfältigung und Verbreitung zulässig, wenn Stellen eines Werkes nach der Veröffentlichung in einem selbständigen Sprachwerk angeführt würden. Weder stellten die Ergebnislisten, in die die Comicbilder aufgenommen würden, ein selbständiges Werk dar, noch erfolge die Werknutzung durch die Beklagte als Beleg oder Erörterungsgrundlage für eigene geistige Auseinandersetzungen mit den dargestellten Werken. Dieser fehlende Rückbezug der streitgegenständlichen Nutzung auf die mit dem Zitatrecht verbundenen Zwecke schließe eine erweiternde Auslegung oder analoge Anwendung der Schrankenbestimmung aus. Auch die Katalogbildfreiheit nach § 58 UrhG decke die Nutzung der Comicbilder nicht. Durch diese Vorschrift werde nur die Vervielfältigung von öffentlich ausgestellten oder zur öffentlichen Ausstellung oder zum öffentlichen Verkauf bestimmten Werken der Kunst durch den Veranstalter zur Werbung zulässig. Dies sei bei der Google-Bildersuche nicht der Fall.
Bedenken der Richter wegen Bedeutung der Suchmaschinen für Informationsgesellschaft
Das Gericht nahm in seine Urteilsbegründung ausdrücklich den Hinweis auf, dass es nicht verkenne, dass Suchmaschinen, wie sie Google erfolgreich betreibe, von essentieller Bedeutung für die Strukturierung der dezentralen Architektur des World Wide Web, für das Lokalisieren von weit verstreuten Inhalten und Wissen und damit letztlich für die Funktionsfähigkeit einer vernetzten Gesellschaft seien. Insofern sei auf die im Schrifttum und in verschiedenen Materialien der Europäischen Gesetzgebung wie auch in der Bundesgesetzgebung zum Ausdruck gekommene Wertschätzung von Suchmaschinendiensten verwiesen. Auch nehme das Gericht zur Kenntnis, dass eine Differenzierung zwischen rechtmäßigen und rechtsverletzenden Grafiken weder technisch noch organisatorisch möglich erscheine. Ein urheberrechtlicher Verbotsanspruch hätte danach nicht unerhebliche Auswirkungen auf die Existenz der Bildersuche insgesamt. Gleichwohl sehe sich das Gericht nicht in der Lage, auf Grundlage einer extensiven Auslegung von Schrankenbestimmungen, die vom Gesetzgeber für gänzlich andere Nutzungssachverhalte konzipiert wurden, die Ausschließlichkeitsrechte der Urheber zugunsten der Beklagten einzuschränken und damit gleichsam rechtsschöpfend eine neue Schrankenbestimmung in das Gesetz einzuarbeiten.
Richtungsentscheidung obliegt Gesetzgeber
Auch das wirtschaftliche Interesse Googles an der Aufrechterhaltung der gewerblichen Tätigkeit im bisherigen Umfang rechtfertige es nicht, die Urheberberechtigten an der wirtschaftlichen Verwertung ihrer Werke nicht zu beteiligen. Es sei damit Sache des Gesetzgebers und nicht der Gerichte, dieses grundrechtsrelevante Spannungsverhältnis zwischen dem ohne Frage hoch anzusiedelnden Interesse der Allgemeinheit an effizientem Zugang zu grafischen Informationen im Netz sowie den wirtschaftlichen Interessen der Beklagten einerseits und den oben skizzierten, ebenfalls grundrechtlich geschützten Interessen der Urheber andererseits aufzulösen. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich der Gesetzgeber der grundsätzlichen Problematik der urheberrechtlichen Haftung von Suchmaschinenbetreibern bewusst sei.
Unterlassungsanspruch nur gegen hohe Sicherheitsleistung vollstreckbar
Das Gericht entschied allerdings, dass das Urteil nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000.000 € vorläufig vollstreckbar ist.
§ 19 a UrhG [Recht der öffentlichen Zugänglichmachung]
Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ist das Recht, das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 07.11.2008
Quelle: ra-online (we)
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