21.11.2024
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Landgericht Hamburg Urteil27.07.2011

LG Hamburg: Unfallopfer hat keinen Anspruch auf Zahlung einer einmaligen Kapita­l­ab­findung für künftige SchädenUnfallopfer scheitert mit Millionenklage gegen Versicherung

Eine bei einem Unfall schwer verletzte Frau hat keinen Anspruch darauf, für zukünftig entstehende materielle Schäden, eine einmalige Kapita­l­ab­findung gemäß § 843 Abs. 3 BGB von der Haftpflicht­versicherung zu verlangen. Die Versicherung ist jedoch dazu verpflichtet, quartalsweise eine Rente an das nun schwer­be­hinderte Unfallopfer zu zahlen. Dies geht aus einer Entscheidung des Landgerichts Hamburg hervor.

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte die Klägerin, die durch einen Verkehrsunfall am 15. Dezember 2004 in Norditalien als Insassin im Fahrzeug ihres damaligen Ehemannes schwer verletzt worden ist, von der Kfz-Haftpflicht­ver­si­cherung ein Schmerzensgeld von mindestens 500.000 Euro und Ersatz materieller Schäden in Höhe von weiteren 6.937.618,60 Euro. Die Klägerin erlitt aufgrund des Unfalls ein Schäde­l­hirn­trauma dritten Grades mit intra­ven­tri­kulärer Blutung, kleineren rechts frontalen Kontusionen und einem Hirnödem, ein Thoraxtrauma mit rechtsseitiger Lungenkontusion sowie eine Unter­schen­kel­fraktur rechts. Bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung hatte die Beklagte Zahlungen in Höhe von insgesamt 695.105,47 Euro geleistet

Anspruch auf Schmerzensgeld in Höhe von 430.000 EUR

Das Landgericht Hamburg hat der Klägerin ein Schmerzensgeld von insgesamt 430.000 Euro zugesprochen, auf das noch restliche 131.857,14 Euro zu zahlen sind. Dabei berücksichtigte das Gericht neben den erlittenen Verletzungen auch die weiteren Unfallfolgen. So litt die Klägerin dauerhaft an einer Körperhaltung von Wernicke-Mannschen Prädi­lek­ti­onstyp. Dies führte zu Einschränkung der motorischen und koordinativen Funktionen der linken Gliedmaßen, einer schwersten Funkti­o­ns­be­hin­derung des rechten Arms mit Gebrauch­s­un­fä­higkeit und des rechten Beins mit hochgradiger Behinderung des Steh- und Gehvermögens. Das Gehen war nunmehr nur für wenige Schritte mit Unterstützung von zwei Hilfspersonen, die den Oberkörper und das rechte Bein stabilisieren, möglich. Darüber hinaus lag eine leichte Lähmung der rechten Gesichts- und Zungen­mus­kulatur sowie eine hochgradige Behinderung der Sprechfähigkeit vor. Die Stimme der Klägerin was stark heiser monoton und wenig moduliert. Die Spontansprache, das Nachsprechen und laute Lesen war beeinträchtigt. Die Klägerin litt ferner an einer ausgeprägten Antrie­bs­min­derung, mittelschweren Störung der Aufmerksamkeit, Konzen­tra­ti­o­ns­fä­higkeit und Orientierung, schweren Störung der Merkfähigkeit und des Kurzzeit­ge­dächt­nisses sowie erheblichen Störung des Denkvermögens mit entsprechender Beein­träch­tigung der Urteils- und Kritikfähigkeit.

Anspruch auf Schadensersatz

Das Landgericht hat die Beklagte im Übrigen zum Ausgleich der bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung am 8. Juni 2011 offenen materiellen Schaden­er­satz­ansprüche in Höhe von insgesamt 164.074,08 Euro verurteilt. Hinsichtlich der zukünftigen Schäden hat das Gericht die Beklagte zur Zahlung einer quartalsweisen Rente mit Beträgen in variabler Höhe zwischen 19.807,50 Euro und 30.561,17 Euro verurteilt.

Anspruch auf Rentenzahlung oder Kapita­l­ab­findung?

Primär ging es in dem Rechtsstreit darum, ob die Klägerin die zukünftig entstehenden materiellen Schaden­er­satz­ansprüche, die nach der gesetzlichen Grundregel des § 843 Abs. 1 BGB durch quartalsweise zu entrichtende Rentenzahlungen auszugleichen sind, in Form einer einmaligen Kapitalabfindung verlangen kann. Voraussetzung dafür ist nach § 843 Abs. 3 BGB ein wichtiger Grund.

LG: Einmalzahlung zur Kompensierung der unfallbedingten Beein­träch­tigung nicht besser geeignet als Rentenzahlung

Das Gericht hat der Klägerin eine solche einmalige Kapita­l­ab­findung nicht zugesprochen und zur Begründung ausgeführt, dass es - entgegen der Ansicht der Klägerin - nicht ausreiche, dass der Verletzte einen Einmalbetrag verlange, weil er selbst der Auffassung sei, ein solcher kompensiere seine unfallbedingten Beein­träch­ti­gungen besser als eine Rentenzahlung. Vielmehr sei ein objektiv nachvoll­ziehbarer Grund erforderlich wie zum Beispiel der Aufbau einer eigenen wirtschaft­lichen Existenz durch eine Geschäfts­gründung oder die Abwendung von Nachteilen durch die drohende Insolvenz des Schädigers. Derartige Gründe lägen hier jedoch nicht vor.

Schwere der Verletzung kein wichtiger Grund im Sinne des § 843 Abs. 3 BGB

Die Schwere der Verletzungen sei, für sich genommen, ebenfalls kein wichtiger Grund im Sinne des § 843 Abs. 3 BGB. Die hierdurch entstandenen bzw. noch entstehenden Nachteile, insbesondere der Mehrbedarf durch anfallende Pflegekosten, würden durch Rentenzahlungen angemessen ausgeglichen.

Verzögerung bei Regulierung durch Versicherung in einzelnen Punkten vorwerfbar

Der Umstand, dass die Beklagte die berechtigten Ansprüche der Klägerin bislang noch nicht vollen Umfangs reguliert habe, bedeute nicht, dass der Klägerin weitere Rentenzahlungen nicht zuzumuten wären. Dieser Gesichtspunkt habe sich bei der Bemessung des Schmer­zens­geldes nieder­ge­schlagen, wobei die Kammer jedoch lediglich in einzelnen Punkten eine vorwerfbare Verzögerung der Regulierung gesehen hat. Die zunächst seitens der Beklagten vorgenommene Kürzung der Ansprüche der Klägerin um 30 %, die mit einem Mitverschulden in Form des Verstoßes gegen die Anschna­ll­pflicht im Auto begründet worden sei, sei nicht zu beanstanden. Erst im Verlaufe des Prozesses habe sich gezeigt, dass die Beklagte einen entsprechenden Beweis nicht führen konnte.

Quelle: Landgericht Hamburg/ra-online

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